Der Kontrasteffekt kann ganze Leben ruinieren: Eine entzückende Frau heiratet einen ziemlich durchschnittlichen Mann. Warum? Ihre Eltern waren furchtbar, und so erscheint ihr der durchschnittliche Typ besser, als er wirklich ist. Und zum Schluss: Bombardiert von Werbung mit Supermodels erscheinen selbst schöne Frauen als mäßig attraktiv. Wenn Sie als Frau einen Mann suchen, gehen Sie deshalb nie in Begleitung Ihrer Modelfreundinnen aus. Männer werden Sie als weniger attraktiv einschätzen, als Sie in Wahrheit sind. Gehen Sie allein. Noch besser: Nehmen Sie zwei hässliche Freundinnen mit auf die Party.
Warum Sie lieber einen falschen Stadtplan als gar keinen verwenden
»Er hat sein Leben lang jeden Tag drei Schachteln Zigaretten geraucht und wurde über 100 Jahre alt. So schädlich kann Rauchen also nicht sein.« Oder: »Hamburg ist sicher. Ich kenne jemanden, der lebt mitten in Blankenese. Der schließt seine Tür nie ab, nicht einmal, wenn er in den Urlaub fährt, und noch nie wurde bei ihm eingebrochen.« Solche Sätze wollen irgendetwas beweisen – doch sie beweisen überhaupt nichts. Leute, die so reden, sind dem Availability Bias verfallen.
Gibt es mehr deutsche Wörter, die mit einem R anfangen oder mit einem R aufhören? Antwort: Es gibt mehr als doppelt so viele deutsche Wörter, die mit einem R enden, als solche, die mit einem R anfangen. Warum liegen die meisten, denen diese Frage gestellt wird, falsch? Weil uns Wörter, die mit R beginnen, schneller einfallen. Anders ausgedrückt: Sie sind verfügbarer.
Der Availability Bias (auf Deutsch etwa: Verfügbarkeitsfehler) besagt Folgendes: Wir machen uns ein Bild der Welt anhand der Einfachheit, mit der uns Beispiele einfallen. Was natürlich idiotisch ist, denn draußen in der Wirklichkeit kommt etwas nicht häufiger vor, nur weil wir es uns besser vorstellen können.
Dank dem Availability Bias spazieren wir mit einer falschen Risikokarte im Kopf durch die Welt. So überschätzen wir systematisch das Risiko, durch einen Flugzeugabsturz, Autounfall oder Mord umzukommen. Und wir unterschätzen das Risiko, durch weniger sensationelle Arten zu sterben wie Diabetes oder Magenkrebs. Bombenattentate sind viel seltener, als wir meinen, Depressionen viel häufiger. Allem, was spektakulär, grell oder laut ist, schreiben wir eine zu hohe Wahrscheinlichkeit zu. Allem, was stumm und unsichtbar ist, eine zu tiefe. Das Spektakuläre, Grelle, Laute ist dem Hirn verfügbarer als das Gegenteil. Unser Hirn denkt dramatisch, nicht quantitativ.
Ärzte fallen dem Availability Bias besonders häufig zum Opfer. Sie haben ihre Lieblingstherapien, die sie auf alle möglichen Fälle anwenden. Es gäbe vielleicht passendere Behandlungen, aber sie sind ihnen gedanklich nicht präsent. Also praktizieren sie, was sie kennen. Unternehmensberater sind nicht besser. Treffen sie auf eine völlig neue Situation, werden sie nicht die Hände über dem Kopf zusammenschlagen und seufzen: »Ich weiß wirklich nicht, was ich Ihnen raten könnte.« Nein, sie werden einen der ihnen geläufigen Beratungsprozesse in Gang setzen – ob er passt oder nicht.
Wird etwas oft wiederholt, machen wir es unserem Hirn sehr leicht, es wieder abzurufen. Dabei muss es nicht einmal wahr sein. Wie oft hat die Nazi-Führung das Wort »Judenfrage« wiederholt, bis die Massen überzeugt waren, dass ein ernsthaftes Problem vorliegt? Man muss die Wörter UFO, Lebensenergie oder Karma nur oft genug wiederholen – plötzlich glaubt man daran.
