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«Wirr errhöhen Drruuck, Leutnant. Jetzt Sie werrden rreden? Jetzt?»

In Hände weg: Pädagogische Fähigkeiten für das nächste Jahrtausend warnte Dr. Harriet L. Schachtman: Allzu oft «schützen» ängstliche Eltern heutzutage ihre Kinder vor den angeblich «verheerenden Einflüssen» von Fernsehen und Computerspielen, nur um sie den weit schädlicheren Einflüssen der sozialen Ächtung durch Altersgenossen auszusetzen.

Gary, der als Kind eine halbe Stunde am Tag hatte fernsehen dürfen und sich nicht geächtet vorgekommen war, schien Schachtmans Theorie ein Patentrezept dafür zu sein, wie man die nachgiebigsten Eltern einer Gemeinschaft die Maßstäbe diktieren ließ und alle anderen zwang, ihre Werte entsprechend weit herunterzuschrauben. Doch Caroline hing dieser Theorie vorbehaltlos an, und da sie die alleinige Sachwalterin seines Ehrgeizes war, nicht wie sein Vater zu sein, und da sie glaubte, dass Kinder durch die Interaktion mit Altersgenossen mehr lernten als durch elterliche Erziehung, fügte Gary sich ihrem Urteil und ließ die Jungen nahezu unbegrenzt fernsehen.

Was er nicht bedacht hatte, war, dass er selbst der Geächtete sein würde.

Er zog sich in sein Arbeitszimmer zurück und rief ein zweites Mal in St. Jude an. Das schnurlose Küchentelefon lag noch auf seinem Schreibtisch, eine Erinnerung an frühere Unerquicklichkeiten und zukünftige Konflikte.

Er hätte lieber mit Enid gesprochen, aber es war Alfred, der abnahm und ihm sagte, sie sei drüben bei den Roots, ein wenig plaudern. «Wir hatten heute Abend ein Nachbarschaftstreffen», sagte er.

Gary erwog, später noch einmal anzurufen, doch er wollte sich von seinem Vater nicht einschüchtern lassen. «Dad», sagte er, «ich habe mich ein bisschen kundig gemacht. Axon ist eine Firma mit sehr viel Geld.»

«Gary, ich habe dir doch gesagt, dass du mir da nicht reinfuhrwerken sollst», antwortete Alfred. «Außerdem ist es jetzt müßig.»

«Was meinst du mit ‹müßig›?»

«Müßig eben. Hat sich erledigt. Die Dokumente sind notariell beglaubigt. Ich ziehe noch die Notarkosten ab, und das war's.»

Gary drückte zwei Finger gegen seine Stirn. «Mein Gott. Du warst beim Notar, Dad? An einem Sonntag?»

«Ich richte deiner Mutter aus, dass du angerufen hast.»

«Schick diese Dokumente nicht ab. Hörst du?»

«Gary, jetzt reicht es mir.»

«Tja, so ein Pech aber auch, ich komme gerade erst in Fahrt!»

«Ich habe dich gebeten, nicht mehr davon anzufangen. Wenn du dich nicht wie ein anständiger, zivilisierter Mensch benehmen kannst, habe ich keine andere Wahl — »

«Deine ganze Anständigkeit ist doch Blödsinn. Deine Zivilisiertheit ist Blödsinn. Schwäche ist das! Angst! Blödsinn!»

«Ich wünsche, nicht darüber zu sprechen.»

«Dann vergiss es.»

«Das habe ich vor. Kein Wort mehr davon. Deine Mutter und

ich kommen nächsten Monat für zwei Tage zu euch, und wir hoffen, euch im Dezember bei uns zu sehen. Es ist mein Wunsch, dass wir uns dann alle vernünftig benehmen.»

«Egal, wie es unter der Oberfläche aussieht. Hauptsache, wir sind alle ‹vernünftig›.»

«Im Kern ist das meine Überzeugung, jawohl.»

«Also, meine ist es nicht», sagte Gary.

«Das weiß ich. Deshalb bleiben wir auch nur achtundvierzig Stunden, nicht länger.»

Gary legte auf, wütender denn je. Er hatte gehofft, seine Eltern würden im Oktober eine ganze Woche bleiben. Er wollte, dass sie in Lancaster County Kuchen aßen, eine Theateraufführung im Annenberg Center besuchten, in West Chester Äpfel pflückten, Aaron Trompete spielen hörten, Caleb Fußball spielen sahen, sich an Jonahs Gesellschaft erfreuten und einfach mitbekamen, was für ein gutes Leben Gary hatte, wie sehr es Respekt und Bewunderung verdiente; und achtundvierzig Stunden reichten dafür nicht aus.

Er verließ sein Arbeitszimmer und gab Jonah einen Gutenachtkuss. Dann duschte er und legte sich auf das große Eichenbett und versuchte, sich auf die neueste Ausgabe des Inc. zu konzentrieren. Aber er konnte nicht aufhören, sich in Gedanken mit Alfred zu streiten.

