Выбрать главу

Der Boden gab unter seinen Füßen ein Stück nach und er sank weit genug ein, um zu begreifen, dass er zu leichtsinnig gewesen war. Mit einem schnellen Seitwärtsschritt wich er auf eine Stelle aus, die durch eine Ansammlung verschieden großer Steine ein Stück vertrauenerweckender aussah als die, an der er gerade beinahe eingesunken wäre. Zumindest sackte der Boden hier nicht gleich unter ihm weg. Ekarna stand unmittelbar vor ihm, aber sie deckte den Mann weitgehend ab, den sie halb hochgezogen hatte - bevor sie ihn jetzt wieder losließ, er nach hinten fiel, mit einem platschend seufzenden Geräusch aufschlug und augenblicklich ein Stück weit im Morast versank.

»Tot«, sagte sie. Sie drehte sich zu Lexz um und schüttelte müde den Kopf. »Der liegt hier einfach tot herum!«

Lexz atmete tief ein und aus. Es machte ihn wahnsinnig, dass Ekarna so unbekümmert einen Toten packte und wie einen Liebhaber an sich heranzog. Was sollte das? Und warum lag hier wie selbstverständlich eine Leiche herum?

»Ist das einer von uns?« Torgon folgte Lexz nicht, und das war auch ganz gut: Denn so schwer, wie er war, wäre er noch viel schneller eingesackt. »Ob das einer von uns ist, habe ich gefragt!«, polterte er, und seine Stimme hatte nichts mehr von der üblichen Leichtigkeit, mit der er die Worte so oft wie leichtfedrige Pfeile abschoss.

»Von uns?« Vorsichtig trat Ekarna etwas näher an die Leiche heran, darauf bedacht, keine bräunliche, glucksende Stelle unter ihre Füße zu bekommen, in der sie plötzlich einsinken konnte. »Was meinst du damit: von uns?«, fragte sie, während sie dorthin blickte, wo der rosarote Kopf des Toten gerade im Sumpf versank: die schlammverschmierten Haare, die Ohren und die Kinnspitze. Das ganze Gesicht verschwand so weit, dass ihm etwas von der braunen brackigen Brühe in den Mund lief.

Der Unterkiefer des Toten sackte noch ein Stück tiefer, und immer mehr braunes Wasser lief ihm in den Mund. Doch seine gebrochenen Augen blieben davon unberührt, und als sein Gesicht zur Seite sackte, sah es plötzlich aus, als grinse er triumphierend.

»Ich meine: ein Raker«, sagte Torgon gerade. Dann fiel sein Blick auf die Moorleiche, stieß einen erschrockenen Laut aus und machte zwei, drei rasche Hüpfer, die ihn noch weiter in Richtung Wald zurückbrachten. »Verdammter Sumpf! Fast wäre ich auch eingesunken. Und was ist mit dem Kerl da?«

Als Ekarna nicht sofort antwortete, riss er seinen Hammer hoch, und Lexz begriff, dass der Dicke nicht nur vollkommen erschöpft war, sondern auch nahe daran, die Beherrschung zu verlieren. In einem solchen Zustand hatte ihn Lexz noch nie gesehen.

»Kannst du mir jetzt vielleicht mal sagen, ob das einer von Dragosz’ Leuten ist«, polterte Torgon und schwang seinen Hammer, als suche er nur nach einem Opfer, dessen Schädel er damit zerschmettern konnte. »Also einer von diesen verfluchten Abtrünnigen ... und damit jemand, den wir kennen, weil wir zufällig ein halben Leben mit ihm verbracht haben?«

Ekarna schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kenne ihn nicht. Aber der Kerl sieht seltsam aus.«

»Und er glotzt auch so komisch«, sagte Lexz und verfluchte sich selbst, weil seine Stimme dabei wie Espenlaub zitterte. »Seht ihr das denn nicht? Sein Kopf ist gerade so tief eingesunken, dass er uns weiter anglotzen kann!«

Ekarna runzelte die Stirn. »Ja, merkwürdig.« Zu Lexz’ Entsetzen trat sie noch einen Schritt näher an den Kerl heran. »Seine Augen sind seltsam glasig. Und mal abgesehen davon, dass er im Schlamm lag und deswegen über und über mit Schlamm besudelt ist, außerdem ist er so ... rosig.« Sie stieß einen kehligen Laut aus, bei dem Lexz erneut zusammenzuckte. »Der sieht eigentlich richtig lebendig aus. Dabei liegt er bestimmt schon ziemlich lange hier. Seine Kleidung ist schon vermodert.« Sie hob die Hände an die Nase und roch daran. »Und sie stinkt. Aber nicht nach Verwesung.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich versteh das nicht. Irgendwas stimmt nicht mit dem Kerl.«

