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– Und der Spitzbube Lao-Shen! setzte Fry hinzu.

– Setzt Sie das in Erstaunen? fragte Kin-Fo im Tone eines Mannes, denn nichts mehr verwundern kann.

– Gewiß! erklärte Craig, denn ich kann nicht begreifen, wie diese Wichte erfahren konnten, daß wir an Bord der Dschonke gehen würden.

– Das ist in der That unerklärlich! bestätigte Fry.

– Was thut es, erwiderte Kin-Fo, daß sie davon wußten, da wir ihnen nun doch entwischt sind?

– Entwischt! warf Craig dagegen ein, nein! So lange die »Sam-Yep« in Sicht bleibt, ist noch keineswegs jede Gefahr vorüber.

– Nun, was sollen wir dagegen thun? fragte Kin-Fo.

– Einige Kräfte sammeln, antwortete Fry, und so weit zu entkommen suchen, daß wir auch bei Tagesanbruch nicht mehr sichtbar sind!«

Fry blies noch mehr Luft in seinen Apparat und erhob sich dadurch mit dem halben Körper über das Wasser. Er zog darauf den angehängten Beutel bis zur Brust empor, öffnete ihn und nahm daraus eine kleine Flasche und ein Gläschen, das er, mit stärkendem Branntwein gefüllt, seinem Clienten darreichte.

Kin-Fo ließ sich nicht erst bitten, sondern leerte das Glas bis zum letzten Tropfen. Craig-Fry thaten desgleichen und auch Soun ward nicht vergessen.

»Es geht…? fragte ihn Craig.

– Besser! antwortete Soun, nachdem er getrunken. Vorzüglich, wenn wir etwas Kräftiges zu beißen hätten.

– Morgen Früh, tröstete ihn Craig, werden wir mit Tagesanbruch frühstücken und auch einige Tassen Thee….

– Kalten? unterbrach ihn Soun mit einer Grimasse.

– Nein, warmen! versicherte Craig.

– Sie werden Feuer anzünden?

– Natürlich.

– Weshalb dann bis morgen warten? fragte Sonn.

– Wollen Sie denn, daß der Feuerschein uns dem Kapitän Yin und seinen Helfershelfern verrathen soll?

– Um Gotteswillen, nein!

– Nun also, Geduld bis morgen!«

Wahrlich, die Leutchen plauderten, als wären sie »zu Haus«. Der leichte Seegang hob und senkte sie nur abwechselnd ein wenig, was einen fast komischen Anblick gewährte. Sie stiegen je nach den Wellen hinauf oder herab, wie die Hammer eines Pianos, wenn dessen Tasten angeschlagen werden.

»Die Brise frischt etwas auf! bemerkte Kin-Fo.

– So lichten wir die Anker!« antworteten Craig-Fry.

Sofort wurden die Stöcke eingesetzt und die kleinen Segel daran befestigt, als Soun plötzlich einen jämmerlichen Schrei ausstieß.

»Wirst Du schweigen, Dummkopf! rief sein Herr ihn an. Willst Du uns denn verrathen?

– Ich glaubte…. ich sah, murmelte Soun.

– Was denn?

– Ein furchtbares Thier, das heranschlich… Wahrscheinlich ein Hai!…

– Eine Täuschung, Soun! beruhigte ihn Craig, nachdem er sich rings umgesehen.

– Aber mir war’s, als fühlte ich…. heulte Soun weiter.

– Schweige nun, Hasenfuß! sagte Kin-Fo, indem er eine Hand auf die Schulter des Dieners legte. Und wenn Du einen Hai schon an Deinem Beine fühlst, verbiete ich Dir, zu schreien, oder…

– Oder, fügte Fry hinzu, einen Messerschnitt in seinen Apparat und wir senken ihn in die Tiefe, wo er schreien mag nach Herzenslust!«

Die Qualen des unglücklichen Soun fanden also noch kein Ende. Die Angst marterte ihn zwar jämmerlich, doch wagte er nicht mehr, einen Laut von sich zu geben. Wenn er sich jetzt auch noch nicht nach der Dschonke, der Seekrankheit und den Passagieren des Schiffsraumes zurücksehnte, so konnte das doch nicht mehr lange dauern.

Wie Kin-Fo gesagt, nahm die Brise ein wenig zu; es war aber nichts als einer jener Localwinde, welche meist mit Aufgang der Sonne wieder aufhören. Nichtsdestoweniger mußte man denselben benützen, um so weit als möglich von der »Sam-Yep« hinwegzukommen. Wenn Lao-Shen’s Leute Kin-Fo nicht mehr in seiner Cabine trafen, würden sie gewiß nach ihm suchen, und war er dann noch in Sicht, so mußte es für ein Boot ein Leichtes sein, ihn wieder einzufangen. Um jeden Preis galt es jetzt, vor dem Morgengrauen möglichst weit zu entfliehen.

