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Rar wirkte erst verblüfft, dann verärgert - und schließlich verzog sich sein Mund zu einem breiten Grinsen. »Wenn ich es mir recht überlege, hast du mir gar nichts zu sagen. Und nur, damit du es weißt: Kenan hat mir aufgetragen, dich im Auge zu behalten, während er nicht da ist.«

»Dann pass nur auf, dass ich dir nicht eines deiner hübschen blauen Äuglein auskratze, Schmiedejunge«, fauchte Isana. »Und jetzt lass mich allein. Ich habe zu tun.«

Rar verzog das Gesicht. »Du willst dir doch nur in aller Ruhe den Fisch einverleiben. Dabei steht er dir bestimmt nicht zu. Ein ganzer Fisch, nur für dich allein? Das geht doch nicht!«

»Und ob das geht!« Isana ging zum Schmiedefeuer hinüber und stellte die Schale mit dem Fisch neben dem bauchigen Tongefäß ab, in dem sie bereits eine ganz besondere Kräutermischung nach eigenem Rezept vorgekocht hatte. »Vergiss nicht, mit wem du sprichst«, sagte sie über die Schulter hinweg. »Ich bin jetzt die Heilerin!«

»Und ich werde einmal der berühmteste Schmied im ganzen Land sein«, prahlte Rar. »Wie wäre es da mit uns beiden? Ein Schmied und eine Heilerin - das passt doch gut zusammen. Was hältst du davon, wenn ich dich zur Frau nehme?«

»Du willst mich zur Frau nehmen, du Habenichts?« Isana schüttelte den Kopf. »Schlag dir das gleich mal wieder aus dem Kopf. Aus dir wird niemals ein Schmied - du kannst doch schon froh sein, wenn du das Schmiedefeuer entfachen und den Blasebalg bedienen darfst!«

»Und ob ich ein Schmied werde«, begehrte der Junge auf. »Ich weiß doch, wie man Waffen und Werkzeuge fertigt: Man schlägt einfach die Form in einen Stein, bedeckt sie dann ausreichend mit Sand und gießt das flüssige Metall hinein!«

Isana verdrehte die Augen. »Und welche Legierung wählst du? Wie viel Zinn, wie viel Kupfer brauchst du dafür? Was ist zu beachten, wenn die Schlacke auf dem Kupfer schwimmt, wann kann man sie abstechen und was hat die Kupfersorte damit zu tun?«

»Die Kupfersorte, nun ...« Rar rang ganz offensichtlich nach Worten. »Du sprichst doch jetzt von dem, was man tut, nachdem man Erz zerkleinert und ausgewaschen hat. Ich weiß natürlich, dass man dann Schaf- oder Kuhdung nimmt und damit die Kupferklumpen formt. Und dass man das dann auf Reisig und Holz röstet, so wie wir es schon einmal in der Aufschüttung vorn bei den anderen Hütten gemacht haben. Und dann ... dann geht es eben irgendwie weiter. Aber zum Schluss gießt man die Bronze in die Form. Das ist doch schon alles!«

»Du bist ein Kindskopf.« Isana seufzte. »Die Arbeit eines Schmieds ist schwierig und bedarf sehr viel eigenen Wissens, und noch viel mehr Erfahrung. Allein die Erstellung einer Form ist schon eine Kunst für sich. Und das würdest du nie hinbekommen. Du kannst doch höchstens Steine zertrümmern, aber niemals wie mein Vater die Form eines Messers oder gar die einer Schwertklinge in eine Form schlagen. Dazu muss man ein wahrer Künstler sein!«

»Und ob ich das kann!«, prahlte Rar. »Vielleicht noch nicht gleich, und auch nicht morgen - aber spätestens im nächsten Sommer, wenn wir erst mal wieder genug Erz haben, um mit der Arbeit richtig beginnen zu können. Und du wirst sehen: Dann werde ich ganz schnell ein richtiger Schmied und nehme dich zur Frau!«

»Du willst meine Tochter zur Frau nehmen, Sohn eines Wichtigtuers?«, donnerte eine Stimme, und dann bog auch schon Isanas Vater um die Ecke.

Isana hätte nicht sagen können, wer mehr zusammenzuckte: sie oder der kraftstrotzende Junge.

Isanas Vater war eine beeindruckende Gestalt, und als er vor Rar stehen blieb und auf eine ganz ähnliche Art den Kopf schräg legte, wie das auch seine Tochter tat, da wirkte es bei ihm so bedrohlich wie bei einem gereizten Bären. Kenan hatte seinen langen Bart in Strähnchen geflochten, eine Auszeichnung, die nur Stammesfürsten und Schmieden zustand, in seinem Fall aber noch mehr als das bedeutete: eine passende Ergänzung zu der Weste aus gegerbtem Hirschleder und dem Fellgurt, den er sich schräg über den Wanst gespannt hatte, und in dem als einzige Waffe der kleinere seiner beiden Schmiedehämmer steckte.

