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Weibliche Models machen Werbung für Kosmetika. So kommt manche Konsumentin auf den Gedanken, die Kosmetika würden einen verschönern. Doch es sind nicht die Kosmetika, die diese Frauen zu Models machen. Die Models sind zufälligerweise als schöne Menschen geboren, und nur deshalb kommen sie für die Kosmetikawerbung überhaupt erst infrage. Wie bei den Schimmern ist hier die Schönheit ein Selektionskriterium, nicht ein Ergebnis.

Wann immer wir Selektionskriterium und Ergebnis vertauschen, sitzen wir der Swimmer’s Body (»Körper des Schwimmers«) Illusion auf. Ohne diese Illusion würde die Hälfte der Werbung nicht funktionieren.

Aber es geht nicht nur um sexy Körper. Harvard hat den Ruf, eine Topuniversität zu sein. Viele höchst erfolgreiche Personen haben in Harvard studiert. Heißt das, dass Harvard eine gute Schule ist? Das wissen wir nicht. Vielleicht ist die Schule miserabel, aber sie rekrutiert die gescheitesten Studenten der ganzen Welt. Die Universität St. Gallen habe ich so erlebt. Ihr Ruf ist ausgezeichnet, aber der Unterricht (vor 20 Jahren) war medioker. Aus irgendwelchen Gründen – gute Selektion der Studenten, das Klima in dem engen Tal, das Kantinenessen? – ist trotz allem aus vielen Absolventen etwas geworden.

MBA-Kurse in aller Welt locken mit Einkommensstatistiken. Dem Interessenten wird vorgerechnet, dass ein MBA das Einkommen um durchschnittlich soundso viel Prozent steigert. Die einfache Rechnung soll aufzeigen, dass sich die horrenden Schulgebühren schon in kurzer Zeit bezahlt machen. Viele fallen darauf herein. Ich will den Schulen nicht unterstellen, dass sie die Statistiken getürkt haben. Und doch sind ihre Aussagen wertlos. Menschen, die keinen MBA anstreben, sind ganz anders gestrickt als Menschen, die einen MBA anstreben. Der spätere Einkommensunterschied hat tausend andere Gründe als das MBA-Diplom. Hier also wiederum die Swimmer’s Body Illusion: Auswahlkriterium wird mit Ergebnis verwechselt. Wenn Sie sich überlegen, eine Weiterbildung zu machen, suchen Sie sich bitte andere Gründe als Einkommenssteigerung.

Wenn ich glückliche Menschen frage, worin das Geheimnis ihres Glücks bestehe, höre ich oft Sätze wie: »Man muss das Glas halb voll statt halb leer sehen.« Als könnten diese Menschen nicht akzeptieren, dass sie als glückliche Menschen geboren sind, und nun halt die Neigung haben, in allem das Positive zu sehen. Dass Glückseligkeit zum großen Teil angeboren ist und im Verlauf des Lebens konstant bleibt, wollen die Glücklichen nicht einsehen. Die Swimmer’s Body Illusion gibt es also auch als Selbstillusion. Wenn die Glücklichen dann noch Bücher schreiben, wird die Täuschung perfid.

Darum: Machen Sie von jetzt an einen weiten Bogen um Selbsthilfeliteratur. Sie ist zu 100 % von Menschen geschrieben, die eine natürliche Tendenz zum Glück besitzen. Nun verschleudern sie auf jeder Buchseite Tipps. Dass es Milliarden von Menschen gibt, bei denen diese Tipps nicht funktionieren, bleibt unbekannt – weil Unglückspilze keine Selbsthilfebücher schreiben.

Fazit: Überall, wo etwas Erstrebenswertes – stählerne Muskeln, Schönheit, höheres Einkommen, langes Leben, Aura, Glück – angepriesen wird, schauen Sie genau hin. Bevor Sie ins Schwimmbecken steigen, werfen Sie einen Blick in den Spiegel. Und seien Sie ehrlich mit sich.

