Выбрать главу

«Caroline.»

«Und wenn sich herausstellt, dass Caleb — »

«Das ist nur die halbe Wahrheit.»

«Bitte, Gary, lass mich ausreden. Wenn sich herausstellt, dass Caleb etwas gemacht hat, was jeder normale Junge mit einem Stück Souvenirladen-Schrott machen würde, das er im Keller findet — »

«Ich höre mir das nicht länger an.»

«Aber nein, das Problem ist nicht, dass deine adleräugige Mutter von irgend so einem schrottigen österreichischen Kitschding besessen ist, nein, das ist es nicht — »

«Es war hundert Dollar wert, eine handgeschnitzte — »

«Und wenn es tausend Dollar wert wäre! Seit wann bestrafst du ihn, deinen eigenen Sohn, dafür, dass deine Mutter einen Spleen hat? Plötzlich benimmst du dich, als wäre es 1964 und wir würden in Peoria leben. ‹Iss deinen Teller leer!› ‹Binde dir eine Krawatte um!› ‹Kein Fernsehen heute Abend!› Und dann wunderst du dich, dass wir uns streiten! Wunderst dich, dass Aaron die Augen verdreht, wenn deine Mutter ins Zimmer kommt! Es ist fast so, als wäre es dir peinlich, dass sie uns sieht. Als wolltest du ihr, solange sie bei uns ist, vorgaukeln, wir lebten so, wie es ihr gefällt. Aber ich sage dir, Gary, es gibt nichts, wofür wir uns schämen müssten. Deine Mutter ist die, die sich schämen sollte. In der Küche folgt sie mir auf Schritt und Tritt, beobachtet meine Handgriffe, als würde ich jede Woche einen Truthahn braten, und wenn ich ihr für eine Sekunde den Rücken zukehre, gießt sie einen Viertelliter Öl in alles, was ich gerade koche, und sobald ich den Raum verlasse, wühlt sie im Abfall, als wäre sie die Scheiß-Essenspolizei, sie nimmt Essen aus dem Abfalleimer und gibt es meinen Kindern — »

«Die Kartoffel war in der Spüle, Caroline, nicht im Abfalleimer.»

«Und du verteidigst sie auch noch! Sie geht raus zu den Mülltonnen, um zu gucken, ob da nicht auch irgendwas drin ist, was sie ausgraben und missbilligen könnte, und dann fragt sie mich, buchstäblich alle zehn Minuten: Was macht dein Rücken? Was macht dein Rücken? Was macht dein Rücken? Geht's deinem Rücken besser? Wie kommt's, dass er wehtut? Geht's deinem Rücken jetzt besser? Was macht dein Rücken? Sie ist regelrecht darauf aus, ein Haar in der Suppe zu finden, und dann will sie meinen Kindern erzählen, was sie zum Abendessen in meinem Haus anziehen sollen, und du unterstützt mich nicht! Du unterstützt mich einfach nicht, Gary. Stattdessen fängst du an, dich zu entschuldigen, keine Ahnung, warum, aber ich mache das nicht noch einmal mit. Mittlerweile glaube ich, dein Bruder hat den richtigen Instinkt. Er ist ein netter, kluger, lustiger Mann, der ehrlich genug ist, zu sagen, was er bei diesen Familientreffen ertragen kann und was nicht. Und deine Mutter benimmt sich, als wäre er eine einzige Peinlichkeit, ein vollkommener Versager! Tja, du wolltest die Wahrheit hören. Die Wahrheit ist, ich kann so ein Weihnachtsfest nicht noch einmal aushalten. Wenn wir aber unbedingt mit deinen Eltern feiern müssen, dann wenigstens in unseren eigenen vier Wänden. So, wie du es mir versprochen hast.»

Ein Kissen aus tiefblauer Nacht drückte auf Garys Gehirn. Bei seiner abendlichen Post-Martini-Talfahrt hatte er jenen Punkt erreicht, wo ihm alles kompliziert vorkam, ein Gefühl, das ihm schwer auf Wangen und Stirn, auf Lidern und Mund lastete. Er verstand, wie wütend seine Mutter Caroline machte, doch zugleich sah er fast alles, was sie vorgebracht hatte, anders. Das eigentlich recht hübsche hölzerne Rentier zum Beispiel hatte in einer deutlich gekennzeichneten Kiste gelegen; Caleb hatte zwei seiner Beinchen zerbrochen und ihm einen Dachnagel durch den Schädel getrieben; Enid hatte eine unangetastete Folienkartoffel aus der Spüle genommen, sie in Scheiben geschnitten und für Jonah gebraten; und Caroline hatte nicht einmal warten können, bis ihre Schwiegereltern abgereist waren, ehe sie den pinkfarbenen Polyesterbademantel, das Weihnachtsgeschenk von Enid, in die Mülltonne geworfen hatte.

