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»Ich will nichts mehr davon hören«, grollte er. Der einstige Kesselflicker öffnete den Mund, aber Perrin schnitt ihm das Wort ab. »Kein Wort mehr, Aram, hört Ihr mich? Kein einziges Wort!«

»Wie Mylord Perrin befiehlt«, murmelte Aram und neigte den Kopf.

Perrin wünschte, er könnte das Gesicht des Mannes sehen. Er roch nicht zornig, sondern nur verstimmt. Das war das Schlimmste daran. Aram hatte auch nicht zornig gerochen, als er den Mord vorschlug.

Zwei Männer von den Zwei Flüssen stiegen auf die Räder des nächststehenden Wagens und spähten über den Wagenboden den Hügel in Richtung Norden hinab. Sie trugen beide einen prall gefüllten Köcher an der rechten Hüfte und einen wuchtigen Dolch mit langer Klinge - fast ein Kurzschwert - an der linken. Gut dreihundert Mann aus der Heimat waren Perrin hierher gefolgt. Er verfluchte den ersten, der ihn Lord Perrin genannt hatte, und verfluchte den Tag, an dem er den Versuch aufgegeben hatte, dies zu unterbinden. Er hatte selbst bei dem in einem Lager dieser Größe üblichen Gemurmel und Lärm keine Schwierigkeiten, die beiden zu hören.

Tod al'Caar, ein Jahr jünger als Perrin, seufzte tief, als sehe er das, was unter ihnen lag, zum ersten Mal. Perrin konnte den Kiefer des schlaksigen Mannes fast arbeiten spüren. Tods Mutter hatte ihn nur bereitwillig gehen lassen, weil es eine Ehre für ihren Sohn war, Perrin Goldaugen folgen zu dürfen. »Ein ruhmreicher Sieg«, sagte Tod schließlich. »Den haben wir errungen. Stimmt's nicht, Jondyn?«

Der grauhaarige Jondyn Barran, der knorrig wie eine Eichenwurzel wirkte, war einer der wenigen älteren Männer unter den dreihundert Kämpfern. Er war ein besserer Bogenschütze als jeder andere Mann in den Zwei Flüssen außer Meister al'Thor und ein besserer Jäger als überhaupt jeder andere. Jondyn hatte, seit er alt genug gewesen war, den Bauernhof seines Vaters zu verlassen, keinen Tag mehr gearbeitet, als er mußte. Er interessierte sich nur für die Wälder und die Jagd - und dafür, an Festtagen zuviel zu trinken. Jetzt spie er geräuschvoll aus. »Wenn du das sagst, Junge. Irgendwie haben ihn diese verdammten Asha'man errungen. Und ich sage, es ist gut so. Aber zu schade, daß sie den Sieg nicht woanders feiern.«

»Sie sind nicht so schlimm«, widersprach Tod. »Ich hätte nichts dagegen, selbst einer zu sein.« Das klang eher nach Angabe als nach der Wahrheit. Es roch auch eher so. Perrin war sich, ohne hinzusehen, sicher, daß sich Tod die Lippen leckte. Tods Mutter hatte die Geschichte der Männer, die die Macht lenken konnten, wahrscheinlich noch vor gar nicht allzu langer Zeit dazu benutzt, ihn zu ängstigen. »Ich meine, Rand -das heißt, der Wiedergeborene Drache... Klingt es nicht immer noch seltsam, daß Rand al'Thor der Wiedergeborene Drache ist?« Tod lachte, ein kurzer, unbehaglicher Laut. »Nun, er kann die Macht lenken, und es scheint nicht so ... er tut nicht ... ich meine...« Er schluckte hörbar. »Außerdem, was hätten wir ohne sie gegen alle diese Aes Sedai ausrichten können?« Letzteres war nur noch ein Flüstern, und er roch jetzt ängstlich. »Jondyn, was werden wir tun? Ich meine, mit den gefangenen Aes Sedai?«

Der alte Mann spie erneut und noch geräuschvoller als zuvor aus. Er machte sich nicht die Mühe, seine Stimme ebenfalls zu senken. Jondyn sagte stets, was er dachte, gleichgültig wer es hören konnte - ein weiterer Grund für seinen schlechten Ruf. »Es wäre besser für uns gewesen, wenn sie gestern alle gestorben wären, Junge. Wir werden dafür bezahlen, bevor es vorbei ist. Merk dir meine Worte, wir werden teuer bezahlen.«

Perrin schloß den Rest aus, was bei seinem Hörvermögen keine leichte Aufgabe war. Zuerst Aram und jetzt Jondyn und Tod, wenn auch nicht ganz so direkt. Verdammter Jondyn! Nein, wenn er diese Gedanken aussprach, dachten andere wohl genauso. Kein Mann von den Zwei Flüssen würde einer Frau bereitwillig Schaden zufügen, aber wer wollte die gefangenen Aes-Sedai noch tot sehen? Und wer könnte versucht sein, den Wunsch zu erfüllen?

