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Sie bückte sich nach dem Krug, um ihn aufzunehmen.

»Was soll sich denn ändern?«, fragte Furlar freundlich.

Isana erschrak. Sie musste aufpassen, dass sie sich nicht noch verplapperte, so müde und erschöpft wie sie war.

»Ich hoffe, dass sich alles wieder zum Besseren wendet«, antwortete sie also unbestimmt, während sie den Krug mit beiden Händen nahm und sich wieder aufrichtete.

»Und dass dann nicht alle an dir herumzerren und dich anmeckern?«

»Das auch«, sagte Isana mürrisch. »Es kann ja nicht sein, dass jeder meint, er sei der Wichtigste - und ich müsste mich nur um ihn kümmern!«

»Was hast du denn erwartet?«, fragte Furlar. Er griff nach den Kleinteilen, die er auf einer Wolldecke vor sich ausgebreitet hatte, und sortierte sie. »Du bist jetzt die Heilerin. Und in Zeiten wie diesen ist eine Heilerin heiß begehrt.«

»Deswegen könnten sie aber trotzdem ein bisschen freundlicher sein.« Isana wackelte mit dem Krug so heftig herum, dass ein bisschen Wasser überschwappte. Sie fühlte sich einfach furchtbar. Arri ging ihr nicht aus dem Kopf. Und Lexz erst recht nicht. Ganz zu schweigen von diesem schrecklichen Kampf auf dem Hügel. Warum hatte das nur alles so kommen müssen?

»Du bist in Gedanken ganz weit weg«, bemerkte Furlar. Er nahm ein Stück in die Hand, und jetzt erst fiel Isana auf, dass es golden blitzte und funkelte. »Das ist schlecht für eine Heilerin. Eine Heilerin muss immer ganz im Hier und Jetzt sein. Gerade in solchen Zeiten wie diesen.«

»Ja«, antwortete sie geistesabwesend. »Aber was hast du da? Gold?«

Furlar schenkte ihr ein breites Lächeln und nickte dann. »Goldblech, um genau zu sein. Sehr dünnes Goldblech. Ich habe noch nie zuvor eine so gute Arbeit gesehen.« Er drehte das Goldblech in den Händen, und es funkelte und glitzerte so prächtig, wie Isana es noch nie zuvor gesehen hatte. »Dünner als ein Ahornblatt. Und dabei ganz gleichmäßig gearbeitet.«

»Ja, das ist sehr schön«, bekannte Isana fast gegen ihren eigenen Willen. »Aber was wollt ihr damit anfangen? Ich dachte, ihr wolltet Steinwaffen in einem Ofen herstellen?«

»Steinwaffen in einem Ofen. Kind!« Fröhlich schüttelte Furlar den Kopf. »Dein Vater ist ein genialer Schmied. Aber manchmal kommt er schon auf sehr merkwürdige Ideen. Man kann Stein doch weder schmieden noch töpfern.«

»Aber er hat mir gesagt, dass das sehr wohl gehen könnte«, sagte Isana trotzig. »Nur dass er dazu deine Hilfe bräuchte.«

»Er hat darüber nachgedacht, das stimmt«, pflichtete ihr Furlar bei. »Aber ich glaube nicht, dass er das im Ernst meinte. Er ist einfach auf der Suche nach neuen Materialien, um daraus noch haltbarere Waffen herzustellen als die Bronzeschwerter.«

»Und stattdessen klopft er jetzt lieber das Gold so dünn, dass es zu nichts mehr zu gebrauchen ist?«, fragte Isana verwirrt.

»Nun, viel Gold hat er ja nicht«, antwortete Furlar. »Und erst recht kein anderes Erz, das er verwenden könnte. Also haben wir uns etwas Neues einfallen lassen.«

Isana war schon drauf und dran gewesen, sich zu verabschieden. Doch jetzt zwang sie ihre angeborene Neugierde dazu, dem, was Furlar angedeutet hatte, erst einmal auf den Grund zu gehen.

»Also?«, fragte sie und beugte sich so weit vor, dass beinahe schon wieder Wasser überschwappte. »Nun sag mir schon, welche großartige Idee ihr beiden diesmal habt!«

Furlars Grinsen verstärkte sich. Er war der erste Mensch seit Langem, den Isana so fröhlich und unbekümmert sah. Trotzdem - oder gerade deshalb - fühlte sie, wie sich alles in ihr verkrampfte.

»Wir verhalten uns nicht mehr wie Barbaren, die durch die ausgedörrte Steppe taumeln und sich über jedes stinkende Wasserloch hermachen, das sie am Wegesrand entdecken«, sagte Furlar auf seine ganz eigene blumige Art. »Wir sind wieder in die Zivilisation zurückgekehrt. Und dazu gehört es, dass wir auch wieder Handel treiben müssen. Wir brauchen Tauschgüter.«

»Das mag ja sein ...«, begann Isana.