Der Wind wehte von Osten. Wohin auch die Dschonke von dem Orkan verschlagen sein mochte, ob nach dem Golfe Leao-Tong, nach dem von Pe-Tche-Li oder gar nach dem Gelben Meere hinaus, jedenfalls näherte man sich der Küste, wenn man nach Westen gelangte. Dort konnte man wohl darauf rechnen, einem Handelsschiffe zu begegnen, das nach der Mündung des Peï-Ho segelte. Dort kreuzten Tag und Nacht Fischerboote in der Nähe der Küste. Die Aussicht, irgendwo Aufnahme zu finden, wuchs damit in verstärktem Maße. Blies jetzt der Wind dagegen aus Westen und war die »Sam-Yep« weiter südlich als das Ufer von Korea verschlagen worden, so winkte Kin-Fo und seinen Leidensgefährten freilich keine Rettung mehr. Vor ihnen dehnte sich dann das endlose Meer aus, und trieben sie auch bis zu den Küsten Japans, so konnten sie damit nur als Leichen ankommen, die in ihrer unversenkbaren Kautschukhülle an’s Land geschwommen wären.

Doch, wie gesagt, aller Wahrscheinlichkeit nach legte sich die Brise wieder mit Aufgang der Sonne, und man mußte sie benützen, um außer Gesichtsweite zu kommen.

Es war jetzt gegen zehn Uhr Abends. Der Mond sollte kurz vor Mitternacht über den Horizont emporsteigen. Man hatte also keinen Augenblick zu verlieren.

»Fort, unter Segel!« mahnten Craig-Fry.

Sofort setzte man sich in Bewegung. Die Sache ging ganz einfach. Auf den starken Sohlen des rechten Fußes jedes Apparates befand sich eine Dille zur Aufnahme des als Mast dienenden Stockes.

Kin-Fo, Soun und die beiden Agenten streckten sich lang auf den Rücken aus; dann zogen sie durch eine Beugung des Knies den Fuß an sich und befestigten den Stock in der Dille, nachdem sie vorher die Hißleine des kleinen Segels durch eine Oese an dessen oberen Ende gesteckt hatten. Sobald sie den Fuß wieder ausstreckten, erhob sich der Stock, der nun einen rechten Winkel mit dem Körper bildete, senkrecht in die Höhe.

»Gehißt!« commandirten Craig-Fry.

Alle zogen mit der rechten Hand die Leine an und brachten damit das kleine dreieckige Segel an seine Stelle.

Die Leine ward hierauf am Metallgürtel des Apparates befestigt, die Schote hielt man in der Hand, und die, die vier Focksegel aufblähende Brise trieb nun die kleine Flottille von Skaphandern unter leichtem Wirbeln des Wassers dahin.

Verdienten diese »Menschenschiffe« nicht mit mehr Recht den Namen von Skaphandern als die unter dem Wasser thätigen Arbeiter, denen man ihn gewöhnlich beilegt?

Zehn Minuten später schon manövrirte Jeder mit vollkommener Sicherheit und Leichtigkeit. Alle »flossen« neben einander hin, ohne sich je zu entfernen. Man hätte eine Gesellschaft ungeheurer Seemöven vor sich zu haben geglaubt, welche mit ausgespannten Flügeln leicht über die Wasserfläche hinglitten.

Der Zustand des Meeres begünstigte übrigens diese Fahrt außerordentlich. Keine Sturzwelle, kein schäumender Wasserberg unterbrach die langsame, ruhige Bewegung an der Oberfläche.

Nur zwei-oder dreimal schluckte der ungeschickte Soun, der auf Craig’s und Fry’s Ermahnungen nicht hörte, einen tüchtigen Mund voll des salzigen bitteren Wassers, das er indeß bald wieder erbrach. Uebrigens machte ihm das den geringsten Kummer, aber die Hals, die gefräßigen Räuber des Meeres, wenn sie nur nicht gewesen wären!

Man belehrte ihn, daß er sich einer geringeren Gefahr aussetze, wenn er in horizontaler Lage verharrte. Der Rachen des Hals ist nämlich so geformt, daß dieser sich stets umwenden muß, um eine Beute zu erschnappen, und das wird ihm nicht leicht, wenn er einen wagrecht schwimmenden Gegenstand zu erlangen sucht. Außerdem will man beobachtet haben, daß diese Thiere, wenn sie sich auch gierig auf unbewegte Körper stürzen, doch vor solchen, die nicht an der Stelle bleiben, einigermaßen zurückschrecken. Sonn mußte sich also entschließen, unausgesetzt zu rudern, und er ruderte aus Leibeskräften, das läßt sich wohl denken.