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Es war aber dennoch so schlimm, dass er beinahe das Bewusstsein verloren hätte. Hilflos rollte er über den Waldboden, der nicht nur mit weichem Laub, sondern auch mit spitzen Steinen und gefährlich zerbrochenen Ästen übersät war, überschlug sich drei-, vier- oder fünfmal, und wäre vermutlich noch weitergerollt, hätte nicht ein dorniger Busch seiner Schlitterpartie ein unsanftes Ende bereitet. Etwas schrammte über sein Gesicht und hinterließ eine dünne nasse Linie, die schon im nächsten Augenblick heftig brannte. Und abermals zuckten grelle Schmerzblitze über sein Blickfeld und hinterließen eine Spur aus wattiger Schwärze, die er vergeblich wegzublinzeln versuchte.

Als sich seine Sinne wieder klärten, war er allein. Die Höhlenmenschen waren verschwunden, und mit ihnen Isana. Das durfte doch alles nicht wahr sein! So sollte die Begegnung mit seiner Jugendliebe auf keinen Fall enden!

Erst nach dem dritten oder vierten Anlauf gelang es ihm, zitternd aufzustehen und einen Schritt zu machen. Er fühlte sich jedoch noch immer benommen und konnte nur schwankend auf den Beinen bleiben.

Was hast du getan, Lexz?, glaubte er die Stimme des Schamanen zu hören. Sie klang traurig, enttäuscht, doch es schwang auch etwas wie kaltes Entsetzen darin mit. Jetzt wird alles noch viel schlimmer. Ihr werdet ums nackte Überleben kämpfen müssen, du und deine Gefährten. Und am Ende, wenn ihr verwirrt und entkräftet seid, wird alles verloren sein - wenn du dich nicht endlich zusammenreißt!

Lexz stöhnte auf und hämmerte sich mit den blutverschmierten Fäusten gegen die Schläfen. Der Schmerz sollte ihn eigentlich zur Besinnung bringen. Aber er tat es nicht.

Das ist die Strafe dafür, dass du so unüberlegt gehandelt hast. Und vergiss niemals - aber auch wirklich niemals -, dass es etwas Wichtigeres gibt als diese Frau!

Etwas Wichtigeres? Lexz reckte sich, ballte die Hände zu Fäusten und drohte mit ihnen in den Himmel hinein. Er brüllte sich seine Wut und Enttäuschung aus der Kehle.

»Nein! Niemals! Ich werde dich nicht aufgeben, Arri!«

Arri?, wisperte eine Stimme in seinem Hinterkopf, und diesmal klang sie einmal nicht wie die des Schamanen. Warum Arri? Die Frau, um die es dir geht, heißt doch Isana!

Lexz stieß einen zweiten Schrei aus. Arri, Isana - die Namen wirbelten in seinem Kopf durcheinander. Er konnte nichts fassen, nichts festhalten. Er wusste nur, dass er die Frau retten musste, die er liebte.

Schwankend torkelte er weiter. Mein Schwert, dachte er, ich muss mir mein Schwert holen.

Der Gedanke daran war das Einzige, das ihm so etwas wie eine Orientierung gab. Er drehte sich auf dem Absatz um, wandte sich dem Bild des Grauens zu, das sich ihm dort bot, dem Toten zu, den er regelrecht abgeschlachtet hatte. Der Kopf des Toten war seltsam verdreht und seine aus den Höhlen gequollenen Augen schienen ihn anklagend anzustarren. Lexz versuchte, den Blick von diesem Gesicht zu wenden. Aber es wollte ihm nicht gelingen. Jemanden mit einem Schwerthieb auszuschalten, das war eine Sache, aber es war überflüssig und dumm gewesen, nach dem ersten Streich noch einmal zuzustechen.

Und fürchterlich war, was er damit angerichtet hatte. Die Blutlache, in der der Tote lag, war riesig, und sie war noch nicht einmal eingetrocknet. Es sah aus, als hätte er in einen See aus Blut eintauchen wollen. Und die Wunde, die er geschlagen hatte - sie klaffte auf, als wäre der Mann von einem wuchtigen Axthieb getroffen worden, und nicht von einem Schwertstreich. Es hätte wohl nicht viel gefehlt, und er hätte dem Mann den Kopf abgetrennt.

