Besonders lustig war neulich eine Telefonumfrage: Eine Firma wollte herausfinden, wie viele Telefone (Festnetz und Handys) es im Durchschnitt pro Haushalt gibt. Als die Umfrage ausgewertet wurde, staunte man darüber, dass kein einziger Haushalt angab, kein Telefon zu besitzen. Kunststück!
Warum Erfahrung manchmal dumm macht
Schon dreimal hatte Kevin vor dem Aufsichtsrat die Ergebnisse seines Geschäftsbereichs präsentiert. Jedes Mal lief es perfekt. Und jedes Mal hatte er seine grün getüpfelten Unterhosen getragen. Klarer Fall, denkt er, das sind meine Glücksunterhosen.
Die Verkäuferin im Juweliergeschäft war so hübsch, dass Kevin nicht umhinkonnte, den 10.000 Euro teuren Verlobungsring zu kaufen, den sie ihm unverbindlich zeigte. 10.000 – das lag weit über seinem Budget (erst recht für eine zweite Ehe), doch unbewusst verknüpfte Kevin den Ring mit der Schönheit der Verkäuferin. Seine künftige Frau, stellte er sich vor, würde damit genauso blendend aussehen.
Jedes Jahr geht Kevin für eine Allgemeinuntersuchung zum Arzt. Meistens attestiert ihm dieser, er, Kevin, sei für sein Alter (44) »noch recht gut in Form«. Nur zweimal verließ er die Praxis bisher mit einer schockierenden Diagnose. Einmal war es der Blinddarm, der zügig herausoperiert werden musste. Ein anderes Mal ging es um eine Prostataschwellung, die sich in den Folgeuntersuchungen zum Glück nicht als Krebs, sondern als Entzündung herausstellte. Natürlich war Kevin außer sich, als er die Praxis an diesen beiden Tagen verließ – und es waren beides Mal außergewöhnlich heiße Tage. Seither fühlt er sich immer unwohl, wenn die Sonne brennt. Steht mal an einem Hitzetag ein Arztbesuch an, meldet er sich kurzfristig ab.
Unser Hirn ist eine Verknüpfungsmaschine. Das ist grundsätzlich auch gut so: Wir essen eine unbekannte Frucht, uns wird schlecht, also meiden wir die entsprechende Pflanze künftig und bezeichnen ihre Früchte als giftig oder zumindest ungenießbar. So entsteht Wissen.
Nur: So entsteht auch falsches Wissen. Untersucht hat dies zum ersten Mal Iwan Pawlow. Ursprünglich wollte der russische Forscher bloß den Speichelfluss bei Hunden messen. Die Versuchsanordnung war so gebaut, dass eine Glocke bimmelte, bevor die Hundenahrung geliefert wurde. Bald reichte allein die Glocke, um bei den Hunden die Speichelproduktion in Gang zu setzen. Sie verknüpften zwei Dinge, die funktional nichts miteinander zu tun hatten – das Läuten einer Glocke und die Produktion von Speichel.
Pawlows Methode funktioniert bei Menschen ebenso gut. Die Werbung verknüpft Produkte mit positiven Emotionen. Darum werden Sie nie Coca-Cola in Verbindung mit einem unzufriedenen Gesicht oder einem alten Körper sehen. Die Coca-Cola-Menschen sind jung, sie sind schön, und sie haben unglaublich viel Spaß.
Der Association Bias beeinträchtigt die Qualität unserer Entscheidungen. Beispieclass="underline" Wir tendieren dazu, Überbringer von schlechten Nachrichten nicht zu mögen. Auf Englisch bezeichnet man dies als Shoot the Messenger Syndrome. Der Botschafter wird mit dem Inhalt der Nachricht assoziiert. Auch CEOs und Investoren haben die (unbewusste) Tendenz, solchen vermeintlichen Unheilsbringern aus dem Weg zu gehen. Das Ergebnis: Auf der Teppichetage kommen nur gute Nachrichten an – es entsteht ein verzerrtes Bild der Situation. Warren Buffett ist sich dessen sehr bewusst: Er hat die CEOs seiner Firmen angewiesen, ihm die guten News gar nicht mitzuteilen, sondern nur die schlechten – und zwar ohne Umschweife.
