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»Na, mein Dickerchen, willst du es wagen?«, fragte Imperia gespannt. Ihre Augen glänzten, ihr leicht spöttisches Lächeln provozierte ihn. »Oder traust du dich nicht?«

»Metze!«, fluchte er. In diesem Moment liebte und hasste er sie wie niemanden sonst auf der Welt.

»Ich kann mit der Idee auch zu unserem kleinen Bildhauerengelchen gehen«, sagte Imperia schnippisch und zog die Augenbrauen nach oben.

Bramante erblasste. »Dann erschlag ich dich!«, entfuhr es ihm.

»Ach was! Sterben werden wir ohnehin zu früh, was willst du dir erst die Mühe machen?«

Bramante hörte ihr schon nicht mehr zu, denn seine Gedanken kreisten bereits wieder um das Projekt. Entweder stammte die Idee von Gott oder vom Teufel.

Er sah Sankt Peter vor sich, diese Rumpelkammer des Glaubens, baufällig, dunkel, vollkommen wirr durch den Wildwuchs der zahlreichen An- und Umbauten, hoffnungslos überfüllt mit Reliquien, heiligen Toten und allerlei sakralem Plunder, der der Weihe bedurfte, um angebetet und aufbewahrt zu werden – vom reinen Kunstwert her hatte der Kitsch das nicht verdient. Bramante war sich bewusst, dass er durch diesen Plan mit Hiram konkurrieren würde. Es bot sich ihm sogar die Möglichkeit, diesen zu übertreffen. Mehr war nicht zu wollen auf der Welt! Der Gedanke breitete sich auf höchst angenehme, selig machende Weise in seinem ganzen Körper aus. Dieses Werk würde ihn zum größten Architekten der Welt erheben, nein, nicht nur zum größten, sondern zum Urbild aller Baumeister, zum Inbegriff der Zunft!

Er wusste, wenn er diese Gelegenheit ergriff, würde er sich Kämpfen stellen müssen, die erst mit seinem Tod endeten. Früher ließe ihn das Werk nicht aus der Pflicht. Es konnte ihm auch die letzten Jahre vergällen oder verkürzen und Schmach und Schande statt Ruhm bringen. Das eine war, in die Ewigkeit einzugehen – mit welchem Ansehen stand freilich auf einem anderen Blatt. Das Urteil der Kommenden hatte man nicht in der Hand.

Verflucht, er wollte es wagen, und wenn es ihm dabei an den Kragen ging. Der Preis wog den Einsatz mehr als auf. Bramante konnte nicht mehr anders. Zu sehr zerrte die Aufgabe an all seinen Gliedern und Gedanken.

Er fasste Imperia an den Schultern und starrte ihr mit wilder Bewunderung in die Augen. »Du kannst einen Mann groß machen, Imperia!«

Sie stöhnte leise auf und machte sich von seinem derben Griff frei. »Ich weiß. Aber wir müssen klug zu Werke gehen, wenn wir ans Ziel kommen wollen. Denn von dem Tag an, an dem du mit dem Vorschlag herauskommst, wirst du nur noch Feinde haben.«

»Die habe ich auch so!«

»Täusche dich nicht, mein Freund. Es wird jedes Maß übertreffen, das du kennst. Der Neid ist die stärkste aller Leidenschaften. Selbst deinen besten Freunden wird er in die Seelen dringen und sie vergiften.«

»Nichts bekommt man umsonst.«

»Wohl wahr, alles hat seinen Preis. Das Wenige fordert nur Geringes, aber das Größte verlangt alles. Stell mich Chigi vor!«, forderte sie wieder. »Wir brauchen ihn unbedingt als Verbündeten! Du kannst dir nicht einmal seine Skepsis leisten, geschweige denn seine Gegnerschaft.«

»Ich habe für ihn gebaut. Er schätzt mich. Ich kann mit ihm darüber reden!«, wandte Bramante ein.

Imperias Mundwinkel verzogen sich spöttisch, während ihre Augen einen mitleidigen Ausdruck annahmen. »Nicht so, wie ich mit ihm sprechen werde. Und sei gewiss, das ist die einzige Weise, die ihn dazu verleiten wird, die Messe mitzusingen.«

Alles in Bramante wehrte sich dagegen. Er liebte Imperia. Wenn er sie schon nicht überzeugen konnte, ihren Beruf aufzugeben, so wollte er sie doch nicht an Agostino Chigi verlieren. Sie streichelte liebevoll sein Gesicht.

