Выбрать главу

Gepolter, Gebrüll, das Bersten eines Riegels, Splittern von Holz, Schreie – eine einzige Welle von Lärm näherte sich wie eine Flutwelle unaufhaltsam und riss ihn gewaltsam aus dem Rausch des Schaffens. Schon sprang unter ihrer Gewalt die Tür auf, und vier bewaffnete Männer stürmten mit gezogenen Degen herein. Rasch streifte Isabella ihre Kleider über. Zwei der Männer packten sie derb. Sie wehrte sich nicht, sondern ließ es mit Würde und Verachtung für die gedungenen Schurken geschehen. Sollte sie sich denn wie eine Straßendirne balgen? Vasari verstand nicht, was vor sich ging, und fühlte sich wie gelähmt. Als die beiden Männer sie unter anzüglichem Gelächter aus dem Atelierraum schleppten, begegneten Isabellas Augen noch einmal denen Vasaris. Ihr Blick traf ihn wie ein Pfeil. Es ist vorbei, mein Freund, schienen ihre Augen zu sagen. Alles an ihr war ein Geheimnis, wie sie in sein Leben getreten war und wie sie ihm jetzt geraubt wurde. Vasari wollte ihr folgen, sie befreien, doch daran hinderten ihn zwei Degenspitzen, die auf seine Brust gerichtet waren.

»Aus dem Weg!«, schrie er die beiden verbliebenen Eindringlinge an, die ihn unbeeindruckt musterten. Drohend schwenkte er den Bleigriffel, den er immer noch in der Hand hielt, und begriff im selben Moment, wie lächerlich und vergeblich das war.

»Mach deinen Frieden mit Gott!«, riet ihm der eine fast gelangweilt.

»Wagt es nicht! Die Rache des Papstes wird euch treffen! Öffentlich wird man euch auf dem Campo dei Fiori bei lebendigem Leib vierteilen!« Vasaris Stimme überschlug sich.

»Der Papst?«, grunzte der andere höhnisch. »Du machst mir Spaß! Der Papst?« Der Meuchelmörder konnte sich vor Heiterkeit gar nicht mehr fassen, als hätte Vasari den besten Witz gerissen, den er je gehört hatte. Auf einmal fühlte der Architekt die Angst, die in ihm aufloderte und jeden Gedanken verbrannte. Er faltete die Hände wie zum Gebet. »Schont mein Leben! Ich gebe euch, was ihr wollt!«

»Was kannst du uns schon geben?«, winkte der eine ab.

»Es ist Zeit, für neue Menschen Platz zu machen«, sagte der andere.

Der Maler wollte seine Seele schon dem Allerhöchsten empfehlen, als Ascanio, den man offensichtlich niedergeschlagen hatte, mit blutigem Gesicht und einem Rapier in der Hand ins Zimmer taumelte. »Verrat! Flieht, Messèr Giorgio! Flieht!« Dann stürzte sich der alte Kämpfer mit einem verzweifelten Schrei auf einen der beiden Männer und wurde gleich darauf von dessen Rapier aufgespießt. Früher, als er noch jünger und ein ausgezeichneter Fechter gewesen war, hätten ihn die bravi nicht so einfach erstechen können, er hätte sie zum Teufel geschickt, dachte Vasari. Doch ihm blieb keine Zeit, um Ascanio zu betrauern. Von Todesangst getrieben, hastete er ins benachbarte Zimmer. Dort riss er eine Tapetentür auf und lief die Stiege hinunter. Er glaubte, im Nacken den Atem seiner Verfolger zu spüren. Er hatte dergleichen Abenteuer noch nie geschätzt, und inzwischen war er auch eindeutig zu alt dafür. Am Fuße der Treppe gelangte er in ein kleines Vestibül, das er durch eine Flügeltür wieder verließ. Er beschloss, über den Hof zu den Gemächern des Papstes zu laufen, aber ausgerechnet von dort kamen ihm zwei Bewaffnete entgegen, die ganz und gar nicht vertrauenerweckend wirkten. Zwei weitere riegelten den Korridor links und rechts des Hofes ab.

Was hatte das zu bedeuten? Weit und breit konnte er keinen Legionär der Schweizergarde entdecken, die für gewöhnlich hier patrouillierte. Vasari begriff, dass er seinen Mördern vollkommen ausgeliefert war. Er brauchte erst gar nicht darüber nachzudenken, wie er den Vatikanpalast lebend erreichen könnte. Die gedungenen Schurken würden ihn im Belvedere, in dem auch Turniere und Jagdspiele zur Belustigung des päpstlichen Hofes stattfanden, einfach niederstechen.

Die Mörder traten gemächlich aus der Tür der Villa. Sie hatten es jetzt nicht mehr eilig. Wozu auch? Ihre Kumpane schnitten Vasari vom Hof und von den Korridoren aus den Fluchtweg ab. Sie konnten sich Zeit lassen. Ihr Opfer saß in der Falle.