DER OVERCONFIDENCE-EFFEKT

Warum Sie systematisch Ihr Wissen und Ihre Fähigkeiten überschätzen

Zarin Katharina II. von Russland war nicht für ihre Keuschheit bekannt. Zahlreiche Liebhaber wühlten sich durch ihr Bett. Wie viele es waren, verrate ich Ihnen im nächsten Kapitel, hier geht es vorerst um etwas anderes: Wie viel Vertrauen sollen wir in unser Wissen haben? Dazu eine kleine Aufgabe: »Definieren Sie die Spanne der Anzahl Liebhaber der Zarin so, dass Sie mit Ihrer Schätzung zu 98 % richtig- und nur zu 2 % falschliegen.« Eine solche Spanne wäre zum Beispiel 20 und 70. Das heißt, Sie schätzen, dass Katharina nicht weniger als 20 und nicht mehr als 70 Liebhaber hatte.

Nassim Taleb, der mir genau diese Aufgabe einmal gestellt hat, hat Hunderte von Leuten auf diese Weise befragt. Mal hat er sie nach der Länge des Mississippi, mal nach dem Kerosinverbrauch eines Airbus, mal nach der Anzahl Einwohner von Burundi gefragt. Dabei durften sie die Spanne frei wählen, und zwar wie gesagt so, dass sie zu höchstens 2 % falschliegen. Das Ergebnis war erstaunlich. Statt 2 % der Befragten lagen 40 % der Befragten mit ihrer geschätzten Spanne falsch. Die beiden Forscher Marc Alpert und Howard Raiffa, die zuerst auf dieses erstaunliche Phänomen gestoßen sind, haben es Overconfidence – also Selbstüberschätzung – genannt.

Dasselbe gilt für Prognosen. Schätzungen des Börsenkurses in einem Jahr oder der erwarteten Umsätze im Dreijahresplan Ihrer Firma unterliegen genau demselben Effekt: Wir überschätzen systematisch unser Wissen und unsere Fähigkeit zu prognostizieren – und zwar massiv. Beim Overconfidence-Effekt geht es nicht darum, ob eine einzelne Schätzung stimmt oder nicht. Der Overconfidence-Effekt misst den Unterschied zwischen dem, was Menschen wirklich wissen, und dem, was sie denken zu wissen. Wirklich überraschend ist das: Experten leiden noch stärker am Selbstüberschätzungseffekt als Nichtexperten. Ein Ökonomieprofessor liegt bei einer Fünfjahresschätzung des Ölpreises genauso falsch wie ein Nichtökonom. Nur tut er es mit einer ungeheuren Selbstüberschätzung.

Der Overconfidence-Effekt spielt auch in Bezug auf andere Fähigkeiten eine Rolle: In Befragungen geben 84 % der französischen Männer an, überdurchschnittlich gute Liebhaber zu sein. Ohne Overconfidence-Effekt müssten es genau 50 % sein – logisch, denn »Durchschnitt« bedeutet ja gerade, dass 50 % darüber und 50 % darunter liegen.

Unternehmer sind wie Heiratswillige: überzeugt, von der Statistik ausgenommen zu sein. Die wirtschaftliche Aktivität läge tiefer, wenn es den Overconfidence-Effekt nicht gäbe. Jeder Restaurantbesitzer träumt davon, die nächste Kronenhalle oder das nächste Borchardt zu etablieren – und die meisten machen schon nach drei Jahren wieder dicht. Die Eigenkapitalrendite im Restaurantgeschäft liegt chronisch unter null. Anders ausgedrückt: Die Restaurantunternehmer subventionieren systematisch ihre Gäste.

Es gibt kaum ein Großprojekt, das schneller und billiger fertiggestellt wird als vorgesehen. Legendär sind die Verzögerungen und Kostenüberschreitungen beim Airbus A400M, beim Opernhaus in Sidney, bei allen drei Gotthardtunneln. Die Liste ist beliebig verlängerbar.

Warum ist das so? Hier spielen zwei Effekte zusammen. Zum einen die klassische Overconfidence. Zum anderen eine »incentivierte« Unterschätzung der Kosten durch Leute, die ein direktes Interesse am Projekt haben. Consultants erhoffen sich Folgeaufträge, Bauunternehmer und Lieferanten ebenso, die Bauherrschaft fühlt sich von den optimistischen Zahlen gestärkt, und Politiker holen sich damit Wählerstimmen. Wir werden diese Incentive-Superresponse-Tendenz in einer anderen Kolumne beleuchten. Wichtig ist der Unterschied: Overconfidence ist nicht incentiviert, sondern auf eine natürliche Art naiv und angeboren.