»Ach, mein Dickerchen, ich liebe dich ja auch, aber es gibt keinen anderen Weg. Du wirst entscheiden müssen, was dir das Projekt wert ist!«

Mit diesen Worten trat sie aus seiner Werkstatt und stieg wie selbstverständlich die Treppe zu seinem Schlafzimmer hoch. Er schaute ihr nachdenklich hinterher. Imperia hatte recht, Chigi würde sich nicht auf das riskante Unternehmen einlassen, wenn er ihn fragen würde. Man musste den scheuen Bankier anders einfangen, auf eine Weise, wie nur sie es könnte. Bramante staunte wieder einmal über die Klugheit dieser jungen Frau, die in seinem Schlafzimmer auf ihn wartete. Und die er nicht mehr missen wollte. Dennoch sollte er sie, so schien es, auf dem Altar seiner großen Aufgabe opfern. Wie viel war ihm diese also wert? Das Größte forderte alles, hatte Imperia gesagt. War er wirklich bereit, alles dafür zu geben? Auch sie? Seine voraussichtlich letzte Liebe?

Sein Herz drohte vor Kummer zu zerspringen, als er ihr ins Schlafzimmer folgte. Sie liebten sich so stürmisch und wild, als feierten sie Abschied.

Zwei Tage später machte sich Bramante am Nachmittag auf den Weg zu Imperia. Am Morgen hatte ihn Agostino Chigi zu einem Fest am Abend eingeladen, was die Gelegenheit bot, auf die sie gewartet hatten. Bramante hatte noch keine Entscheidung gefällt, sondern erging sich in quälenden Grübeleien. Er sah niedergeschlagen aus und fühlte sich wie ein geprügelter Hund. Mühsam rang er sich zu einem Entschluss durch, um ihn gleich darauf zu verwerfen und ihn wenig später erneut zu fassen. So ging es immer im Kreis herum. Er fürchtete schon um seinen Verstand. Eine solche Unentschlossenheit kannte er nicht an sich, und sie irritierte ihn. Er war nie ein Mann des Zweifels gewesen, sondern stets einer der Tat. Inzwischen hatte er über eine Stunde vergeudet, weil er mehrmals umgekehrt war, um den Weg dann doch wieder fortzusetzen.

Als er endlich vor Imperias Palazzo unweit des Petersdomes stand, überfiel ihn wieder ein Staunen über das prächtige Gebäude. Über der großen zweiflügeligen Pforte erhob sich ein auf vier Säulen ruhender Portikus mit einem Architrav, auf dem Instrumente wie Laute, Flöte und Geige gemalt waren. Der Fries verbreitete Fröhlichkeit. Bramante hob die Hand, um an der Klingelkette zu ziehen, verharrte dann aber mitten in der Bewegung und hielt die Faust unschlüssig in die Luft. Seine Blicke wanderten zur Basilika von Sankt Peter mit ihrem hoch aufragenden Dach. Davor standen wie Wachtürme die beiden Glockentürme von Santa Maria in Turri, die gemeinsam mit der Benediktionsloggia die Eingangsfront des Atriums bildeten.

»In drei Teufels Namen«, murmelte Bramante und zog an der Klingelkette, »es soll sein!«

21

Rom, Anno Domini 1505

Die hellen Klingeltöne kamen ihm wie ein spöttisches Gekicher vor. Ein muskulöser Mann öffnete Bramante die Tür von Imperias Palazzo und begleitete ihn ins Vestibül. Mit dem goldenen Ring im linken Ohr erinnerte er ihn an einen Söldner; sicher war er auch in der Handhabung von Waffen erfahren. Bramante pries innerlich Imperias Wahl, denn dieser Landsknecht dürfte ihr als Lakai und als Leibwächter wertvolle Dienste leisten.

Der Mann stellte sich als Ascanio vor. Bramante wollte sich ebenfalls vorstellen, doch Ascanio winkte höflich ab. »Nicht nötig, Messèr Donato.« Was heißen sollte, dass er ihn kannte. Bramante wusste nicht recht, ob ihm das gefiel.

Vor ihm schwang sich eine große Freitreppe zum piano nobile hinauf. Goldene Kerzenhalter hingen an den Wänden, die mit Tapeten aus kostbarem Damast verkleidet waren. Imperia musste sehr reich sein, dachte Bramante. Dieses Gebäude hätte jedem Kardinal Ehre gemacht.

Helles, unbeschwertes Gelächter, das eines Mädchens und das einer jungen Frau, drang an sein Ohr. Kurz darauf erschienen Imperia und ihre zehnjährige Tochter auf der Treppe. Sie schienen Haschen zu spielen, denn Imperia lief fort, während die Kleine versuchte, sie einzuholen. Am Treppenansatz gelang es ihr endlich. Lachend fielen sie einander in die Arme. Dann hakte sich das Mädchen bei Imperia ein, und Arm in Arm schritten sie, übermütig wie ausgelassene Freundinnen, die Treppe hinab. Imperia sah Bramante fröhlich an. So frei, glücklich und gelöst hatte er sie selbst in ihren schönsten Augenblicken nicht gesehen. Der melancholische Schleier, der sonst über ihren Augen lag, war verschwunden. Wie sehr gönnte er ihr dieses Glück! Und wie sehr hätte er sich gewünscht, daran teilzuhaben. Die begehrteste Kurtisane von Rom wirkte wie eine keusche Jungfrau, wie die ältere Schwester des Mädchens. Man hätte die beiden für höhere Töchter aus gutem Hause halten können.