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In der Wirtschaft wütet der Confirmation Bias besonders heftig. Beispieclass="underline" Der Aufsichtsrat beschließt eine neue Strategie. In der Folge werden sämtliche Anzeichen, die einen Erfolg dieser Strategie andeuten, euphorisch gefeiert. Wo man auch hinschaut, man sieht reichlich Anzeichen, dass sie funktioniert. Gegenteilige Indizien werden entweder gar nicht gesehen oder kurzerhand als »Spezialfälle« und »unvorhersehbare Schwierigkeiten« abgetan. Der Aufsichtsrat ist gegenüber Disconfirming Evidence blind.

Was tun? Wenn das Wort »Spezialfall« fällt, lohnt es sich, umso genauer hinzuhören. Oft verbirgt sich dahinter ganz normale Disconfirming Evidence. Am besten halten Sie sich an Charles Darwin: Der hatte sich seit seiner Jugend darauf eingestellt, den Confirmation Bias systematisch zu bekämpfen. Wann immer Beobachtungen seiner Theorie widersprachen, nahm er sie besonders ernst. Er trug ständig ein Notizbuch mit sich herum und zwang sich, Beobachtungen, die im Widerspruch zu seiner Theorie standen, innerhalb von 30 Minuten zu notieren. Er wusste, dass das Hirn Disconfirming Evidence nach 30 Minuten aktiv »vergisst«. Je gefestigter er seine Theorie einschätzte, desto aktiver suchte er nach widersprechenden Beobachtungen. Chapeau!

Wie viel Überwindung es kostet, die eigene Theorie infrage zu stellen, zeigt das folgende Experiment. Ein Professor legte seinen Studenten die Zahlenreihe 2–4–6 vor. Sie sollten die zugrunde liegende Regel herausfinden, die sich der Professor auf die Rückseite eines Blatts Papier geschrieben hatte. Die Probanden sollten eine nächste Zahl angeben, worauf der Professor entweder mit »Passt auf die Regel« oder »Passt nicht auf die Regel« antworten würde. Sie durften so viele Zahlen nennen, wie sie wollten, aber die Regel nur einmal erraten. Die meisten Studenten sagten »8«, der Professor antwortete mit »Passt auf die Regel«. Um sicherzugehen, probierten sie noch »10«, »12« und »14«. Der Professor antwortete jedes Mal mit »Passt auf die Regel«, woraufhin die Studenten einen einfachen Schluss zogen: »Dann lautet die Regeclass="underline" Addiere 2 zur letzten Zahl.« Der Professor schüttelte den Kopf: »Das ist nicht die Regel, die auf der Rückseite dieses Blattes steht.«

Ein einziger gewiefter Student ging anders an die Aufgabe heran. Er probierte es mit »4«. Der Professor sagte: »Passt nicht auf Regel.« »7?« »Passt auf die Regel.« Der Student versuchte es noch eine Weile mit allerlei verschiedenen Zahlen, »minus 24«, »9«, »minus 43«. Offenbar hatte er eine Idee, und er versuchte, sie zu falsifizieren. Erst als er kein Gegenbeispiel mehr finden konnte, sagte er: »Die Regel lautet: Die nächste Zahl muss höher sein als die vorherige.« Der Professor drehte das Blatt Papier um, und das war genau, was draufstand. Was unterschied den findigen Kopf von seinen Mitstudenten? Während sie bloß ihre Theorie bestätigt haben wollten, versuchte er seine zu falsifizieren – und suchte ganz bewusst nach Disconfirming Evidence. Auf den Confirmation Bias reinzufallen, ist kein intellektuelles Kavaliersdelikt. Wie er unser Leben beeinflusst: im nächsten Kapitel.

THE CONFIRMATION BIAS (TEIL 2)

Murder your darlings

Im vorherigen Kapitel haben wir den Vater aller Denkfehler kennengelernt, den Confirmation Bias. Hier ein paar Beispiele dazu. Wir alle sind gezwungen, Theorien über die Welt, das Leben, die Wirtschaft, Investitionen, die Karriere etc. aufzustellen. Ohne Annahmen geht es nicht. Je schwammiger aber eine Theorie, desto stärker der Confirmation Bias. Wer mit der Idee »Menschen sind gut« durchs Leben geht, wird genug Bestätigung für diese Theorie finden. Wer mit der Idee »Menschen sind schlecht« durchs Leben geht, ebenfalls. Beide, der Philanthrop und der Misanthrop, werden Disconfirming Evidence (gegenteilige Evidenz) wegfiltern und tonnenweise Bestätigung für ihre Weltsicht erhalten.

