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»Los jetzt mit dir!«, schrie ihm Ekarna ins Ohr, um das Heulen des Windes und das Donnergrollen zu übertönen. »Wir können hier doch nicht bleiben! Wir müssen fort!«

Lexz erriet ihre Worte mehr, als dass er sie wirklich verstand. Ein Teil von ihm wollte auch nichts mehr, als sich zusammen mit den anderen weiter in den vermeintlich schützenden Bereich des Hauses zurückzuziehen; es war der gleiche Teil, der ihm immer lauter und eindringlicher zu erklären versuchte, dass alles andere reiner Wahnsinn wäre. Trotzdem schüttelte er zur Antwort nur den Kopf und drehte gleichzeitig das Gesicht zur Seite, um dem Regen zu entgehen, der genau über ihm ungehindert durch ein kopfgroßes Loch im Dach hineinprasselte und wie mit Nadeln in seine Haut stach.

Ekarna drückte sich an ihn, und ihr Gesicht kam ihm dabei so nahe, dass es aussah, als wolle sie ihn küssen. Lexz spürte, dass ihr Haar in nassen, glänzenden Strähnen an ihrer Stirn und ihren Wangen klebte, und dass sie so schnell atmete, als könne sie in der von aufgewirbeltem Unrat und Grasteilchen erfüllten Luft nicht mehr richtig atmen.

Lexz erging es kaum besser. Aber es war erst die Sorge um Ekarna, die ihn zur Besinnung brachte. Er musste sie und die anderen unbedingt hier rausbringen! Als er sich umdrehte und zu den anderen hinüberblickte, die sich auf die andere Seite des Hauses geflüchtet hatten, hätte er beinahe das Gleichgewicht verloren. Und jetzt erst erkannte er, dass Abdurezak mehr im Sinn gehabt haben musste, als ihrer aller Leben den lächerlichen Wänden aus Weidengeflecht anzuvertrauen.

Die Rückseite des Hauses war unverkleidet, sodass er auf den nackten Fels starrte. Aber das war noch nicht alles. Der Tür gegenüber tat sich in der Felswand eine rettende Öffnung auf.

Ekarna verkrallte sich in Lexz und zog ihn noch näher an sich heran. »Wir müssen da runter!«, brüllte sie ihm ins Ohr. »Die Hütte fliegt uns gleich um die Ohren!«

Lexz glaubte ihr das sofort. Der Wind pfiff inzwischen wieder durch jede Ritze, die er finden konnte. Das Weidengeflecht der Wände ächzte unter dem Druck, der darauf lastete, und das Gras, das zur Dämmung zwischen das Geflecht gedrückt worden war, flog erst an einigen wenigen Stellen und dann in ganzen Büscheln davon. Grasstücke, Holzsplitter, zerfetzte Pflanzenteile und abgerissenes Schilfrohr, all das pfiff Lexz und den anderen um die Ohren, einiges davon schrammte ihm auch über die Hände und das Gesicht.

Ekarna ließ nicht locker. Es gab wohl keinen Menschen, der ihn so gut kannte wie die Raubkatze, und natürlich ahnte sie auch jetzt, was in ihm vorging. Mit mehr als nur sanfter Gewalt drehte sie ihn herum, was schon allein deswegen klug war, weil ihm all die kleinen Teile dann wenigstens nicht mehr ins Gesicht flogen und dabei ganz nebenbei auch sein Augenlicht gefährdeten.

Er kam nicht umhin zu sehen, was sich da vor ihnen auftat: Der unbehauene und erschreckend schmale Eingang zu einer Höhle, oder vielmehr in einem schlauchförmigen Gang, der irgendwo in der unermesslichen Weite des Berges endete.

»Da rein jetzt«, fauchte ihm Ekarna ins Ohr. »Und dass du mir nicht abhaust, so wie das letzte Mal, als wir in einer Höhle Unterschlupf suchen wollten!«

Sie gab ihm einen kleinen aber kräftigen Schubs, der ihn vorwärtstaumeln ließ. Der Gang vor ihm war schwarz und dunkel und schien das wenige Licht, das durch das zunehmend undichte Dach der Hütte drang, vollständig zu verschlucken. Alles sträubte sich in Lexz, sich dieser steinernen Dunkelheit anzuvertrauen. Er hatte eine instinktive Abneigung gegen alles Dunkle und Schwarze, und mied Höhlen und Stollen, wo es nur ging.

Doch bevor er dem Zerren von Ekarna nachgeben konnte oder musste, flammte etwas auf. Abdurezak hatte eine Fackel entzündet, wie er sofort erkannte. Vielleicht hatten die früheren Bewohner der Hütte sie lediglich liegen lassen, vielleicht diente der Gang aber auch zu irgendetwas anderem - und seine Benutzer hatten hier vorausschauender Weise Fackeln platzieren lassen.