«Als ich sagte, ich möchte die Wahrheit hören», antwortete er, ohne die Augen zu öffnen, «meinte ich, dass ich dich humpeln gesehen habe, bevor du ins Haus gerannt bist.»

«Mein Gott», sagte Caroline.

«An deinen Rückenschmerzen ist nicht meine Mutter schuld. Du bist selbst schuld daran.»

«Bitte, Gary. Tu mir einen Gefallen und ruf Dr. Pierce an.»

«Gib zu, dass du lügst, und ich rede über alles, was du willst. Aber solange du das nicht zugibst, wird sich nichts ändern.»

«Ich erkenne nicht mal deine Stimme wieder.»

«Fünf Tage in St. Jude. Du kannst keine fünf Tage für eine Frau erübrigen, die, wie du selbst sagst, nichts mehr zu tun hat?»

«Bitte, komm zu mir zurück.»

Ein Stromschlag der Wut zwang Gary, die Augen zu öffnen. Er trat die Decke weg und sprang aus dem Bett. «Unsere Ehe geht daran kaputt! Ich glaube es nicht!»

«Gary, bitte — »

«Wir sind auf dem besten Weg, uns wegen einer Reise nach St. Jude zu trennen!»

Und dann hielt ein Visionär in Trainingsjacke einen Vortrag vor adretten College-Studenten. Hinter dem Visionär, im leicht verwackelten Mittelgrund, sah man Sterilisatoren und Chromatographiepatronen und Gewebefärbemittel in schwachen Lösungen, langhalsige medizinwissenschaftliche Pipetten, Bilder von spreizbeinigen Chromosomen und Diagramme von thunfischroten, wie Sashimi aufgeschnittenen Gehirnen. Der Visionär war Earl «Krauskopf» Eberle, ein fünfzigjähriger Mann mit kleinem Mund und Supermarktbrille, dem ein bisschen Glamour zu verleihen die Schöpfer des Werbevideos der Axon Corporation sich redlich bemüht hatten. Die Kameraführung war fahrig, der Boden des Labors schwankte und schlingerte. Wacklige Zooms holten die vor Begeisterung strahlenden Gesichter der Studentinnen heran. Seltsam obsessive Aufmerksamkeit widmete der Film dem Hinterkopf des Visionärs (er war tatsächlich kraus).

«Natürlich ist auch Chemie, selbst Hirnchemie», sagte Eberle gerade, «im Wesentlichen die Manipulation von Elektronen in ihren Hüllen. Doch vergleichen Sie dies, wenn Sie wollen, mit einer Elektronik, die aus kleinen zwei- bis dreipoligen Schaltungen besteht. Der Diode, dem Transistor. Das Gehirn hat mehrere Dutzend Arten verschiedener Schaltungen. Entweder feuert das Neuron, oder es feuert nicht; diese Entscheidung wird jedoch durch die Rezeptorenstellungen reguliert, die zwischen dem einfachen An und Aus häufig abgestuft sein können. Selbst wenn man aus molekularen Transistoren ein künstliches Neuron konstruieren könnte, geht die allgemeine Ansicht dahin, dass der Platz niemals ausreichen würde, um diese ganze Chemie in die Ja/Nein-Sprache zu übersetzen. Angenommen, es gäbe, vorsichtig geschätzt, zwanzig neuroaktive Liganden, von denen acht gleichzeitig operieren könnten, und weiter angenommen, jede dieser acht Schaltungen könnte auf fünf verschiedene Arten aufgebaut sein — ich will Sie nicht mit Kombinatorik langweilen, aber wenn Sie nicht in einer Welt von Kartoffelköpfen leben, werden Sie ein ziemlich sonderbar aussehender Android sein.»

Nahaufnahme eines lachenden rübenköpfigen Studenten.

«Nun sind dies so grundlegende Fakten», sagte Eberle, «dass wir uns normalerweise nicht einmal die Mühe machen würden, davon zu reden. So sind die Dinge eben. Die einzige Verbindung zur Elektrophysiologie der Wahrnehmung und des Willens, die wir formen können, ist die chemische. Das ist die überlieferte Weisheit, Teil des Evangeliums unserer Wissenschaft. Niemand, der bei klarem Verstand ist, würde ernsthaft versuchen, die Welt der Neuronen mit der Welt der Schaltkreise zu verbinden.»

Eberle machte eine Kunstpause.