Eigentlich ist die Tragik der Allmende das Gegenstück von Adam Smiths »unsichtbarer Hand«. In bestimmten Situationen führt die unsichtbare Hand des Marktes nicht zu einem Optimum – im Gegenteil.
Natürlich: Es gibt Leute, die sehr darauf bedacht sind, den Effekt ihres Handelns auf die Menschheit und das Ökosystem zu berücksichtigen. Doch jede Politik, die auf solche Eigenverantwortung setzt, ist blauäugig. Wir dürfen nicht mit der sittlichen Vernunft des Menschen rechnen. Wie sagt Upton Sinclair so schön: »Es ist schwierig, jemanden etwas verstehen zu machen, wenn sein Einkommen davon abhängt, es nicht zu verstehen.«
Kurzum, es gibt nur die beiden besagten Lösungen: Privatisierung oder Management. Was unmöglich zu privatisieren ist – die Ozonschicht, die Meere, die Satellitenumlaufbahnen –, das muss man managen.
Beurteilen Sie nie eine Entscheidung aufgrund des Ergebnisses
Ein kleines Gedankenexperiment. Nehmen wir an, eine Million Affen spekulieren an der Börse. Sie kaufen und verkaufen Aktien wie wild und natürlich rein zufällig. Was passiert? Nach einem Jahr hat ungefähr die Hälfte der Affen mit ihren Anlagen einen Gewinn eingefahren, die andere Hälfte einen Verlust. Auch im zweiten Jahr wird die eine Hälfte der Affenbande unterm Strich gewinnen, die andere Hälfte verlieren. Und so weiter. Nach zehn Jahren bleiben etwa 1.000 Affen übrig, die ihre Aktien immer richtig angelegt haben. Nach 20 Jahren wird genau ein Affe immer richtig investiert haben – er ist Milliardär. Nennen wir ihn den »Erfolgsaffen«.
Wie reagieren die Medien? Sie werden sich auf dieses Tier stürzen, um seine »Erfolgsprinzipien« zu ergründen. Und man wird sie finden: Vielleicht frisst der Erfolgsaffe mehr Bananen als die anderen, vielleicht sitzt er in einer anderen Ecke des Käfigs, vielleicht hangelt er sich kopfüber durch die Äste, oder er macht beim Lausen lange Denkpausen. Irgendein Erfolgsrezept muss er ja haben, nicht wahr? Wie könnte er sonst eine solch fulminante Performance hinlegen? Einer, der 20 Jahre lang immer richtig getippt hat, bloß ein unwissender Affe? Unmöglich!
Die Affengeschichte illustriert den Outcome Bias: unsere Tendenz, Entscheidungen anhand des Ergebnisses zu bewerten – und nicht aufgrund des damaligen Entscheidungsprozesses. Ein Denkfehler, der auch als Historikerirrtum bekannt ist. Ein klassisches Beispiel ist der Angriff der Japaner auf Pearl Harbor. Hätte der Militärstützpunkt evakuiert werden sollen oder nicht? Aus heutiger Sicht: ganz klar, denn es gab jede Menge Hinweise, dass ein Angriff unmittelbar bevorstand. Die Signale erscheinen allerdings erst rückblickend so klar. Damals, 1941, gab es eine Unmenge widersprüchlicher Hinweise. Die einen deuteten auf einen Angriff hin, die anderen nicht. Um die Qualität der Entscheidung (evakuieren oder nicht) zu bewerten, muss man sich in die Informationslage jener Zeit hineinversetzen und alles ausfiltern, was wir nachträglich darüber wissen (vor allem die Tatsache, dass Pearl Harbor tatsächlich angegriffen wurde).
Ein anderes Gedankenexperiment. Sie haben die Leistung von drei Herzchirurgen zu bewerten. Dazu lassen Sie jeden Chirurgen fünf schwierige Operationen durchführen. Über die Jahre hat sich die Todeswahrscheinlichkeit bei diesen Eingriffen bei 20 % eingependelt. Das konkrete Ergebnis: Bei Chirurg A stirbt keiner der fünf Patienten. Bei Chirurg B einer. Bei Chirurg C zwei. Wie bewerten Sie die Leistung von A, B und C? Wenn Sie so ticken wie die meisten Menschen, dann werden Sie A als den besten, B als den zweitbesten und C als den schlechtesten Chirurgen bezeichnen. Und damit sind Sie genau dem Outcome Bias verfallen. Sie ahnen schon, warum: Die Stichproben sind zu klein und das Ergebnis ist entsprechend nichtssagend. Wie also die drei Chirurgen bewerten? Wirklich beurteilen können Sie die Chirurgen nur, wenn Sie etwas von deren Handwerk verstehen und die Vorbereitung und Durchführung der OP genau beobachten. Indem Sie also den Prozess und nicht das Ergebnis beurteilen. Oder, zweitens, indem Sie eine viel größere Stichprobe ziehen: 100 Operationen oder 1.000. Wir werden in einem anderen Kapitel auf das Problem zu kleiner Stichproben eingehen. Hier genügt es, zu verstehen: Bei einem durchschnittlichen Chirurgen stirbt mit einer Wahrscheinlichkeit von 33 % keiner, mit 41 % einer und mit 20 % sterben zwei Patienten. Die drei Chirurgen anhand des Ergebnisses zu beurteilen, wäre nicht nur fahrlässig, sondern unethisch.