»Mein Vater war ... gar kein ... Wichtigtuer...«, stotterte Rar, und in diesem Augenblick tat er Isana fast leid. Es war nicht leicht, gegen ihren Vater anzukommen, oder besser gesagt: Es war so gut wie unmöglich.

»Vater«, sagte sie so gefasst sie konnte, trat ihm einen Schritt entgegen und zauberte ein Lächeln auf ihre Züge. »Du bist schon zurück? Ich dachte, du wolltest mit den Leuten aus Goseg reden? Warst du denn nicht in dem verlassenen Dorf, in dem sie ihre Handelsstation aufgeschlagen haben?«

»Doch, da war ich. Aber ich habe nicht viel Zeit in diesem verfluchten Tal verbracht, das die Krieger aus Goseg plötzlich für sich beanspruchen.« Der Blick ihres Vaters wanderte, wie Isana voller Erschrecken feststellte, an ihr vorbei zu dem ersterbenden Feuer hin - und damit auch zum Rotauge, »und wenn du meinst, dass sie bereit waren, mir Kupfer und Zinn auszuhändigen, so muss ich dich enttäuschen. Das haben sie nicht getan - weil Amar, der neue Hohepriester von Goseg, sich weigert, mit unsereins Handel zu treiben!«

Der Blick Kenans schweifte kurz über die beiden Gefäße, die verbotenerweise unmittelbar neben dem Schmiedefeuer standen, und er vermerkte diesen Ungehorsam durchaus, wie Isana sogleich auffiel, sagte aber nichts dazu - vorläufig nicht. Das konnte nur bedeuten, dass er sich noch mehr über Amar ärgerte, als es ihm ohnehin schon anzusehen war.

»Wir müssen uns einen anderen Handelsplatz suchen, wenn Amar weiter stur bleibt«, polterte Kenan. »Mich hat er jedenfalls gleich wieder weggeschickt. Und das auf eine so überhebliche Art, dass ich ihm am liebsten seinen edlen Hohepriesterhals auf links gedreht hätte.« Er trat einen Schritt näher und schlug Rar mit seiner Pranke so kräftig auf die Schulter, dass der kräftige Junge aufstöhnend in die Knie ging. »Du hast das Schmiedefeuer fast ausgehen lassen. Hast du vergessen, was ich dir gesagt habe?«

»Nein, natürlich nicht«, brachte Rar kleinlaut hervor. »Niemals! Ich hol gleich Holz. Welches brauchst du jetzt ...?«

»Lass gut sein«, unterbrach ihn Kenan. »Ich habe ja nichts zum Einschmelzen. Du wirst gleich die alte Form für die Jagdmesser säubern und das Feuer ersticken. Vorausgesetzt natürlich, meine Tochter möchte die Glut nicht noch benutzen, um mir eine herzhafte Mahlzeit zuzubereiten.«

Isanas Herz machte einen schmerzhaften kleinen Hüpfer. Sonst war es ihr streng verboten, dem Schmiedefeuer auch nur nahe zu kommen: kochen musste sie auf der dafür eigens eingerichteten Kochstelle bei der leer stehenden Nachbarhütte. Erst zum Winter hin wollte ihr Vater auch im Haus eine Koch- und Feuerstelle einrichten.

»Ich brauche jetzt einfach etwas zu essen«, brummte er, als habe er ihre Gedanken erraten. »Und dann werde ich mit dem Ältestenrat beratschlagen, wie wir an Erz kommen. Es gibt schließlich auch noch andere Handelsplätze als dieses verfluchte Goseg!«

»Ja, Vater, natürlich«, beeilte sich Isana zu sagen. Sie starrte zu dem Fisch hinab, und er blickte aus seinen roten toten Augen zu ihr hoch, als wolle er sagen: »Siehst du, ich hab dir doch gleich gesagt, dass das nicht gut gehen kann!«

»Wie ich sehe, hast du schon eine Suppe vorbereitet.« Kenan verpasste Rar einen zweiten Schubser, der den Jungen wegstolpern ließ, und kam nun mit seinen zwar tapsigen, aber kraftvollen Bärenbewegungen auf Isana zu. »Dann gib sie mir mal. Oder halt sie eben noch übers Feuer. Ich brauch auf den Schreck mit dem Erz ganz schnell was in den Magen.«

Rar machte, dass er wegkam - und Isana sah von ihm zu ihrem Vater, hin und her. Ihre Gedanken überschlugen sich. Die Suppe war nicht für den Vater bestimmt gewesen, und sie war auch noch gar nicht fertig. Alles lief so schrecklich schief wie die ganzen Tage schon, am liebsten wäre sie einfach schreiend davongelaufen.