Wie Daunen sanken die Schneeflocken zur Erde und bedeckten den Boden mit einem weißen Flaum. Die Kälte drang durch Vasaris nur für das Atelier bestimmten Umhang aus gelb gefärbtem Leinen. Doch der Frost biss ihn nicht, er wiegte sich nur wohlig in den Knochen und stimmte Vasari schläfrig. Alles hätte so friedlich sein können. Vasari empfand es als zutiefst deprimierend, dass sein Leben auf eine solch klägliche Weise enden sollte. Er fühlte Mitleid mit sich und spürte, wie die Kraft, sich gegen das Unvermeidliche aufzulehnen, dahinschwand. Wenn es schon ans Sterben ging, dann wollte er es rasch und ohne Qualen hinter sich bringen. Ein heftiger Schmerz durchfuhr ihn bei dem Gedanken, dass er das wichtigste Bild seines Lebens nicht mehr malen konnte. Wie ungerecht die Welt doch war!

Ein letztes Mal wollte er den Schnee in den Händen halten. Er bückte sich. Guter, trockener Pulverschnee, nicht dieses nasse, harsche Zeug, das für gewöhnlich diesseits der Alpen lag, wenn es überhaupt einmal schneite. Beide Hände grub er zärtlich in die Wehe und erwartete den tödlichen Stoß, der von oben kommen, den Atlas durchschlagen und ins Herz dringen würde. Noch blieb er aus. Vasari erhob sich langsam und nahm Abschied vom Schnee. Er warf ihn in die Luft und beobachtete mit einem resignierten Lächeln, wie sich die Flocken tänzelnd in die Nacht begaben. Würde seine Seele auch so leicht sein, schwerelos vielleicht wie die Schneekristalle? Gleich würde er es wissen.

Der hohle Klang von Pferdehufen auf Marmor riss ihn aus seinen Gedanken. Rechts von ihm am Anfang der ausgedehnten päpstlichen Gartenanlage tauchte im Dunst plötzlich ein Schimmel auf, als sei er aus Schnee gemacht, die Beine, der Leib, der Kopf, die aufgestellten Ohren, der Dampf des Atems, nur die dunkle Mähne und den Schwanz steuerte die Nacht bei. Was er sah, kam ihm zunächst so unwirklich vor wie ein Gaukelspiel seiner verängstigten Sinne. Wie um zu bekräftigen, dass es tatsächlich vor ihm stand, wieherte das Tier. Vasari riss sich aus seiner Erstarrung, hastete zu dem Pferd, schwang sich keuchend in den Sattel und galoppierte entlang der Innenmauer davon. Von der Anstrengung lief er rot an und musste husten. Nur mühsam konnte er sich während des Anfalls, der ihn durchschüttelte, im Sattel halten. Die Meuchelmörder stürmten ihm nach, doch er hängte sie dank des Pferdes sogleich ab. »Teufel auch!« und »Merda!«, hörte er sie noch fluchen.

Links von ihm erstreckten sich die geometrisch im französischen Stil gestalteten Gartenanlagen mit Bäumen, Sträuchern und Rasenflächen. Dort lag auch der Palazzo Pius’ V. mit der Fontäne und den Fischbecken. Schweiß bedeckte seine Stirn, und dank der kalten Luft kam er bald wieder leichter zu Atem. Die Gardisten, die an der entlegenen Porta di Belvedere Wache hielten, erkannten Vasari und öffneten ihm bereitwillig das Tor. Sie mochten sich wundern über seinen für einen Ausritt unpassenden Aufzug und darüber, dass er den Ausgang in die römische Landschaft und nicht den zur Stadt hin gewählt hatte. Anderseits durfte er nicht erwarten, dass sie sich über das Benehmen der großen Herren den Kopf zerbrachen. Einen Moment lang erwog er, sich unter ihren Schutz zu stellen und zum Papst bringen zu lassen. Er verzichtete jedoch darauf, denn er kannte das Ausmaß der Intrige gegen ihn nicht und zog es deshalb vor, nichts zu riskieren. Denn über die Macht seines unbekannten Feindes, der es vermocht hatte, ihm sogar im Vatikan eine tödliche Falle zu stellen, gab er sich keinen Illusionen hin. Sein heimlicher Widersacher konnte nur in den höchsten Ämtern der Kurie zu finden sein. Für einen Augenblick stieg in ihm sogar der Verdacht auf, dass der Papst selbst hinter dem Anschlag stecken könnte. Doch dann schüttelte er den schrecklichen Gedanken ab – es würde sein sicheres Ende bedeuten, wenn der Heilige Vater seinen Tod beschlossen hätte. Außerdem gab es keinen Anlass dafür. Vasari war Gregor XIII. in allem zu Willen und von höchstem Nutzen. Niemals hatte er über ihn gespottet oder ihn betrogen.