»Los jetzt«, übertönte die brüchige, und trotzdem erstaunlich kraftvolle Stimme des Schamanen das Tosen des Sturms und das Knarren und Stöhnen der Hütte, die kurz vor dem endgültigen Zusammenbruch zu stehen schien. »Der Gang führt quer durch den Berg in die Schmiede. Dort sind wir in Sicherheit!«

Fernes Hundegebell schreckte Taru auf, und einmal mehr starrte er nach oben in die Felsen, die von ihrem augenblicklichen Standort aus wie scharfkantige Klippen in den Himmel stachen. Die Steinwände, die sie umschlossen, schienen mehr Leben zu beherbergen, als er anfangs geglaubt hatte. Er sah Eidechsen, die sich im letzten Sonnenlicht zu wärmen versuchten, Libellen, die auf Insektenjagd waren, sowie Mäuse und anderes Kleingetier, das die schmalen Absätze wie selbstverständlich entlanghuschte.

Aber keine Menschen. Und auch kein Aufblitzen von Waffen oder irgendetwas anderes, das verräterisch gewesen wäre. Das änderte aber nichts daran, dass er ein Kribbeln in seinem Bauch spürte, das ihn jedes Mal überkam, wenn er auf der Jagd war und spürte, dass er die richtige Fährte verfolgte.

Das Gekläff der Hunde verebbte allmählich wieder und wurde zu nicht mehr als einem fernen verhallten Geräusch, das in all den anderen kleinen Lauten beinahe unterging, die von dem reichen Leben hier in dem Tal des unfertigen Steinkreises kündeten. Es hatte beinahe nach den Dorfhunden geklungen, was nicht ganz unwahrscheinlich war. Er war nicht der Einzige, der Arianrhod hasste. Gewiss hatten sich auch noch andere auf den Weg gemacht, um sie zu suchen. Taru konnte sich gut vorstellen, dass sie sie auch für das Unwetter verantwortlich machten, das über das Dorf hinweggezogen war und fürchterliche Verwüstungen angerichtet hatte.

Ihm konnte das nur recht sein. Auf der anderen Seite wollte er Arianrhod auf jeden Fall vor den anderen finden. Weil er sie sofort töten musste, bevor sie seinen Plänen doch noch in die Quere kommen konnte.

Sie und ihren Balg. Aber eins nach dem anderen.

»Komm jetzt«, herrschte er Isana an. »Weiter! Trödle hier nicht so rum!«

Die Schmiedtochter nickte hastig und beeilte sich, ihm zu folgen.

Taru machte einen so ungestümen Schritt, dass Wasser aus der Pfütze hochspritzte, in die er versehentlich getreten war. Isana wich weiter zur Seite aus, als nötig gewesen wäre, um den Spritzern zu entgehen, und er ahnte schon, dass sie ihm seine Gedanken angesehen hatte. Aber - wenn schon. Sollte sie nicht endlich spuren, würde er eben auch sie töten müssen.

Mit einer herrischen Geste deutete er auf das behauene Urgestein vor ihnen. »Welches Geheimnis birgt dieses Tal?«

»Von einem Geheimnis weiß ich nichts.« Isana stolperte, taumelte aber gehorsam weiter, als ihr Taru einen bösen Blick zuwarf.

»Das kann ich dir nicht glauben«, sagte er ungeduldig. »Schließlich liegt die Schmiede unmittelbar am Rande des Tals. Du bist doch bestimmt schon oft hier gewesen!«

»Ja, das ist schon wahr.« Isana fand wieder in ihren alten Schritt zurück, aber ihren Bewegungen fehlte die gewohnte Leichtigkeit. »Ich weiß aber nur, dass dies hier uralter Steinbruch ist. Und gleichzeitig war es wohl auch die Werkstatt, in der man Monolithen vervollkommnet und in Gestalt gebracht hat, um an Ort und Stelle einen Steinbruch mit ihnen zu errichten.«

»Monolithen nennt man mannshohe, behauene Steine, wie sie auch im Steinkreis am Rande unserer alten Siedlung standen«, polterte Taru, während er eine besonders große Pfütze umging. »Aber das hier ist doch etwas ganz anderes. Dies hier kann doch nur von Riesen für Riesen gemacht worden sein ...«, er warf erneut einen misstrauischen Seitenblick auf das Mädchen, »oder siehst du das etwa anders?«

Isana hob die Schultern und stieß einen zittrigen Seufzer aus. »Nein, natürlich nicht ...«

»Riesen, ja.« Voller Unbehagen starrte Taru in eine andere Gegend des Tales hinüber, auf die sie gerade zuhielten, und sah auf die Spitze eines Monolithen, wie ihn Isana nannte, der trotzig und unbeirrt nach oben stach. Er erinnerte Taru an einen Faustkeil, an die spitz geschliffene Form, wie sie selbst heute noch häufig als Messer verwendet wurden - nur dass dieses Messer hier so groß war, dass nicht einmal eine Handvoll kräftiger Männer es hätte bewegen können.