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»Während Sie geschlafen haben, haben wir uns bereits um die anderen Patienten gekümmert«, mischte sich Leethveeschi in das Gespräch ein. »Jetzt sind Sie an der Reihe. Aber was mich betrifft, so hat Patient Hewlitt nicht ganz unrecht. Ich habe nämlich wirklich weit wichtigere Dinge zu tun, als einer Unterhaltung zweier gesunder Wesen zuzuhören. Brauchen Sie mich hier noch, Doktor?«

»Nein danke, Schwester«, antwortete Medalont und wandte sich dannwieder Hewlitt zu. »Ich vergeude übrigens nicht meine Zeit, wenn ich mich mit Ihnen unterhalte, denn ich hoffe, daß Sie mir heute oder zumindest in den nächsten Tagen etwas sagen werden, das nicht in Ihrer Krankenakte steht, etwas, das mir ermöglicht, dieses medizinische Rätsel zu lösen.«

Die Befragung wurde an der Stelle wiederaufgenommen, wo sie am Vortag geendet hatte, und schien ewig zu dauern. Hewlitt gewann dabei das Gefühl, daß, wenn er die Gesten des knochigen Ektoskeletts richtig hätte deuten könnte, sie höchstwahrscheinlich Enttäuschung ausdrückten. Als die Stimme der Oberschwester aus dem Lautsprecher des Bildschirms neben dem Bett ertönte, waren sie gezwungen, die Unterhaltung zu unterbrechen. Bis dahin hatte er keine Ahnung gehabt, daß das Gerät auch als Kommunikator dienen konnte.

»Doktor, in dreißig Minuten gibt es Mittagessen. Werden Sie bis dahin mit ihrem Patienten fertig sein?« wollte Leethveeschi wissen.

»Ja, zumindest für heute«, bestätigte Medalont und fuhr, an Hewlitt gewandt, fort: »Übrigens versuche ich, etwas mehr für unsere Patienten zu tun, als sie nur mit Fragen zu Tode zu langweilen. Wir werden eine ganze Reihe Tests durchführen müssen, und das heißt, daß ich Ihnen eine für Laboruntersuchungen notwendige Blutprobe abnehmen muß. Sie brauchen keine Angst zu haben, dieser Vorgang ist völlig schmerzfrei. Bitte machen Sie Ihren Oberarm frei.«

»Sie… Sie haben kein Recht, mir irgend etwas zu geben, das eventuell…«, stammelte Hewlitt.

»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ihn der Arzt, und die klickenden Geräusche seiner Stimme klangen dabei im Hintergrund ungeduldiger als sonst. »Falls Sie sich erinnern, habe ich Ihnen schon gestern versichert, daß Sie keinerlei Medikamente erhalten werden, bevor wir nicht herausgefunden haben, wie ihr Gesundheitszustand ist. Dazu benötige ich allerdings eine ziemlich große Blutprobe. Also, ich nehme Ihnen jetzt lediglich Blut ab, injiziere aber keine Medizin, Patient Hewlitt. Sie werden nichts merken, falls Sie jedoch den Anblick nicht ertragen können, dann schließen Sie einfach die Augen.«Den Anblick seines eigenen Blutes zu ertragen war ihm nie schwergefallen, erst recht nicht, wenn es sich um solch kleine Mengen handelte, die der Arzt bereits als große Probe zu bezeichnen schien. Als die Blutabnahme vorbei war, bedankte sich Medalont bei Hewlitt und sagte ihm, daß er sich beeilen müsse, um noch rechtzeitig an einer Besprechung beim Mittagessen teilnehmen zu können.

Wie es vom Arzt vorhergesagt worden war, hatte Hewlitt tatsächlich nichts gespürt. Es blieb nur eine kleine Einstichstelle in der Armbeuge zurück, wo die Blutprobe entnommen worden war. Er legte sich entspannt im Bett zurück, beschloß aber, bis zum Mittagessen wach zubleiben, indem er die anderen Patienten beobachtete und ihnen zuhörte, sofern sie sich innerhalb des Empfangsbereich seines Translators befanden. Verglichen mit der blinden, fast panischen Angst, die er tags zuvor noch empfunden hatte, war er von der wachsenden Neugier überrascht, die er plötzlich gegenüber seinen Mitpatienten verspürte.

