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– Und das macht?

– Fünfzigtausend Dollars.

– In welcher Weise muß die Prämie bezahlt werden?

– Entweder auf einmal oder monatlich, ganz nach Belieben des Versicherten.

– Was hätte ich also für die ersten zwei Monate zu entrichten?

– Achttausenddreihundertzweiunddreißig Dollars, deren heutige Einlieferung in unsere Casse Sie auf zwei Monate, d.h. vom 30. April bis 30. Juni laufenden Jahres, decken würde.

– Einverstanden, mein Herr, erwiderte Kin-Fo kurz und trocken. Hier sind die beiden ersten Monate meiner Prämie!«

Damit legte er ein dickes Packet Dollarsscheine, die er aus der Tasche zog, auf den Tisch nieder.

»Schön, mein Herr… sehr schön…! antwortete William J. Bidulph. Vor der Ausfertigung der Police wäre nur noch eine einzige Formalität zu erfüllen.

– Und diese wäre?

– Sie werden den Besuch des Gesellschaftsarztes erhalten.

– Wozu das?

– Um festzustellen, daß Sie von Haus aus von gesunder Constitution sind und an keinem organischen Fehler leiden, der Ihr Leben vorzeitig verkürzen könnte, damit wir einige Sicherheit haben, daß Sie recht lange leben.

– Ich begreife nicht… da ich mich auch gegen Zweikampf und Selbstmord versichert habe… bemerkte Kin-Fo.

– Ei, mein lieber Herr, erwiderte William J. Bidulph mit seinem gewöhnlichen Lächeln, trügen Sie den Keim zu einer Krankheit in sich, der Sie uns rauben könnte, so würde uns das ein gutes Stück Geld, nämlich 200.000 Dollars kosten!

– Ich denke, mein Selbstmord dürfte Ihnen ebenso theuer zu stehen kommen.

– Bester Herr, antwortete der Agent verbindlich, indem er Kin-Fo’s Hand ergriff und sanft darauf klopfte, ich hatte schon die Ehre, Ihnen zu sagen, daß sich Viele unserer Clienten gegen Selbstmord versichert, aber noch niemals Hand an sich gelegt haben. Uebrigens steht es uns frei, Sie überwachen zu lassen, natürlich mit größter Vorsicht.

– Ah so! warf Kin-Fo dazwischen.

– Ich füge als eine persönliche Bemerkung hinzu, daß von allen Clienten der »Hundertjährigen« gerade diese es sind, welche ihre Prämie am längsten entrichten. Und unter uns, warum sollte der reiche Herr Kin-Fo sein Leben eigenmächtig abkürzen?

– Ja, warum mag sich dann der reiche Herr Kin-Fo überhaupt versichern?

– O, sehr einfach, erklärte William J. Bidulph, um die Gewißheit zu haben, sehr lange zu leben, wie alle Clienten der »Hundertjährigen«.

Mit dem Hauptagenten der berühmten Gesellschaft war eben kaum zu streiten. Er hielt sich seiner Sache gar zu sicher.

»Zu wessen Vortheil aber, fügte er hinzu, wird die Versicherung auf 200.000 Dollars abgeschlossen? Wer wird der Erbe dieses Contracts sein?

– Als solche sind zwei Personen bestimmt, erwiderte Kin-Fo.

– Welche gleichen Antheil haben sollen?

– Nein, einen ungleichen, der Eine fünfzigtausend Dollars, der Andere hunderfünfzigtausend Dollars.

– Wir setzen also mit fünfzigtausend, Herrn…?

– Wang.

– Den Philosophen Wang?

– Denselben.

– Und mit der übrigen Summe?

– Madame Le-U in Peking.

– In Peking,« wiederholte William J. Bidulph, der die Namen der Rechtsnachfolger aufzeichnete. Dann fuhr er fort:

– Wie alt ist Madame Le-U?

– Einundzwanzig Jahre, antwortete Kin-Fo.

– O, eine noch junge Dame, bemerkte der Agent, welche doch ziemlich bejahrt sein wird, wenn sie in die Lage kommt, das versicherte Capital zu erheben.

– Weshalb, wenn ich bitten darf?

– Ei, weil Sie länger als hundert Jahre leben werden, bester Herr. Und der Philosoph Wang?

– Fünfundfünfzig Jahre.

– Nun, dieser gute Mann braucht sich allerdings keine Hoffnung zu machen, jemals einen Cent zu erheben!

– Das wird sich finden, mein Herr!

