Mehrmals wurden die Skaphander übrigens von mancherlei Seethieren incommodirt, was Soun stets den heillosesten Schreck einjagte.
Glücklicher Weise waren es nur ganz unschuldige Meerschweine. Diese »Clowns« der offenen See wollten sich offenbar darüber unterrichten, wer diese in ihrem Elemente dahinschwimmenden Wesen seien.
Ein merkwürdiges Schauspiel! Die Meerschweine näherten sich truppenweise; sie flogen pfeilschnell dahin, wobei das Wasser smaragdfarben schillerte; dann sprangen sie fünf bis sechs Fuß hoch heraus; ein Beweis für die Geschwindigkeit und Kraft ihrer Muskeln. O, wenn die Skaphander das Wasser ebenso schnell hätten zertheilen können, sie wären wohl vor dem besten Schiffe an das Land gekommen. Man verspürte fast Lust, sich von einem jener Thiere schleppen zu lassen. Bei den Sprüngen und Taucherkunststückchen derselben erschien es aber doch rathsamer, sich zur Fortbewegung nur auf die Kraft des Windes zu verlassen, eine Methode, die trotz ihrer Langsamkeit jedenfalls den Vorzug größerer Sicherheit gewährte.
Gegen Mittag legte sich die Brise fast gänzlich. Sie endigte mit mehreren »Stößen«, welche die kleinen Segel einen Augenblick schwellten, aber sofort wieder schlaff herabhängen ließen. Die Schote hing locker in der Hand. Weder an den Füßen, noch an den Köpfen der Skaphander kräuselten sich die Wellen.
»Ein unangenehmer…. begann Craig.
– Zwischenfall!« schloß Fry.
Man hielt einen Augenblick an. Die Masten wurden ausgehoben, die Segel eingezogen und Alle beobachteten, in senkrechte Lage zurückgekehrt, den weiten Horizont.
Noch immer zeigte sich das Meer verlassen. Kein Segel kam in Sicht, keine Rauchwolke eines Dampfers zog am Himmel hin. Die brennende Sonne hatte alle Dünste aufgesaugt und schien die Luft verdünnt zu haben. Das Wasser wäre Jedem warm vorgekommen, selbst wenn ihn nicht eine doppelte Kautschukhülle schützte.
So sehr sich Craig-Fry auch das Aussehen gaben, als könne dieses etwas gewagte Unternehmen gar nicht fehlschlagen, so quälte sie doch eine gewisse Unruhe. Die binnen sechzehn Stunden zurückgelegte Entfernung vermochte man zwar nicht abzuschätzen, daß aber gar nichts auf die Nachbarschaft der Küste hindeutete, daß weder ein Handelsschiff, noch eine Fischerbarke in Sicht kam, erschien doch mehr und mehr unerklärlich.
Zum Glück waren Kin-Fo, Craig und Fry nicht die Leute dazu, vorzeitig zu verzweifeln. Noch besaßen sie ja Mundvorräthe für einen Tag und auch die Witterung blieb im Ganzen günstig.
»Die Ruder zur Hand!« mahnte Kin-Fo.
Offenbar handelte es sich um einen Kampf. (S. 185.)
Schnell machten sich die Skaphander, bald auf dem Rücken, bald auf dem Bauche schwimmend, wieder auf den Weg nach Westen.
Freilich ging es nur langsam vorwärts. Das Rudern strengte Jeden wegen Mangels an Uebung nicht wenig an. Man war häufig gezwungen, anzuhalten und Sonn zu erwarten, der immer zurückblieb und wiederholt Jeremiaden anstimmte. Sein Herr rief zwar nach ihm, schalt und drohte, Soun aber, der den Rest seines Zopfes jetzt in der Kautschukkappe in Sicherheit wußte, kümmerte sich darum blutwenig.
»Sie machen mit Wasser Feuer?« (S. 189.)
Nur die, Furcht, hier allein zurückgelassen zu werden, trieb ihn an, nicht allzu weit zurückzubleiben. Gegen zwei Uhr zeigten sich einzelne Vögel, es waren Möven. Gerade diese fliegen aber oft sehr weit in die See hinaus. Aus ihrem Erscheinen war also noch kein Schluß auf die Nähe einer Küste zu ziehen. Doch betrachtete man dieselben immerhin als ein günstiges Vorzeichen.