Hewlitt hatte keine Ahnung, wieviel Zeit verstrich, weil er es als zu anstrengend empfand, den Unterarm zu heben, um einen Blick auf die Armbanduhr zu werfen. Eigentlich fühlte er sich ziemlich wohl und genoß den Umstand, keine Schmerzen zu haben. Doch plötzlich legte sich ein dichter Nebelschleier über die Station und versperrte ihm die Sicht auf die anderen Betten. Je undurchdringlicher dieser Nebel wurde, desto leiser wurden auch die Geräusche auf der Station, und dann nahm er nur noch das blinkende rote Licht und den schrillen Piepton wahr, die vom Meßgerät auf seiner Brust ausgingen. Kurz darauf sah er, wie sich Oberschwester Leethveeschi über ihn beugte und in den Kommunikator schrie: »Bett Nummer zwanzig, Klassifikation DBDG-Terrestrier! Seit etwa zwei Minuten Herz- und Atemstillstand. Reanimationsteam, Beeilung!«

Etwas wie eine Säule aus öligem Seegras stieß aus Leethveeschis Körper hervor, drückte dabei in die Schutzhülle der Kreatur einen beulenartigen Auswuchs und plumpste auf Hewlitts Brustkasten. Er fühlte den festen, regelmäßigen Druck einer Herzmassage, und als letztes sah er, wie sich die Oberschwester noch dichter über ihn beugte.Nein, um Himmels willen! Bloß keine Mund-zu-Mund-Beatmung! dachte er verzweifelt. Du bist doch eine Chloratmerin, du blöde…!

6. Kapitel

Der Anblick der Prozession, die sich vom Personalraum aus langsam in Gang setzte, brachte alle anderen Aktivitäten und Unterhaltungen auf der Station zum Stillstand. Angeführt wurde der Zug von Chefarzt Medalont, gefolgt von Oberschwester Leethveeschi, der namenlosen hudlarischen Schwester sowie einem kelgianischen und einem nidianischen Assistenzarzt, die gemeinsam einen mit Schwerkraftneutralisatoren ausgestatteten Schwebewagen lenkten, auf dem sich die Reanimationsausrüstung für sämtliche im Hospital vertretenen Spezies befand. Ein Terrestrier, der die grüne Uniform des Monitorkorps trug, bildete das Schlußlicht. Zwangsläufig mußten sie die ganze Station durchqueren, bevor sie sich in einem Halbkreis um Hewlitts Bett versammelten.

Obwohl er sich nur fünf Stunden zuvor noch in Lebensgefahr befunden hatte, war ihm dadurch weder die Angst vor der Anwesenheit von Extraterrestriern genommen worden, noch hatte es etwas an seiner negativen Grundeinstellung ihnen gegenüber geändert.

»Und was, zum Teufel, haben Sie dieses Mal mit mir vor?« wollte er von Medalont wissen.

»Nichts Besonderes«, antwortete der Chefarzt mit einer Stimme, die auf einen anderen Melfaner möglicherweise hätte beruhigend wirken können. »Keine Sorge, ich will Ihnen nur noch einmal etwas Blut abnehmen. Bitte machen Sie dazu den Oberarm frei.«

Der kelgianische Assistenzarzt blickte seinen nidianischen Kollegen an, wobei sich sein silbriges Fell zu Stacheln aufrichtete. Dann zog er den Reanimationswagen näher heran und fügte hinzu: »Wenn Sie uns nichts tun, Patient Hewlitt, dann werden wir Ihnen auch nichts tun.«

Aufgrund der wenigen und sehr kurzen Gespräche mit dem kelgianischen Patienten aus dem Bett gegenüber wußte Hewlitt, daß die Angehörigen dieser Spezies außerstande waren zu lügen. Durch die ständigen sowohl unterschwelligen als auch ausdrucksstarken Bewegungen des silberfarbenenFells drückten die Kelgianer unwillkürlich ihre Gefühle und Gedanken aus, so daß ein Artgenosse stets wußte, was der andere von ihm hielt. Es handelte sich um eine Art visueller Telepathie, und deshalb kannte und verstand diese Spezies nicht einmal die Bedeutung des Wortes Lüge. Dieselben Probleme hatten sie mit Begriffen wie Takt, Höflichkeit und Diplomatie oder mit dem rücksichtsvollen Verhalten gegenüber Patienten.

Erneut spürte Hewlitt, wie der kleine Metallring gegen seine Haut gedrückt wurde.

»Das Instrument, mit dem ich Ihren Arm gerade berühre, hat eine vertieft sitzende, sehr feine und kurze Nadel, deren Einstich Sie nicht spüren werden, und eine zweite Nadel, die länger und etwas dicker ist«, informierte ihn Medalont. »Mit der ersten injiziere ich Ihnen ein lokales Betäubungsmittel, das die unteren Nervenstränge desensibilisiert, und mit der zweiten entnehme ich Ihnen das Blut. Sehen Sie? Das war's schon. Danke sehr, Patient Hewlitt. Wie fühlen Sie sich?«