Astrologen und Wirtschaftsexperten operieren nach dem gleichen Prinzip. Ihre Aussagen sind so schwammig, dass sie Bestätigungen wie ein Magnet anziehen: »In den kommenden Wochen werden Sie traurige Momente erleben« beziehungsweise »Mittelfristig wird der Abwertungsdruck auf den Dollar zunehmen.« Was heißt mittelfristig? Was heißt Abwertungsdruck? Abwertung gemessen an was – Gold, Yen, Pesos, Weizen, Wohneigentum in Berlin-Kreuzberg, dem Preis für Currywürste?

Religiöse und philosophische Überzeugungen sind wegen ihrer Schwammigkeit hervorragende Nährböden für den Confirmation Bias. Hier wuchert er wild drauflos. Gläubige sehen auf Schritt und Tritt bestätigt, dass es Gott gibt. Dass dieser sich nicht direkt präsentiert – mit Ausnahme vor Analphabeten in Wüsten und abgelegenen Bergdörfern, aber niemals in einer Stadt wie Frankfurt oder New York – macht deutlich, wie stark der Confirmation Bias ist. Selbst der schlagendste Einwand wird weggefiltert.

Keine Berufsgattung leidet stärker am Confirmation Bias als die Wirtschaftsjournalisten. Oft stellen sie eine billige Theorie auf, setzen zwei, drei »Beweise« hinzu, und fertig ist der Artikel. Beispieclass="underline" »Google ist so erfolgreich, weil die Firma eine Kultur der Kreativität lebt.« Also geht der Journalist hin, sucht sich zwei, drei Firmen heraus, die ebenfalls Kreativität leben und damit erfolgreich sind (Confirming Evidence). Aber er macht sich nicht die Mühe, Disconfirming Evidence auszugraben, also jene Firmen zu suchen, die eine Kultur der Kreativität pflegen, aber nicht erfolgreich sind – beziehungsweise solche, die erfolgreich sind, aber keine Kultur der Kreativität leben. Von beiden Sorten gibt es eine Menge, doch der Journalist übergeht sie geflissentlich. Würde er eine davon erwähnen, wäre sein Zeitungsartikel im Eimer. Ich hingegen würde diesen Artikel einrahmen – eine Perle im Meer der nutzlosen Halbrecherchen.

Nach demselben Prinzip werden Erfolgs- und Lebenshilfebücher geschrieben. Banalste Theorien werden aufgetischt – etwa: »Meditation ist der Schlüssel zur Glückseligkeit.« Natürlich hat der weise Autor haufenweise bestätigende Beispiele dafür. Nach Disconfirming Evidence sucht man hingegen vergebens: Menschen, die ohne Meditation glücklich sind, und Menschen, die trotz Meditation unglücklich sind. Es ist jämmerlich, wie viele Leser auf solche Bücher hereinfallen.

Der Fluch besteht darin, dass der Confirmation Bias unbewusst bleibt. Natürlich, wir haben es nicht gern, wenn Löcher in unsere Überzeugungen geschossen werden. Doch ist es nicht so, dass wir Schutzschilder vor unseren Überzeugungen aufrichten. Es ist eher so, als ob mit einem Schalldämpfer auf uns geschossen würde: Die Schüsse fallen, aber wir hören sie nicht.

Das Internet macht es einfach, uns mit Gleichgesinnten zusammenzutun. Wir lesen Blogs, die unsere Theorien bestärken. Die Personalisierung von Nachrichten sorgt dafür, dass gegenteilige Meinungen gar nicht erst auf unserem Radarschirm auftauchen. Wir bewegen uns zunehmend in Communitys von Gleichdenkenden, die den Confirmation Bias noch verstärken.

Wie können wir uns schützen? Ein Satz von Arthur Quiller-Couch ist hilfreich: »Murder your darlings.« Der Literaturkritiker sprach damit Schriftsteller an, die oft größte Mühe haben, Sätze zu streichen, die zwar schön, aber überflüssig sind. Quiller-Couchs Aufruf gilt nicht nur für zaudernde Schreiberlinge, sondern für uns alle. Fazit: Kämpfen Sie gegen den Confirmation Bias an. Schreiben Sie Ihre Glaubenssätze – sei es in Bezug auf Weltanschauung, Investments, Ehe, Gesundheitsvorsorge, Diäten, Karrierestrategien – auf, und machen Sie sich auf die Suche nach Disconfirming Evidence. Seine Lieblingstheorien zu killen, ist harte Arbeit – aber als aufgeklärter Geist werden Sie nicht darum herumkommen.