Eine Stunde später verirrten sich die Skaphander in ein Sargasso-Netz, aus dem sie sich nur mit Mühe wieder befreiten. Sie verwickelten sich darin wie die Fische in den Maschen eines Sacknetzes. Man mußte die Messer zu Hilfe nehmen, um mittelst derselben einen Ausweg zu bahnen. Damit verlor man eine gute halbe Stunde und daneben auch viel Kräfte, welche besser hätten verwendet werden können.
Um vier Uhr hielt die kleine schwimmende Gesellschaft höchst erschöpft auf’s Neue an. Eben erhob sich eine ziemlich frische Brise, aber von Süden her. Das war recht mißlich. Denn damit kamen die Skaphander in die Lage eines Schiffes, das sich nur durch das Steuerruder in seinem Kurs zu erhalten vermochte. Entfaltete man die Segel, so drohte die Gefahr, nach Norden hin verschlagen zu werden und einen Theil des Weges einzubüßen, den man schon nach Westen zurückgelegt hatte. Gleichzeitig wurde auch der Seegang lebhafter, die Wellen plätscherten stark und machten die Situation recht unangenehm.
Die Rast dauerte ziemlich lange. Man wollte nicht nur ausruhen, sondern suchte sich auch durch Nahrung zu stärken. Das Mittagsessen verlief weniger heiter als das Frühstück. In einigen Stunden sollte es schon wieder Nacht werden. Der Wind blies kräftiger. Was war zu thun?
Kin-Fo sprach, gestützt auf seine Pagaie, die Stirn gefaltet und mehr erbittert als beunruhigt über das Mißgeschick, das ihn verfolgte, kaum ein Wort. Sonn jammerte ohne Unterlaß und nieste schon wie Einer, den ein entsetzlicher Schnupfen bedroht.
Craig und Fry fühlten es heraus, daß die anderen Beiden sie stillschweigend um ihre Meinung fragten, doch wußten sie jetzt nichts mehr zu antworten.
Da half ein glücklicher Zufall das lange Schweigen brechen.
Kurz vor fünf Uhr streckten Craig und Fry gleichzeitig die Hand nach Süden hin aus und riefen:
»Ein Segel! Dort ein Segel!« Wirklich erschien, etwa drei Meilen unter dem Winde, ein Fahrzeug, das mit vollen Segeln daherkam. Wenn es den augenblicklich gesteuerten Kurs einhielt, mußte es voraussichtlich nahe an der Stelle vorbeikommen, wo Kin-Fo und seine Begleiter rasteten.
Jetzt hatte man also weiter nichts zu thun, als sich ein Stückchen weiter zu bewegen, um jenem sicher zu begegnen.
Die Skaphander zögerten keinen Augenblick. Die Hoffnung gab ihnen neue Kräfte. Jetzt hatten sie die Rettung sozusagen in den Händen, und es lag an ihnen, sie festzuhalten.
Die Richtung des Windes gestattete leider nicht die Benützung der kleinen Segel, doch mußten für die nur geringe Entfernung die Ruder wohl ausreichen.
Allmählich erschien das Fahrzeug deutlicher und größer. Es war nur eine Fischerbarke, deren Anwesenheit die Gewißheit gab, daß die Küste nicht fern sein könne, da sich die chinesischen Fischer niemals weit in die See hinaus wagen.
»Kräftig! Kräftig!« riefen Craig-Fry, die darauf losruderten, was sie konnten.
Sie hatten kaum nöthig, ihre Gefährten zur Eile anzuspornen. Kin-Fo flog, lang auf dem Wasser ausgestreckt, wie ein Kaperschiff dahin. Soun übertraf sich selbst und arbeitete sich sogar allen Anderen voraus, so sehr fürchtete er, zurückgelassen zu werden.
Man hatte etwa eine halbe Meile weit zu rudern, um den Weg des Fahrzeuges zu kreuzen. Noch war es heller Tag, doch wenn die Skaphander auch der Barke nicht so nahe kommen sollten, um leicht gesehen zu werden, hofften sie doch, sich durch Lärm bemerkbar machen zu können. Wenn die Fischer aber nun beim Anblick der eigenthümlichen Seegeschöpfe, welche sie anriefen, die Flucht ergriffen? Das wäre freilich ein Strich durch die Rechnung gewesen.
Immerhin, jetzt galt es, sich zu beeilen. Da strengten sie die Arme an, die Ruder schlugen klatschend in die Wellen ein und die Entfernung verminderte sich sichtlich, als Soun, der immer voraus war, einen schrecklichen Schrei ausstieß.