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«Hörst du noch manchmal etwas von Emile?», fragte Enid.

Denise stand in Chips Küche und trocknete Geschirr ab. «Gelegentlich.»

Enid hatte sich an den Esstisch gehockt, um aus den Zeitschriften, die sie in ihrer Nordic-Pleasurelines-Schultertasche gehabt hatte, Rabattmarken auszuschneiden. Regen kam in ungleichmäßigen Schauern herunter, prasselte gegen die Fenster, sodass sie beschlugen. Alfred saß mit geschlossenen Augen auf Chips Chaiselongue.

«Ich dachte gerade», sagte Enid, «selbst wenn es geklappt hätte und ihr verheiratet geblieben wärt, Denise, weißt du — es dauert nicht mehr allzu lange und Emile ist ein alter Mann. Und das macht so viel Arbeit. Du kannst dir nicht vorstellen, was für eine enorme Verantwortung das ist.»

«In fünfundzwanzig Jahren ist er immer noch jünger als Dad jetzt», sagte Denise.

«Habe ich dir eigentlich jemals von meiner High-School- Freundin Norma Greene erzählt?», fragte Enid.

«Von Norma Greene erzählst du mir buchstäblich jedes Mal, wenn ich dich sehe.»

«Na schön, dann kennst du die Geschichte ja. Norma hat irgendwann diesen Mann kennengelernt, Floyd Voinovich, einen perfekten Gentleman, einige Jahre älter als sie, in hoch bezahlter Stellung, und im Handumdrehen hatte er sie um den Finger gewickelt! Er führte sie ins Morelli's aus und ins Steamer und ins Bazelon Room, und das Problem war bloß — »

«Mutter.»

«Das Problem war bloß», fuhr Enid unbeirrt fort, «er war verheiratet. Aber darüber sollte Norma sich keine Gedanken machen. Floyd sagte, diese Konstellation sei nur vorübergehend. Er sagte, er habe damals einen großen Fehler begangen, seine Ehe sei furchtbar, er habe seine Frau nie geliebt — »

«Mutter.»

«Und er wolle sich von ihr scheiden lassen.» Ganz in Erzählerlaune, schloss Enid genüsslich die Augen. Sie wusste, dass Denise die Geschichte nicht mochte, aber umgekehrt gab es auch an Denise' Leben so manches, was Enid missfiel, bitte schön. «So ging es jahrelang. Floyd war sehr lieb und charmant, und er konnte Norma vieles bieten, was ein Mann ihres Alters sich gar nicht hätte leisten können. Norma kam, was Luxus betraf, richtig auf den Geschmack, außerdem hatte sie Floyd in einem Alter kennengelernt, in dem Mädchen sich noch Hals über Kopf verlieben, und er hatte ihr hoch und heilig geschworen, dass er sich scheiden lassen und sie zur Frau nehmen würde. Nun, inzwischen hatten Dad und ich geheiratet und Gary bekommen. Ich weiß noch, wie Norma mich einmal besuchte, als Gary noch ein Baby war, und ihn immer nur im Arm halten wollte. Sie liebte kleine Kinder, oh, was es ihr für eine Freude machte, Gary im Arm zu halten, und sie tat mir so Leid, weil sie seit Jahren mit Floyd zusammen war und er sich immer noch nicht hatte scheiden lassen. Ich sagte zu ihr, Norma, du kannst nicht ewig warten. Sie habe ja längst versucht, sich von Floyd zu trennen, sagte sie. Sie sei mit anderen Männern ausgegangen, aber die seien alle jünger gewesen und einfach nicht so suverähn — Floyd war fünfzehn Jahre älter und sehr suverähn, und ich verstehe schon, was sie bei einem älteren Mann mit suverähn meint und dass ihn das für eine jüngere Frau sehr attraktiv — »

«Mutter.»

«Und natürlich konnten diese jüngeren Männer es sich auch nicht leisten, Norma Blumen und Geschenke mitzubringen, wie Floyd es getan hatte (denn wenn sie die Geduld mit ihm verlor, konnte er seinen ganzen Charme spielen lassen), und außerdem wollten viele dieser jungen Männer gern Familien gründen, und Norma — »

«War nicht mehr die Jüngste», sagte Denise. «Ich habe Nachtisch mitgebracht. Möchtest du jetzt Nachtisch essen?»

«Na ja, du weißt ja, was dann passiert ist.»

«Ja.»

«Es ist eine todtraurige Geschichte, weil Norma — »

«Ja, ich kenne die Geschichte.»

«Norma hat schließlich — »

«Mutter: Ich kenne die Geschichte. Du scheinst zu glauben, dass sie irgendwas mit mir zu tun hat.»

«Nein, Denise, das glaube ich nicht. Du hast mir ja nicht mal erzählt, was überhaupt ‹mit dir› ist.»

«Warum erzählst du mir dann immer wieder Norma Greenes Geschichte?»