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«Wie leicht man hier einen Parkplatz findet!»

«So wenig Autos!»

«Das Verkehrsmuseum ist besser als alle Museen, die es bei uns gibt, findest du nicht, Dad?»

«Ich finde die Beinfreiheit hier im Auto klasse. Das ist das tollste Auto, in dem ich je gefahren bin.»

«Die Läden sind alle so nah und gut zu erreichen!»

Am Abend, nachdem sie vom Museum zurück waren und Gary weitere Besorgungen erledigt hatte, gab es gefüllte Schweinekoteletts und einen Geburtstags-Schokoladenkuchen. Jonah aß verträumt Eiscreme, als Enid ihn fragte, ob er nicht Lust habe, Weihnachten in St. Jude zu feiern.

«Das fänd ich toll», sagte Jonah, dessen Lider vor satter Zufriedenheit auf halbmast hingen.

«Wir machen Zuckerplätzchen und Eierflip, und du hilfst uns beim Baumschmücken», sagte Enid. «Wahrscheinlich schneit es, dann kannst du Schlitten fahren. Und, Jonah, im Waindell Park gibt es jedes Jahr eine herrliche Lichtershow,

Weihnachtsland heißt sie, da wird der ganze Park hell erleuchtet — »

«Mutter, es ist März», sagte Gary.

«Können wir Weihnachten herkommen?», fragte Jonah ihn.

«Wir kommen bestimmt bald wieder», sagte Gary. «Ob an Weihnachten, weiß ich noch nicht.»

«Ich glaube, Jonah fände es schön», sagte Enid.

«Ich fände das total schön», sagte Jonah und belud einen weiteren Löffel mit Eiscreme. «Es könnte mein allerschönstes Weihnachten werden.»

«Das glaube ich auch», sagte Enid.

«Es ist März», sagte Gary. «Wir reden im März nicht über Weihnachten, das wisst ihr. Auch nicht im Juni oder August. Das wisst ihr genau.»

«Also», sagte Alfred und stand auf, «ich gehe jetzt schlafen.»

«Ich bin für Weihnachten in St. Jude», sagte Jonah.

Dass sie Jonah für ihre Interessen einspannte, dass sie einen kleinen Jungen als Druckmittel benutzte, schien Gary ein gemeiner Trick von Enid zu sein. Nachdem er Jonah ins Bett gebracht hatte, sagte er seiner Mutter, dass Weihnachten wahrhaftig ihre geringste Sorge sein sollte.

«Dad kann nicht mal mehr einen Lichtschalter installieren», sagte er. «Und jetzt habt ihr oben eine undichte Stelle, und irgendwo am Schornstein regnet es rein — »

«Ich liebe dieses Haus.» Enid stand an der Spüle und schrubbte die Kotelettpfanne. «Dad braucht nur ein bisschen an seiner inneren Einstellung zu arbeiten.»

«Er braucht eine Schocktherapie oder Medikamente», sagte Gary. «Wenn du dein Leben dafür hergeben willst, ihm zu dienen, ist das deine Sache. Wenn du in einem alten Haus mit tausend Macken wohnen und alles so erhalten willst, wie es dir gefällt, schön, auch das ist in Ordnung. Wenn du dich kaputtmachen willst, indem du versuchst, beides gleichzeitig hinzukriegen, bitte sehr, nichts dagegen. Aber verlang nicht von mir, dass ich im März Weihnachtspläne schmiede, nur damit du dich bei alledem besser fühlen kannst.»

Enid lehnte die Kotelettpfanne hochkant an den überladenen Abtropfständer auf der Arbeitsplatte. Gary wusste, dass er ein Geschirrtuch zur Hand nehmen sollte, aber das Chaos von nassen Pfannen und Tellern und Gerätschaften von seinem Geburtstagsessen lähmte ihn; sie abzutrocknen schien ihm genauso eine Sisyphusarbeit, wie all die Mängel im Haus seiner Eltern zu reparieren. Die einzige Möglichkeit, nicht zu verzweifeln, bestand darin, sich erst gar nicht damit abzugeben.

Er schenkte sich einen ziemlich kleinen Brandy als Schlummertrunk ein, während Enid mit unglücklichen Stoßbewegungen die voll gesogenen Essensreste vom Grund der Spüle kratzte.

«Was meinst du denn, was ich tun sollte?», fragte sie.

«Das Haus verkaufen», sagte Gary. «Ruf morgen einen Makler an.»

«Und in eine von diesen beengten modernen Eigentumswohnungen ziehen?» Enid schüttelte die widerwärtigen, nassen Reste von ihrer Hand in den Müll. «Wenn ich mal den ganzen Tag unterwegs bin, laden Dave und Mary Beth Dad zum Mittagessen ein. Das hat er gern, und ich bin dann so beruhigt, wenn ich weiß, dass er bei ihnen ist.