In den Zeiten vor Telemarketing und E-Mail gingen Handelsreisende von Tür zu Tür und priesen ihre Waren an. Eines Tages kam der Handelsreisende George Foster an einem Haus vorbei, das unbewohnt war – was er nicht wissen konnte. Ein winziges Gasleck hatte das Haus über Wochen mit entflammbarem Gas gefüllt. Unglücklicherweise war die Klingel beschädigt. Als Foster auf den Knopf drückte, sprang ein Funke, und das Haus explodierte. Foster musste ins Spital eingeliefert werden. Zum Glück war er bald wieder auf seinen Beinen – was ihm allerdings nicht viel nützte, denn seine Panik vor Klingelknöpfen war so stark, dass er seinen Job viele Jahre lang nicht mehr ausüben konnte. Er wusste durchaus, wie unwahrscheinlich eine Wiederholung eines solchen Vorfalls war. Doch sein Verstand schaffte es beim besten Willen nicht, die (falsche) emotionale Verknüpfung zu überschreiben.
Was man daraus lernen kann, hat niemand treffender gesagt als Mark Twain: »Wir sollten darauf achten, einer Erfahrung nur so viel Weisheit zu entnehmen, wie in ihr steckt – mehr nicht; damit wir nicht der Katze gleichen, die sich auf eine heiße Herdplatte setzte. Sie setzt sich nie wieder auf eine heiße Herdplatte – und das ist richtig; aber sie setzt sich auch nie wieder auf eine kalte.«
Vorsicht, wenn zu Beginn alles gut läuft
Im letzten Kapitel haben wir den Association Bias kennengelernt – die Tendenz, Vorkommnisse miteinander zu verknüpfen, die nichts miteinander zu tun haben. Nur weil Kevin dreimal hintereinander eine glänzende Präsentation vor dem Aufsichtsrat gelungen ist und er dabei jedes Mal seine grün getüpfelten Unterhosen trug, macht es noch lange keinen Sinn, an Glücksunterhosen zu glauben.
Hier geht es um einen besonders heiklen Spezialfall des Association Bias: die (falsche) Verknüpfung mit früheren Erfolgen. Kasinospieler kennen das, sie sprechen von Anfängerglück. Wer in den ersten Runden eines Spiels verliert, steigt tendenziell aus. Wer abgesahnt hat, macht tendenziell weiter. Überzeugt, überdurchschnittliche Fähigkeiten zu besitzen, erhöht der Glückspilz den Einsatz – und wird später prompt zum Pechvogel, dann nämlich, wenn sich die Wahrscheinlichkeiten »normalisieren«.
Anfängerglück spielt in der Wirtschaft eine bedeutende Rolle: Firma A kauft die kleineren Firmen B, C und D. Die Akquisitionen bewähren sich jedes Mal. Dies bestärkt die Konzernführung in der Gewissheit, ein ausgezeichnetes Händchen für Firmenkäufe zu haben. Beflügelt kauft Firma A nun die viel größere Firma E. Die Integration erweist sich als Desaster. Nüchtern betrachtet hätte man das ahnen können, aber man hat sich vom Anfängerglück blenden lassen.
Dasselbe an der Börse. Getrieben von anfänglichen Erfolgen steckten in den späten 90er-Jahren viele Anleger ihre ganzen Ersparnisse in Internetaktien. Manche nahmen dafür sogar Kredite auf. Sie übersahen ein kleines Detaiclass="underline" dass ihre vorerst verblüffenden Gewinne nichts mit ihren Fähigkeiten des Stock-Picking zu tun hatten. Der Markt ging einfach hoch. Man musste sich geradezu dumm anstellen, um zu dieser Zeit kein Geld zu verdienen. Als die Kurse dann kippten, blieben viele auf ihren Schulden sitzen.
Die gleiche Dynamik war während des amerikanischen Immobilienbooms von 2001 bis 2007 zu beobachten. Zahnärzte, Anwälte, Lehrer und Taxifahrer gaben ihre Jobs auf, um Häuser zu »flippen« – sie zu kaufen und dann sofort zu einem höheren Preis weiterzuverkaufen. Die ersten, fetten Gewinne gaben ihnen recht, aber natürlich hatten auch die nichts mit besonderen Fähigkeiten zu tun: Die Immobilienblase trug jeden noch so ungeschickten Hobbymakler in ungeahnte Höhen. Viele verschuldeten sich, um noch mehr und noch größere Villen zu »flippen«. Als der Markt schließlich zusammenbrach, saßen sie auf einem Trümmerfeld.