Fazit: Beurteilen Sie nie eine Entscheidung nur aufgrund des Ergebnisses. Ein schlechtes Ergebnis bedeutet nicht automatisch, dass die Entscheidung schlecht getroffen wurde – und umgekehrt. Statt also mit einer Entscheidung zu hadern, die sich als falsch erwiesen hat, oder sich für eine Entscheidung auf die Schulter zu klopfen, die vielleicht rein zufällig zum Erfolg führte, sollten Sie sich besser noch einmal vor Augen halten, warum Sie so entschieden haben. Aus vernünftigen, nachvollziehbaren Gründen? Dann tun Sie gut daran, nächstes Mal wieder so zu handeln. Selbst wenn Sie letztes Mal Pech gehabt haben.
Warum mehr weniger ist
Meine Schwester und ihr Mann haben eine Wohnung im Rohbau gekauft. Seither können wir nicht mehr normal miteinander reden. Seit zwei Monaten dreht sich alles nur noch um die Kacheln fürs Badezimmer. Keramik, Granit, Marmor, Metall, Kunststein, Holz, Glas und Laminat in allen Spielarten stehen zur Auswahl. Noch selten habe ich meine Schwester in einer solchen Qual erlebt. »Die Auswahl ist einfach zu groß!«, sagt sie, schlägt die Hände über dem Kopf zusammen und wendet sich wieder dem Katalog der Plattenmuster zu, ihrem ständigen Begleiter.
Ich habe nachgezählt und nachgefragt. Das Lebensmittelgeschäft in meiner Nachbarschaft bietet 48 Sorten Joghurt, 134 verschiedene Rotweine, 64 Arten von Reinigungsprodukten, insgesamt 30.000 Artikel. Beim Internetbuchhändler Amazon sind zwei Millionen Titel lieferbar. Dem heutigen Menschen stehen über 500 psychische Krankheitsbilder, Tausende verschiedener Berufe, 5.000 Feriendestinationen und eine unendliche Vielfalt an Lebensstilen zur Verfügung. Mehr Auswahl war nie.
Als ich klein war, gab es drei Arten von Joghurt, drei Fernsehkanäle, zwei Kirchen, zwei Sorten Käse (Tilsiter rezent oder mild), eine Sorte Fisch (Forelle) und eine Art von Telefonapparat – von der Schweizer Post zur Verfügung gestellt. Der schwarze Kasten mit der Wählscheibe konnte nichts anderes als telefonieren, und das reichte damals völlig. Wer heute einen Handyladen betritt, droht in einer Lawine an Handymodellen und Tarifvereinbarungen zu ersticken.
Und doch: Auswahl ist die Messlatte des Fortschritts. Auswahl ist, was uns von der Planwirtschaft und der Steinzeit unterscheidet. Ja: Auswahl macht glücklich. Es gibt allerdings eine Grenze, bei der zusätzliche Auswahl Lebensqualität vernichtet. Der Fachbegriff dafür lautet The Paradox of Choice. Auf Deutsch etwa: das Auswahl-Paradox.
In seinem Buch Anleitung zur Unzufriedenheit beschreibt der amerikanische Psychologe Barry Schwartz, warum das so ist. Drei Gründe. Erstens: Große Auswahl führt zu innerer Lähmung. Ein Supermarkt stellte 24 Sorten Konfitüre zum Probieren auf. Die Kunden konnten nach Belieben kosten und die Produkte mit Rabatt kaufen. Am folgenden Tag führte der Supermarkt dasselbe Experiment mit nur sechs Sorten durch. Das Ergebnis? Es wurde zehnmal mehr Konfitüre verkauft als am ersten Tag. Warum? Bei einem großen Angebot kann sich der Kunde nicht entscheiden, und so kauft er gar nichts. Der Versuch wurde mehrmals mit verschiedenen Produkten wiederholt, das Resultat war stets dasselbe.
Zweitens: Große Auswahl führt zu schlechteren Entscheidungen. Fragt man junge Menschen, was ihnen an einem Lebenspartner wichtig ist, zählen sie all die ehrenwerten Eigenschaften auf: Intelligenz, gute Umgangsformen, ein warmes Herz, die Fähigkeit zuzuhören, Humor und physische Attraktivität. Aber werden diese Kriterien bei der Auswahl wirklich berücksichtigt? Während früher in einem Dorf durchschnittlicher Größe für einen jungen Mann etwa 20 potenzielle Frauen in derselben Altersklasse zur Auswahl standen, die er zumeist schon aus der Schule kannte und entsprechend gut einschätzen konnte, stehen heute, im Zeitalter des Online-Datings, Millionen potenzieller Partnerinnen zur Verfügung. Der Auswahlstress ist so groß, dass das männliche Hirn die Komplexität auf ein einziges Kriterium schrumpft – und das ist, empirisch nachweislich, die »physische Attraktivität«. Die Folgen dieses Auswahlverfahrens kennen Sie, vielleicht sogar aus eigener Erfahrung.