»Das mag nicht nur so sein, das ist sogar so«, stellte Furlar mit entschiedenem Ton fest. Er legte das Goldblättchen so sanft neben seinen Töpfersachen ab, als wäre es zerbrechlich. Vielleicht war es das ja auch. »Dort, wo wir herkommen, hatten wir den Handel im Umland unter Kontrolle. Hier ist das ganz anders.«

»Goseg«, sagte Isana.

»Ja«, bestätigte Furlar. »Goseg ist alt und mächtig. Es war schon immer ein wichtiges Handelszentrum. Doch jetzt umklammert es mit gieriger Faust alle Handelswege, die von Norden nach Süden oder von Osten nach Westen führen. Oder umgekehrt.«

Damit sagte er Isana zwar nicht unbedingt etwas Neues. Aber das musste sie ihm ja nicht auf die Nase binden.

»Ich frage mich, warum du mir das erzählst, wenn es dir doch um ein Goldblättchen geht«, stichelte sie.

Furlar hob die Hand und streckte Isana den Zeigefinger entgegen. »Ein Finger macht noch keine Hand. Und das Ergebnis einer Arbeit noch kein gutes Angebot.« Er ließ auch die anderen Finger folgen. »Nur, wenn man die Sache groß angeht und alle anderen Finger auch noch dazunimmt, wird man auch von jemandem wie Amar ernst genommen.«

»Amar?«

»Der neue Hohepriester von Goseg«, antwortete Furlar. »Ein ganz scharfer Hund, wie man sich erzählt. Er herrscht über das Land, als gehöre es ihm.«

Isana nickte. Das alles war ihr nicht unbekannt. Aber noch immer verstand sie die Sache mit dem Goldblättchen nicht. »Also«, setzte sie nach. »Was habt ihr beiden euch ausgedacht? Wollt ihr den Hohepriester von Goseg vielleicht übers Ohr hauen?«

»Aber nein«, antwortete Furlar ernsthaft. »Wir hauen überhaupt niemanden übers Ohr. Wir haben einfach eine sehr gute Idee. Und das Beste daran ist, dass niemand sie uns so einfach nachmachen kann.«

Er beugte sich nach vorn und griff nach einem seiner schönsten Krüge. »Was hältst du von diesem guten Stück?«

Isana legte den Kopf schief und betrachtete den Krug. Er war nicht so plump wie die meisten Töpferwaren, die sie unterwegs bei anderen Völkern gesehen hatte, sondern schien etwas ganz Besonderes zu sein. Der Boden war gut gearbeitet und gab dem Krug damit eine gute Standfestigkeit, auch auf unebenem Boden. Ansonsten sah er zart, fast zerbrechlich aus. In der bauchigen Mitte war er mit Jagdszenen verziert, detailgetreu nachempfunden und von einer Leichtigkeit, die die Seele berührte.

»Zweifellos ein Meisterwerk«, stellte sie fest.

Furlar nickte. »Du sagst es. Es hat mich Jahre gekostet - und so viel Schweiß, dass man einen ganzen See damit füllen könnte, bis ich so etwas herstellen konnte. Meine Töpferwaren sind einmalig und im ganzen Umkreis berühmt.«

»Ja«, sagte Isana ungeduldig. »Da sagst du mir nichts Neues. Auf was willst du hinaus?«

»Auf das hier«, jammerte Furlar. Er ergriff etwas, das ein wenig abseits stand und Isana noch gar nicht aufgefallen war. »Neumodischer Schund! Irgendwo an einem großen Meer gefertigt, wo immer die Sonne scheint und den Menschen die Früchte in den Mund fallen, und wo die Felder das ganze Jahr reiche Ernte ausspucken, ohne dass sich irgendeiner den Rücken dafür krumm buckeln muss!«

Isana starrte auf das, was ihr Furlar entgegenhielt. Es hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit seinem Krug. Aber statt eingeritzter und anschließend gebrannter Jagdszenen waren es hier farbige Darstellungen in einer fremden Art: Männer mit Speeren, die sich zum Wurf reckten und bis auf einen Lendenschutz nackt waren. Die Körper wirkten muskulös und waren bis in die allerkleinsten Einzelheiten liebevoll nachgebildet.

Isana verschluckte sich fast, als sie das sah. Die Darstellung hatte nicht nur etwas ganz und gar Ungewöhnliches, das sie erst einmal zurückschrecken ließ, sondern übte auch eine Anziehungskraft auf sie aus, der sie sich nicht entziehen konnte.

»Was ist das?«, brachte sie mühsam hervor.