Drittens, große Auswahl führt zu Unzufriedenheit. Wie können Sie sicher sein, dass Sie aus 200 Optionen die perfekte Wahl getroffen haben? Antwort: Sie können es nicht. Je mehr Auswahl, desto unsicherer und damit unzufriedener sind Sie nach der Wahl.
Was tun? Überlegen Sie genau, was Sie wollen, bevor Sie die bestehenden Angebote mustern. Schreiben Sie Ihre Kriterien auf und halten Sie sich unbedingt daran. Und gehen Sie davon aus, dass Sie nie die perfekte Wahl treffen werden. Maximieren ist – angesichts der Flut an Möglichkeiten – irrationaler Perfektionismus. Geben Sie sich mit einer »guten Lösung« zufrieden. Ja, auch in puncto Lebenspartner. Nur das Beste ist gut genug? Im Zeitalter unbeschränkter Auswahl gilt eher das Gegenteiclass="underline" »Gut genug« ist das Beste (außer natürlich in Ihrem und meinem Fall).
THE LIKING BIAS
Sie handeln unvernünftig, weil Sie geliebt werden wollen
Kevin hat zwei Kisten erlesenen Margaux gekauft. Er trinkt selten Wein – schon gar nicht Bordeaux. Aber die Verkäuferin war ihm äußerst sympathisch, nicht billig oder aufreizend, sondern einfach sympathisch. Darum kaufte er.
Joe Girard gilt als der erfolgreichste Autoverkäufer der Welt. Das Geheimnis seines Erfolgs: »Nichts funktioniert besser, als den Kunden glauben zu machen, dass man ihn wirklich mag.« Sein Killerinstrument: ein monatliches Kärtchen an sämtliche Kunden und Ex-Kunden. Darauf steht ein einziger Satz: »I like you.«
Der Liking Bias (deutsch etwa: der Ich-mag-Sie-Denkfehler) ist idiotisch einfach zu verstehen, und doch fallen wir immer wieder darauf herein. Er bedeutet: Je sympathischer uns jemand ist, desto geneigter sind wir, von dieser Person zu kaufen oder dieser Person zu helfen. Bleibt die Frage: Was heißt sympathisch? Die Wissenschaft liefert eine Reihe von Faktoren. Eine Person ist uns sympathisch, wenn sie A) äußerlich attraktiv ist, B) uns in Bezug auf Herkunft, Persönlichkeit und Interessen ähnelt, und C), wenn sie uns sympathisch findet. Der Reihe nach. Die Werbung ist voller attraktiver Menschen. Hässliche Menschen wirken unsympathisch. Darum taugen sie nicht als Werbeträger (siehe A). Neben den Superattraktiven setzt die Werbung aber auch auf »Menschen wie du und ich« (siehe B) – ähnliches Aussehen, Dialekt, Background. Kurzum, je ähnlicher, desto besser. Und nicht selten verteilt Werbung Komplimente – »weil Sie es wert sind«. Hier kommt Faktor C zum Tragen: Wer signalisiert, dass er uns sympathisch findet, den finden wir tendenziell auch sympathisch. Komplimente wirken Wunder, selbst wenn sie glattweg gelogen sind.
Das »Spiegeln« (mirroring) gehört zu den Standardtechniken des Verkaufens. Dabei versucht der Verkäufer die Gestik, Sprache, Mimik seines Gegenübers zu kopieren. Redet der Käufer besonders langsam und leise und kratzt sich oft an der Stirn, ist es für den Verkäufer sinnvoll, ebenso langsam und leise zu sprechen und sich ab und zu an der Stirn zu kratzen. Das macht ihn in den Augen des Käufers sympathisch, und damit wird ein Geschäftsabschluss wahrscheinlicher.
Sogenanntes Multilevel-Marketing (Verkaufen über Freunde) funktioniert nur dank des Liking Bias. Obwohl es hervorragende Plastikbehälter im Supermarkt zu einem Viertel des Preises gibt, generiert Tupperware einen Jahresumsatz von zwei Milliarden Dollar. Warum? Die Freundinnen, die die Tupperware-Partys veranstalten, erfüllen die Sympathiebedingungen perfekt.