Letzten Herbst wollte er eine neue Eibe pflanzen, aber er kriegte den alten Stumpf nicht raus, und da ist Joe Person mit einer Axt rübergekommen, und die beiden haben den ganzen Nachmittag lang zusammen gearbeitet.»

«Er sollte überhaupt keine Eiben pflanzen», sagte Gary, der schon bereute, sich beim ersten Mal so wenig eingegossen zu haben. «Er sollte nicht mit Äxten hantieren. Der Mann kann ja kaum noch stehen.»

«Gary, ich weiß, dass wir hier nicht immer bleiben können. Aber ich möchte hier ein letztes richtig schönes Familienweihnachten feiern. Und ich möchte — »

«Könntest du dir denn einen Umzug vorstellen, wenn so ein Weihnachten stattfände?»

Neue Hoffnung ließ Enids Züge milder werden. «Würdet ihr dann vielleicht kommen, Caroline und du?»

«Ich kann nichts versprechen», sagte Gary. «Aber wenn es dir so leichter fiele, das Haus auf den Markt zu bringen, würden wir auf jeden Fall überlegen — »

«Ich fände es himmlisch, wenn ihr kämt. Himmlisch.»

«Aber, Mutter, du musst realistisch bleiben.»

«Lass uns erst mal dieses Jahr hinter uns bringen», sagte Enid. «Lass uns planen, Weihnachten hier zu feiern, so wie Jonah es sich wünscht, und dann sehen wir weiter!»

Garys ANHEDONIE hatte sich verschlimmert, als er nach Chestnut Hill zurückgekehrt war. Um eine Beschäftigung für den Winter zu haben, hatte er sich darangemacht, aus Hunderten von Heimvideostunden ein genießbares Zwei-Stunden-Band mit den Größten Lambert-Hits zusammenzuschneiden, von dem er hochwertige Kopien ziehen wollte, die sie vielleicht als «Video-Weihnachtskarten» verschicken konnten. Als die endgültige Fassung fertig war und er sich wieder und wieder seine Lieblingsfamilienszenen ansah und seine Lieblingssongs («Wild Horses», «Time After Time» usw.) anhörte, begann er diese Szenen und Songs zu hassen. Und als er, in der neuen Dunkelkammer, seine Aufmerksamkeit den zweihundert definitiven Lamberts zuwandte, stellte er fest, dass es ihm auch keinen Spaß mehr machte, Fotos anzuschauen. Jahrelang hatte er in Gedanken an den Zweihundert Lamberts herumgebastelt wie an einem optimal ausgewogenen Investmentfonds und mit großer Befriedigung all jene Fotos aufgelistet, die auf jeden Fall dazugehörten. Jetzt fragte er sich, wen, außer sich selbst, er mit diesen Aufnahmen eigentlich beeindrucken wollte. Wen versuchte er zu überzeugen, und wovon? Er verspürte den sonderbaren Impuls, seine alten Lieblingsbilder zu verbrennen. Doch da sein ganzes Leben als eine Korrektur des Lebens angelegt war, das sein Vater führte, und da zwischen ihm und Caroline seit langem Einigkeit darüber bestand, dass Alfred klinisch depressiv war, und man ja wusste, dass die klinische Depression genetische Ursachen hatte und im Prinzip erblich war, blieb Gary gar keine andere Wahl, als sich weiter standhaft gegen die ANHEDONIE zu wehren, weiter die Zähne zusammenzubeißen und weiter sein Bestes zu tun, um Spaß am Leben zu haben…

Er erwachte mit juckendem Ständer, neben sich, unter der Decke, Caroline.

Seine Nachttischlampe brannte noch, sonst war das Zimmer dunkel. Caroline lag da wie in einem Sarkophag, der Rücken flach auf der Matratze und ein Kissen unter den Knien. Durch die Fliegengitter vor den Schlafzimmerfenstern drang die kühle, feuchte Luft eines müde gewordenen Sommers. Kein Wind regte sich in den Blättern der Platane, deren unterste Zweige vor dem Fenster hingen.

Auf Carolines Nachttisch lag eine gebundene Ausgabe von Neutrale Haltung: Wie Sie Ihrem Kind IHRE Jugend ersparen (Dr. Garen Tamkin, 1998).

Sie schien zu schlafen. Ihr langer Arm, dank dreimal wöchentlichen Schwimmens im Cricket Club stramm wie eh und je, ruhte an ihrer Seite. Gary betrachtete ihre kleine Nase, ihren vollen roten Mund, den blonden Flaum und den matten Schweißfilm über ihrer Oberlippe, den spitz zulaufenden Streifen entblößter heller Haut zwischen dem Saum ihres T-Shirts und dem Gummizug ihrer alten kurzen Swarthmore-College-Turnhose. Die ihm zugewandte Brust drückte von innen gegen das T-Shirt, die Kontur der karmesinroten Brustwarze zeichnete sich schwach unter dem gedehnten Stoff ab…