Er suchte unbehaglich den Wagenkreis ab. Es war kein erfreulicher Gedanke, die gefangenen Aes Sedai vielleicht beschützen zu müssen, aber er würde sich nicht davor drücken. Er mochte keine Aes Sedai besonders und am wenigsten diese hier, aber er war mit der unausgesprochenen Sicherheit aufgewachsen, daß ein Mann zum Schutz einer Frau soviel riskieren sollte, wie sie zuließ. Und dabei war es unwichtig, ob er sie mochte oder auch nur kannte. Es stimmte, daß eine Aes Sedai einen Mann auf vielerlei Art lenken konnte, aber wenn sie erst von der Macht abgeschnitten war, wurde sie wie jedermann sonst. Das war der Konflikt, der in ihm aufstieg, wann immer er sie ansah. Zwei Dutzend Aes Sedai. Zwei Dutzend Frauen, die vielleicht nicht wußten, wie sie sich ohne die Macht verteidigen sollten.

Er beobachtete die Asha'man-Wächter eine Weile, deren jeder grimmig wie der Tod dreinschaute - bis auf die drei, die die gedämpften Frauen beaufsichtigten, die zwar versuchten, genauso düster wie die anderen zu wirken, bei denen aber unterschwellig noch etwas anderes zu spüren war. Vielleicht Befriedigung. Wenn er ihnen nur nahe genug wäre, um ihren Geruch aufzunehmen. Jede Aes Sedai bedeutete für die Asha'man eine Bedrohung. Aber vielleicht traf auch das Gegenteil zu. Vielleicht würden sie sie nur dämpfen. Von dem wenigen, was er aufgeschnappt hatte, wußte Perrin, daß eine Aes Sedai zu dämpfen einer über Jahre hinweg andauernden Tötung gleichkam.

Er beschloß widerwillig, daß er, wie auch immer der Fall gelagert war, die Asha'man Rand überlassen mußte. Sie sprachen nur miteinander und mit den Gefangenen, und Perrin bezweifelte, daß sie jemand anderem als Rand zuhören würden. Die Frage war, was Rand sagen würde. Und was konnte Perrin tun, wenn er das Falsche sagte?

Er verdrängte dieses Problem und kratzte sich mit einem Finger den Bart. Die Cairhiener waren in der Nähe der Aes Sedai zu ängstlich, um auch nur zu erwägen, ihnen Schaden zuzufügen, und die Mayener waren zu respektvoll, aber er würde sie dennoch im Auge behalten. Wer hätte gedacht, daß Jondyn so weit gehen würde, wie er es getan hatte? Er besaß bei den Cairhienern und Mayenern einen gewissen Einfluß, obwohl das sicherlich aufhören würde, wenn sie einmal nachdachten. Immerhin war er nur ein Hufschmied. Blieben noch die Aiel. Perrin seufzte. Er war sich nicht sicher, wieviel Einfluß selbst Rand wirklich auf die Aiel hatte.

Es war schwer, bei so vielen Menschen einzelne Gerüche zu erkennen, aber er hatte sich daran gewöhnt, weitaus mehr durch Gerüche zu bestimmen als durch das, was ihm seine Augen vermittelten. Die Siswai'aman, die nahe genug herankamen, rochen ruhig, aber wachsam, ein milder, starker Geruch. Sie schienen die Aes Sedai kaum zu beachten. Die Töchter des Speers rochen vor unterdrücktem Zorn, was sich noch verstärkte, wenn sie die Gefangenen betrachteten. Und die Weisen Frauen...

Jede Weise Frau, die aus Cairhien hierhergekommen war, konnte die Macht lenken, auch wenn keine von ihnen ein altersloses Gesicht besaß. Er vermutete, daß sie die Eine Macht nur selten benutzten. Ruhig und glattwangig wie Edarra oder mit lederartigem Gesicht wie die weißhaarige Sorilea, trugen sie eine Selbstbeherrschung zur Schau, die mühelos mit derjenige der Aes Sedai mithalten konnte. Überwiegend anmutige Frauen, die meisten groß, wie fast alle Aiel es waren, schienen sie die Schwestern vollständig zu ignorieren.

Sorileas Blick schweifte über die Gefangenen, ohne innezuhalten, und dann unterhielt sie sich sofort weiter mit Edarra und einer anderen Weisen Frau, einer hageren Blonden, deren Namen Perrin nicht kannte. Wenn er nur verstehen könnte, was sie sagten. Sie gingen vorbei, wobei sich keine Falte auf den drei gelassenen Gesichtern veränderte, aber ihre Gerüche sagten etwas anderes aus. Als Sorileas Blick über die Aes Sedai glitt, roch sie kalt und zurückhaltend, grimmig und verächtlich, und als sie mit den beiden anderen sprach, glich sich deren Geruch dem ihren an.