Auch Hilfsorganisationen nutzen den Linking Bias. Ihre Kampagnen zeigen fast ausschließlich sympathische Kinder oder Frauen. Nie werden Sie einen finster dreinblickenden, verwundeten Guerillakrieger vom Plakat starren sehen – obwohl auch er Ihre Hilfe verdient. Sogar Naturschutzorganisationen setzen auf den Liking Bias. Haben Sie je einen WWF-Prospekt gesehen, in dem mit Spinnen, Würmern, Algen oder Bakterien geworben wurde? Die sind vielleicht genauso vom Aussterben bedroht wie Pandas, Gorillas, Koalas und Robben – und für das Ökosystem noch wichtiger. Aber wir empfinden nichts für sie. Ein Tier erscheint uns umso sympathischer, je menschenähnlicher es in die Welt guckt. Die mitteleuropäische Linsenfliege ist ausgestorben? Tja, schade.
Politiker spielen virtuos auf der Klaviatur des Liking Bias. Je nach Publikum unterstreichen sie andere Gemeinsamkeiten. Mal wird der Wohnbezirk betont, mal die soziale Herkunft, mal das ökonomische Interesse. Und es wird geschmeichelt: Jeder Einzelne soll das Gefühl haben, unverzichtbar zu sein: »Ihre Stimme zählt!« Natürlich zählt jede Stimme, aber halt verdammt wenig.
Ein Freund, Vertreter von Ölpumpen, hat mir erzählt, wie er einen zweistelligen Millionenauftrag für eine Pipeline in Russland abgeschlossen hat. »Bestechung?«, fragte ich. Er schüttelte den Kopf. »Wir plauderten, und plötzlich kamen wir auf das Thema Segeln. Es stellte sich heraus, dass wir beide – der Käufer und ich – besessene 470er-Jollen-Segler sind. Von dem Moment an war ich ihm sympathisch, ein Freund. Damit war der Deal besiegelt. Sympathie funktioniert besser als Bestechung.«
Fazit: Einen Deal sollten Sie immer unabhängig vom Verkäufer beurteilen. Denken Sie sich ihn weg, oder besser: Denken Sie sich ihn als unsympathisch.
DER ENDOWMENT-EFFEKT
Klammern Sie sich nicht an die Dinge
Der BMW glänzte auf dem Parkplatz des Gebrauchtwagenhändlers. Zwar hatte er schon einige Kilometer drauf, doch er schien in tadellosem Zustand zu sein. Nur – mit 50.000 Euro war er mir entschieden zu teuer. Ich verstehe etwas von Gebrauchtwagen; maximal 40.000 war er in meinen Augen wert. Doch der Verkäufer ließ sich nicht erweichen. Als er sich eine Woche später bei mir meldete und sagte, ich könne den Wagen für 40.000 haben, schlug ich zu. Am nächsten Tag machte ich an einer Tankstelle halt. Dort sprach mich der Besitzer der Tankstelle an und offerierte 53.000 Euro cash für meinen Wagen. Ich lehnte dankend ab. Erst auf der Heimfahrt realisierte ich, wie irrational mein Verhalten gewesen war. Etwas, das in meinen Augen maximal 40.000 wert war, hatte nun, nachdem es in meinen Besitz übergegangen war, plötzlich einen Wert von über 53.000 – sonst hätte ich das Ding ja sofort weiterverkaufen müssen. Der Denkfehler dahinter: Endowment-Effekt (Besitztumseffekt). Was wir besitzen, empfinden wir als wertvoller, als was wir nicht besitzen. Anders ausgedrückt: Wenn wir etwas verkaufen, verlangen wir mehr Geld, als wir selbst dafür bereit wären, auszugeben.
Der Psychologe Dan Ariely hat folgendes Experiment durchgeführt. Er verloste Eintrittskarten zu einem wichtigen Basketballspiel an seine Studenten. Anschließend fragte er jene Studenten, die leer ausgegangen waren, wie viel sie für eine Karte zu bezahlen bereit wären. Die meisten gaben einen Preis um die 170 Dollar an. Danach fragte er jene Studenten, die eine Karte gewonnen hatten, für wie viel sie bereit wären, ihre Karte zu verkaufen. Der durchschnittliche Verkaufspreis lag bei 2.400 Dollar. Die einfache Tatsache, dass wir etwas besitzen, verleiht dieser Sache offenbar Wert.
Im Immobiliengeschäft kommt der Endowment-Effekt deutlich zum Tragen. Der Verkäufer schätzt den Wert seines Hauses systematisch höher ein als der Markt. Der Marktpreis erscheint dem Hausbesitzer oft unfair, ja, eine Frechheit – weil er eine emotionale Bindung zu seinem Haus hat. Diesen emotionalen Mehrwert soll ein etwaiger Käufer mitbezahlen – was natürlich absurd ist.