In Aufsichtsratssesseln steckt der Wurm des Availability Bias tief drin. Die Herren diskutieren über das, was das Management ihnen vorlegt – meistens Quartalszahlen –, statt über Dinge, die ihnen das Management nicht vorlegt, aber wichtiger wären, zum Beispiel einen geschickten Schachzug der Konkurrenz, das Absacken der Motivation der Belegschaft oder eine unerwartete Veränderung des Kundenverhaltens. Ich beobachte es immer wieder: Menschen verwenden in erster Linie Daten oder Rezepte, die einfach zu beschaffen sind. Auf dieser Basis treffen sie Entscheidungen – mit oft verheerenden Resultaten. Beispieclass="underline" Seit zehn Jahren weiß man, dass die sogenannte Black-Scholes-Formel für die Preisberechnung von derivativen Finanzprodukten nicht funktioniert. Aber man hat keine andere. Also verwendet man lieber eine Formel, die falsch ist, als gar keine. Dasselbe mit der »Volatilität«. Sie als Risikomaßstab eines Finanzprodukts zu nehmen, ist falsch. Aber sie ist einfach zu berechnen. Also verwenden wir sie in fast allen Finanzmodellen. So hat der Availability Bias den Banken Milliardenschäden beschert. Es ist, als wäre man in einer fremden Stadt ohne Stadtplan, doch in der Tasche findet man die Karte einer anderen Stadt, also verwendet man diese. Lieber eine falsche Karte als gar keine.
Wie hat schon Frank Sinatra gesungen: »Oh, my heart is beating wildly/And it’s all because you’re here./When I’m not near the girl I love,/ I love the girl I’m near.« Perfekter Availability Bias. Zur Gegensteuerung: Tun Sie sich mit Menschen zusammen, die anders denken als Sie, Menschen mit ganz anderen Erfahrungen. Denn allein haben Sie keine Chance, den Availability Bias zu besiegen.
Spricht jemand von einem »schmerzvollen Weg«, sollten Ihre Alarmglocken läuten
Vor einigen Jahren war ich auf Korsika im Urlaub und wurde krank. Die Symptome waren mir neu. Die Schmerzen wuchsen mit jedem Tag. Schließlich beschloss ich, mich untersuchen zu lassen. Der junge Arzt begann mich abzuhören und abzutasten, drückte an meinem Bauch herum, dann an den Schultern, an den Knien. Er tastete Wirbel um Wirbel ab. Langsam vermutete ich, dass er keine Ahnung hatte. Doch ich war unsicher und ließ die Tortur über mich ergehen. Als Zeichen, dass die Untersuchung nun zu Ende sei, zückte er den Notizblock und sagte: »Antibiotika. Nehmen Sie dreimal täglich eine Tablette. Bevor es besser wird, wird es schlechter.« Froh, dass ich nun einen Befund hatte, schleppte ich mich ins Hotelzimmer zurück.
Die Schmerzen wurden tatsächlich schlimmer – wie vorausgesagt. Dieser Arzt wusste also, wovon er sprach. Als die Pein nach drei Tagen nicht nachließ, rief ich an. »Erhöhen Sie die Dosis auf fünfmal pro Tag. Es wird noch eine Weile schmerzen«, sagte er. Ich tat wie verlangt. Nach weiteren zwei Tagen rief ich den Flugrettungsdienst an. Der Arzt in der Schweiz konstatierte Blinddarm und operierte mich sofort. »Warum zum Teufel haben Sie so lange gewartet?«, fragte er mich nach der Operation. »Der Krankheitsverlauf entsprach genau der Vorhersage, also vertraute ich dem jungen Arzt.« »Sie sind der Es-wird-schlimmer-bevor-es-besser-kommt-Falle zum Opfer gefallen. Der korsische Arzt hatte keinen blassen Schimmer. Vermutlich ein Aushilfskrankenpfleger, wie sie in der Hochsaison in allen Touristenorten anzutreffen sind.«
Nehmen wir einen andern Fall, einen CEO, der weder ein noch aus wusste. Die Umsätze im Keller. Die Verkäufer unmotiviert. Marketingaktivitäten, die ins Leere liefen. In seiner Verzweiflung heuerte er einen Berater an. Für 5.000 Euro pro Tag analysierte dieser die Firma und kam mit diesem Befund zurück: »Ihre Verkaufsabteilung ist visionslos, und Ihre Marke nicht klar positioniert. Die Situation ist verzwickt. Ich kann das für Sie zurechtrücken. Aber nicht über Nacht. Das Problem ist komplex und die Maßnahmen verlangen Fingerspitzengefühl. Bevor es besser wird, werden die Umsätze nochmals zurückgehen.« Der CEO heuerte den Berater an. Ein Jahr später gingen die Umsätze tatsächlich zurück. Auch im zweiten Jahr. Immer wieder unterstrich der Consultant, dass der Firmenverlauf genau seiner Vorhersage entsprach. Als nach dem dritten Jahr die Umsätze weiter kränkelten, feuerte der CEO den Berater endlich.