»Irgendwas stimmt nicht mit dem Kerl?«, wiederholte Torgon ungeduldig. »Ja, so kann man es wohl auch nennen. Der ist tot. Das ist das, was mit ihn nicht stimmt!«

Ekarna schüttelte den Kopf. »Das meine ich ja nicht.« Sie beugte sich vor, und Lexz beobachtete angeekelt, wie sie seinen Arm ergriff und hochhob. »Als wäre er gerade umgekippt. Dabei ist kein Zeichen einer Verletzung zu erkennen. Ich möchte mal wissen, an was er wohl gestorben ist.«

»Ich eigentlich nicht«, sagte Torgon. »Und jetzt lasst diesen Unsinn und kommt. Wir halten uns einfach auf dem schmalen Stück zwischen Sumpf und Waldrand und marschieren weiter. Irgendwann müssen wir ja wieder in eine normale Gegend kommen.«

»Ja, gleich«, beschied ihm Ekarna. »Ich will nur noch ...«

»Du willst dir einen Toten zum Mann nehmen, weil er eine so schöne rosarote Haut hat«, unterbrach Torgon sie mit einer für ihn ganz und gar typischen Bemerkung. Aber auch diesmal fehlte jede Leichtigkeit in seiner Stimme, eher klang sie hart und unbeherrscht. »Vergiss den lebenden Toten und komm endlich!«

Ekarna gehorchte jedoch nicht, sondern beugte sich wieder ein Stück zu dem Toten hinab. Es sah tatsächlich so aus, als betrachte sie einen Liebhaber, fand Lexz.

»Fast, als schliefe er nur«, murmelte sie. »Als wäre er mit einem Schlafzauber verzaubert worden.«

»So wie wir, meinst du«, zeterte Torgon. »Und ich kann dir auch verraten, wie dieser Schlafzauber aussieht: Der Kerl ist tagelang durch die Schlingpflanzen geirrt, genauso wie wir, und so wie wir konnte er sich auch nicht zum Schlafen betten, weil er sonst von ihnen eingesponnen worden wäre. Und dann ist er hier einfach umgekippt.«

Ekarna warf einen Blick über die Schulter zurück zu Torgon. »Und deswegen sieht er so frisch aus wie ein kleines Kind?«

»Nein«, gab der Dicke ungehalten zurück. »Er sieht so frisch aus, weil da etwas ganz und gar nicht stimmt. Und das erkläre ich dir auch gerne, wenn wir hier endlich weg sind - und ein paar Mützen Schlaf genommen haben.«

»Aber ich ...«

»Nichts mehr, keinen Einwand, du vorlautes Weib!«, polterte Torgon. »Wir brauchen eine Rast. Sonst schlafen wir irgendwann im Gehen ein. Also kommt endlich, beide, bevor ich euch hole und mit meinem Hammer vor mir hertreibe.«

Er streckte den Fuß vor, balancierte auf ganz eigentümliche Weise und sprang dann ein Stück weiter. Dann wiederholte er das ganze Manöver, immer darauf bedacht, dem eigentlichen Sumpf nicht zu nahe zu kommen, sich aber von den Ranken des Waldrandes weit genug fern zu halten, die sich wie die gierigen Klauen eines Ungeheuers nach ihm hangelten.

Seine Fortbewegung hatte etwas von einem Frosch, fand Lexz, von einem großen, dicken Frosch, der zu fett war, um seinen Artgenossen auf der Jagd nach Fliegen und Mücken an ein morastiges Seeufer zu folgen.

Torgon musste seinen Blick bemerkt haben, denn er hielt mitten in der Bewegung an, den rechten Fuß vorgestreckt, und wandte den Kopf in seine Richtung. »Ist irgendwas?«

Lexz schüttelte den Kopf. Vorsichtig verlagerte er das Gewicht und machte einen halben Schritt zur Seite, um nicht Gefahr zu laufen, langsam aber unaufhaltsam in dem Morast zu versinken, der schon wieder gierig unter ihm zu blubbern begonnen hatte.

»Doch, da ist etwas«, Torgon machte den nächsten seltsam anmutenden Hüpfer, und es hätte nur noch gefehlt, dass er zu quaken begonnen hätte, so lächerlich sah das aus. »Ihr seid ja schon richtig gelähmt durch das, was hier nicht stimmt. Und das ist gar nicht gut.«

»Gelähmt«, Ekarna drehte sich nun vollends sie zu ihm um. »Was meinst du damit?«

»Ich meine damit, dass hier ganz und gar nichts stimmt.« Auch Torgon war jetzt stehengeblieben, er wirkte fast hilflos. »Es könnte doch sein, dass du da auf einen Dämon gestoßen bist. Und dass es nicht der einzige seiner Art ist.«

»Ein Dämon?«, fragte Ekarna unsicher. »Meinst du wirklich ...«