– Wenn ich, geehrter Herr, antwortete William J. Bidulph, mit fünfundfünfzig Jahren der Erbe eines dreißigjährigen Mannes wäre, der nicht vor seinem hundertsten Jahre sterben wird, so wäre ich nicht so beschränkt, mir überhaupt die geringste Hoffnung zu machen.

– Ergebener Diener, mein Herr, erwiderte Kin-Fo, dem diese Unterhaltung allmälich lästig wurde, kurz, und wendete sich zur Thüre des Cabinets.

»Kennen Sie Deparcieux?« (S. 53.)

– Ganz der Ihrige!« gab der ehrenwerthe William J. Bidulph, indem er sich vor dem neuen Clienten der »Hundertjährigen« verbindlich verneigte, schnell zurück.

Am folgenden Tage machte der Gesellschaftsarzt seinen vorgeschriebenen Besuch bei Kin-Fo. »Ein Körper von Eisen, Muskeln von Stahl, Lungen wie Orgelpfeifen«, so lautete sein Bericht. Es bestand kein Hinderniß für die Gesellschaft, den Vertrag mit einer von Natur so vorzüglich ausgestatteten Persönlichkeit abzuschließen.

Hierauf sollte der Katafalk folgen. (S. 61.)

Die Police wurde also am nämlichen Tage von Kin-Fo einerseits, zu Gunsten der jungen Witwe und des Philosophen Wang, und andererseits von William J. Bidulph als Vertreter der Gesellschaft vorschriftsmäßig unterzeichnet und vollzogen.

Weder Le-U noch Wang sollten, abgesehen von ganz außerordentlichen Umständen, nicht eher erfahren, was Kin-Fo für sie gethan habe, als an dem Tage, wo die »Hundertjährige« in die Lage kam, ihnen das versicherte Capital, die letzte Wohlthat des Millionärs, auszuzahlen.

Siebentes Capitel.

Das sehr traurig wäre, wenn es sich darin nicht um einige, dem Himmlichen Reiche eigenthümliche Sitten und Gebräuche handelte.

Was der ehrenwerthe William J. Bidulph auch sagen und denken mochte, diesesmal war die Casse der »Hundertjährigen« in ihren Beständen ganz ernstlich bedroht. Kin-Fo’s Plan gehörte nicht zu denen, deren Ausführung man, nach reiflicher Ueberlegung, auf unbestimmte Zeit vertagt. Vollständig ruinirt, wie er war, hatte Wang’s Schüler den festen Entschluß gefaßt, einem Leben ein Ende zu machen, das ihm selbst, als er noch Reichthümer besaß, nichts als tödtliche Langweile geboten hatte.

Der ihm von Soun acht Tage nach seinem Eintreffen übergebene Brief kam aus San-Francisco. Er brachte die Mittheilung von der Zahlungseinstellung der Centralbank von Californien. Kin-Fo’s Vermögen bestand nun, wie wir wissen, zum weitaus größten Theile aus Actien dieser so berühmten und bis zur Stunde als unbedingt sicher geltenden Bank. Doch ließ die Thatsache keinen Zweifel aufkommen. So unwahrscheinlich die Sache auch klang, war sie doch leider nur zu wahr. Die Zahlungseinstellung der Californischen Centralbank fand in den nach Shang-Haï gelangenden Zeitungen ihre Bestätigung. Der Concurs war eröffnet worden und Kin-Fo damit ein ruinirter Mann.

Außer den Actien dieser Bank blieb ihm ja nichts, oder doch fast nichts übrig. Der immerhin schwer ausführbare Verkauf seiner Wohnung in Shang-Haï konnte ihm nur unzureichende Geldmittel liefern. Die achttausend Dollars, welche er als Prämie in die Casse der »Hundertjährigen« eingezahlt, nebst wenigen Actien der Dampfer-Compagnie von Tien-Tsin, die, wenn er sie heute auf den Markt brachte, ihn höchstens für die allernächste Zeit über Wasser zu halten vermochten, das war jetzt sein ganzes Eigenthum.

Ein Abendländer, ein Engländer oder Franzose, hätte diesen Schicksalsschlag vielleicht mit Ruhe hingenommen und sich durch ernste Arbeit ein neues Leben zu gründen gesucht. Ein Kind des Himmels dagegen mußte im Rechte zu sein glauben, wenn es anders dachte und handelte. Als Chinese von echtem Schrot und Korn gedachte Kin-Fo sich durch einen freiwilligen Tod aus dieser Lage zu befreien und überlegte sich das mit der größten Gewissensruhe und der typischen Gleichgiltigkeit, welche die gelbe Race auszeichnet.