Lexz würgte. Zitternd und taumelnd wandte er sich ab, griff nach seinem Schwert und wischte sich die blutige Klinge an seinem Gewand ab. Hätte er sich in diesem Augenblick selbst sehen können, wahrscheinlich wäre er darüber erschrocken gewesen, wie wirr sein Blick flackerte.

Mit einem entschlossenen Ruck drehte er sich um und folgte der Spur der Höhlenmenschen, die Isana verschleppt hatten.

Wenn nur Torgon und Ekarna wieder an seiner Seite wären ...

TEIL 2

Kapitel 13

In den letzten Nächten hatte Isana kaum Schlaf gefunden. Tausend Dinge gingen ihr im Kopf herum, und die wenigsten davon waren erfreulich. Immer wieder hatte sie das Bild vor Augen, wie Lexz den Mann oben auf dem Hügel, der sich nur mit einer Keule bewaffnet auf ihn gestürzt hatte, tötete.

Tötete? Nein. Er hatte ihn regelrecht abgeschlachtet. Obwohl Isana in diesem Augenblick ein gutes Stück hinter ihm gestanden hatte, war sie danach von oben bis unten mit Blut besprenkelt gewesen. Erst kurz zuvor hatte sie von Lexz eine ganz andere, weiche Seite kennengelernt. Und dann war er zu dieser Bestie geworden.

Es hätte nicht geschehen dürfen.

Wie so einiges andere auch nicht.

»Wohin willst du?«, fragte eine Stimme, und sie schrak zusammen.

Um ein Haar wäre ihr der feuchte Tonkrug aus den Händen geglitten, den sie im Fluss randvoll mit Wasser gefüllt hatte, um ihn zurück zur Schmiede zu tragen. Sie hatte nicht damit gerechnet, dabei auch nur einer einzigen Menschenseele zu begegnen.

Wenn man es richtig verstand, begegnete sie Furlar auch gar nicht. Der Töpfer hatte sich vor seiner Zweit-Werkstatt niedergelassen, wie er die baufällige Hütte der alten Seebewohner nannte, die er für sich in Anspruch genommen hatte. Nun lehnte er mit dem Rücken an einem alten Baumstumpf, vor sich allerlei Sachen, die er wohl gerade erst aus der Hütte geholt hatte.

»Furlar!«, entfuhr es Isana. »Warum musst du mich so erschrecken?«

»Erschrecken? Nun ja, das wollte ich eigentlich gar nicht«, antwortete der Töpfer auf seine ganz eigene Art. »Aber es stimmt schon: In letzter Zeit wirken alle so schreckhaft. Allmählich wird es Zeit, dass mal wieder Ruhe im Dorf einkehrt.«

»Ruhe!« Isana ging in die Hocke und stellte den Krug mit einem Ruck im feuchten Gras ab. Eigentlich hatte sie das nicht vorgehabt - aber besser, den Krug abzustellen, als zuzusehen, wie er ihr doch noch aus den Händen glitt und auf dem Boden aufschlug, um in unzählige Scherben zu zerbrechen. »Hast du eigentlich gar nicht mitbekommen, was in letzter Zeit alles passiert ist?«

Furlar schüttelte den Kopf. »Nein. Hätte ich alles mitbekommen, dann wüsste ich ja auch, warum du so weiß wie eine Gänsefeder bist, und die Ringe unter deinen Augen dafür so schwarz wie eine mondlose Nacht.«

Isana legte die Hände auf die Schläfen. Die Kälte, die ihre kühlen Fingerspitzen verströmten, tat gut. Aber sie konnte den pochenden Schmerz in ihrem Kopf nicht vollkommen vertreiben.

»Im Augenblick zerren alle an mir herum«, brach es aus ihr hervor. »Jeder meckert nur mit mir, überall soll ich helfen und heilen ...«

Und außerdem sitzt Arri gefesselt in einer armseligen Hütte und wartet auf den Giftmord-Prozess, dachte sie.

Sie starrte an Furlar vorbei auf das Weidengeflecht der Hütte, das unter dem abgeplatzten Lehm zum Vorschein kam wie die Knochen bei einem Stück Wild, das man zerlegt. »Es wird Zeit, dass sich da etwas ändert«, murmelte sie ganz leise. Und dafür würde sie schon sorgen; und sie wusste sogar, wie. Aber dazu durfte sie sich nicht von einem alten Töpfer aufhalten lassen, der zusammen mit ihrem Vater irgendwelche ausgefallenen Waffen herstellen wollte.