Während seines Besuchs bei den Eltern im März war er erschüttert gewesen, wie sehr die Kräfte seines Vaters in den wenigen Wochen seit Weihnachten nachgelassen hatten. Ob Alfred Flure entlangschlurfte, Treppen mehr oder weniger hinunterrutschte oder seine Zähne in ein Sandwich grub, aus dem es Salatblätter und Hackfleisch regnete, stets schien er am Rand einer Entgleisung; unentwegt auf die Uhr schauend und mit den Augen umherwandernd, sobald ein Gespräch ihn nicht unmittelbar betraf, raste das alte Dampfross auf eine Katastrophe zu, und Gary konnte es kaum ertragen hinzusehen.

Denn wer, wenn nicht er, würde letztlich die Verantwortung übernehmen? Enid war hysterisch und moralinsauer, Denise lebte in Fantasialand, und Chip war seit drei Jahren nicht mehr in St. Jude gewesen. Wer, wenn nicht Gary, würde sagen: Dieser Zug sollte nicht mehr auf der alten Strecke fahren?

Ganz oben auf der Tagesordnung stand, wie Gary es sah, der Verkauf des Hauses. Einen Spitzenpreis erzielen, seinen Eltern eine kleinere, neuere, sicherere, billigere Bleibe besorgen und den Rest aggressiv investieren. Das Haus war Enids und Alfreds einziger großer Vermögenswert, und Gary nahm sich einen Vormittag lang Zeit, das ganze Anwesen, innen wie außen, zu inspizieren. Er fand Risse im Putz, Rostäderchen in den Waschbecken, eine feuchte Stelle an der Schlafzimmerdecke. Er entdeckte Regenflecken an der Innenwand der rückwärtigen Veranda, einen Bart aus getrocknetem Seifenschaum am Kinn der alten Spülmaschine, ein alarmierendes Rumpeln im Gebläse der Belüftungsanlage, Warzen und Furchen im Asphalt der Einfahrt, Termiten im Brennholzstapel, einen Eichenast, der wie ein Damoklesschwert über einer Gaube hing, fingerbreite Risse im Fundament, tragende Wände mit Schlagseite, schaumgekrönte Wellen aus abblätternder Farbe an Fensterrahmen, riesige, kühn gewordene Spinnen im Keller, ganze Felder vertrockneter Asseln und Grillenhülsen, mysteriöse pilzige und enterale Gerüche, kurz: entropischen Zerfall, wo immer er hinsah. Selbst bei anziehendem Markt begann das Haus im Wert zu sinken, und Gary dachte: Wir müssen das Scheißding jetzt verkaufen, wir dürfen keinen Tag mehr verlieren. Am letzten Morgen seines Aufenthalts fuhr Gary, während Jonah Enid einen Geburtstagskuchen backen half, mit Alfred zum Eisenwarengeschäft. Kaum saßen sie im Auto, sagte er, es sei an der Zeit, das Haus auf den Markt zu bringen.

Alfred, auf dem Beifahrersitz des greisenhaften Oldsmobils, blickte starr geradeaus. «Warum?»

«Wenn du die Frühjahrssaison verpasst», sagte Gary, «musst du ein ganzes Jahr warten. Und das kannst du dir nicht leisten. Du kannst dich nicht darauf verlassen, dass du gesund bleibst, und das Haus verliert an Wert.»

Alfred schüttelte den Kopf. «Ich habe mich lange dafür starkgemacht. Eine Zweizimmerwohnung mit Küche und Bad ist alles, was wir brauchen. Ein Plätzchen zum Kochen für deine Mutter, zum Sitzen für uns. Aber es ist zwecklos. Sie will hier nicht weg.»

«Dad, wenn ihr nicht in eine Wohnung zieht, die besser zu handhaben ist, tust du dir irgendwann noch was. Du landest im Pflegeheim.»

«Ich habe nicht die Absicht, in ein Pflegeheim zu gehen. So.»

«Dass du nicht die Absicht hast, heißt noch lange nicht, dass es nicht passiert.»

Alfred schaute im Vorbeifahren zu Garys alter Grundschule. «Wo geht's hin?»

«Du fällst die Treppen runter, du rutschst auf dem Eis aus und brichst dir die Hüfte, und schon bist du im Pflegeheim. Carolines Großmutter — »

«Ich habe nicht verstanden, wo es hingeht.»

«Zum Eisenwarengeschäft», sagte Gary. «Mom möchte einen Dimmer für die Küchenlampe haben.»

Alfred schüttelte den Kopf. «Sie und ihre romantische Beleuchtung.»

«Sie hat eben Freude daran», sagte Gary. «Woran hast du Freude?»

«Wie meinst du das?»

«Ich meine, dass du ihr das Leben ziemlich schwer machst.»