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»Ich heiße Morredeth«, stellte sich nun ihrerseits die Kelgianerin vor. »Das mit dem Duthaner und den anderen beiden haben Sie ganz richtig erkannt. Wenn wir an Ihrem Bett vorbeigekommen sind, haben Sie nie etwas gesagt. Deshalb sind wir der Meinung gewesen, daß Sie entweder sehr krank oder einfach nur ungesellig sind.«

»Ich habe Sie nicht angesprochen, weil Sie sich immer mit Ihren Begleitern unterhalten haben«, entgegnete Hewlitt. »Außerdem hielt ich es nicht für höflich, Sie zu unterbrechen.«

»Höflich! Schon wieder dieses komische Wort!« empörte sich die Kelgianerin, wobei sich ihr Fell stachelig aufrichtete. »In unserer Sprache gibt es dafür keinen entsprechenden Ausdruck. Wenn Sie mit mir reden wollten, dann hätten Sie das ruhig tun sollen. Hätte ich nämlich keine Lust gehabt, Ihnen zuzuhören, dann hätte ich Sie schon aufgefordert, lieber den Mund zu halten. Warum müssen Nichtkelgianer immer alles so furchtbar kompliziert machen?«

Hewlitt empfand das als eine rhetorische Frage, die man nicht beantworten mußte. »Und was fehlt Ihnen, Morredeth?« erkundigte er sich nach dem Wohlbefinden der Kelgianerin. »Ist es etwas Ernsthaftes?«

Selbst als sich das darauffolgende Schweigen in die Länge zu ziehen begann, machte die Kelgianerin noch immer keine Anstalten, die Frage zu beantworten. Wie sich Hewlitt erinnerte, waren Kelgianer zwar psychisch nicht imstande zu lügen, doch konnte sie nichts und niemand davon abhalten zu schweigen, wenn sie nicht antworten wollten. Gerade als er sich für dieFrage entschuldigen wollte, begann Morredeth zu sprechen.

»Die ursprüngliche Verletzung war eigentlich nicht so schwerwiegend, die Folgeerscheinungen sind allerdings sehr ernst und unheilbar. Leider werde ich nicht daran sterben, trotzdem möchte ich nicht darüber sprechen.«

Hewlitt zögerte, bevor er fragte: »Möchten Sie sich über etwas anderes unterhalten, oder möchten Sie lieber, daß ich gehe?«

Ohne auf die Frage einzugehen, fuhr Morredeth fort: »Lioren meint, ich solle versuchen, darüber zu sprechen und nachzudenken, anstatt das Problem zu verdrängen. Im Moment möchte ich mich aber lieber über die anderen Patienten, das Klinikpersonal und solche Dinge unterhalten, damit ich nicht dauernd daran denken muß. Natürlich kann ich nicht die ganze Zeit über etwas anderes reden und nachdenken, vor allem dann nicht, wenn alle Patienten schlafen oder wenn die Nachtschwester sich nicht mehr mit mir unterhalten kann, weil sie andere Dinge zu erledigen hat. Selbst im Schlaf werde ich noch von meinen Problemen eingeholt. Ich weiß nicht, wie es bei Ihrer Spezies ist, aber Kelgianer haben keine Kontrolle über den Ablauf ihrer Träume.«

»Da geht es uns Terrestriern auch nicht besser«, antwortete Hewlitt, der die ganze Zeit das silberne Stoffrechteck auf dem Körper der Kelgianerin musterte und sich fragte, welch schreckliche Verletzung sich darunter verbergen könnte.

Morredeth entging das natürlich nicht. »Ich habe wirklich keine Lust, darüber reden«, bekräftigte sie mit gekräuseltem Fell.

Seitdem ich mich aufs Bett gesetzt habe, spricht dieses bedauernswerte Wesen fast über nichts anderes als darüber, daß es nicht darüber sprechen will. Ein Psychologe könnte dieser Kelgianerin bestimmt weiterhelfen, dachte Hewlitt und sagte dann laut: »Sie haben eben eine Person namens Lioren erwähnt. Mir wurde gesagt, daß mich demnächst ein Tarlaner mit diesem Namen aufsuchen würde.«

»Hoffentlich nicht zu bald«, meinte Morredeth.

»Warum sagen Sie das?« erkundigte sich Hewlitt mit einem etwasmulmigen Gefühl im Magen. »Ist Lioren eine besonders unangenehme Kreatur?«

»Nein, nein«, beruhigte ihn Morredeth. »Ich finde, daß er eigentlich ein ganz nettes Wesen ist, zumindest für einen Nichtkelgianer. Außerdem bin ich noch nicht lange genug hier, um zu wissen, was er genau macht. Horrantor hat mir allerdings erzählt, Lioren werde normalerweise nur zu den Patienten geschickt, bei denen die Ärzte mit ihrem Latein am Ende seien. Ich nehme an, damit sind wohl die hoffnungslosen Fälle gemeint, oder?«

Hewlitt gefiel dieser Ausdruck überhaupt nicht, und er fragte sich, ob Braithwaites frühere Bezugnahme auf Lioren auch wirklich völlig sachgemäß gewesen war. Nicht jeder oder, besser gesagt, niemand war so direkt wie ein kelgianisches Wesen.

»Und wer ist dieser Horrantor?« wollte Hewlitt wissen. »Ist das einer der Ärzte?«

»Nein, eine Patientin«, stellte Morredeth klar und deutete den Gang hinunter. »Und zwar die da. Sie kommt gerade zu uns herüber, um zu erfahren, worüber wir reden. Das spürt man schon am bebenden Boden.«

»Und was ist mit ihr?« erkundigte sich Hewlitt mit leiser Stimme, falls die tralthanische Patientin ebenfalls Probleme haben sollte, über ihre Krankheit zu sprechen.

»Das ist ja wohl offensichtlich, wenn sie nur noch auf fünf Beinen geht!« fauchte ihn die Kelgianerin an. »Das hochgebundene Bein hat sie sich bei einem Betriebsunfall eingequetscht. Mit Hilfe der Mikrochirurgie ist es wiederhergestellt worden und wird schon bald so gut wie neu sein. Bei dem Unfall sind aber auch die Fortpflanzungsorgane und insbesondere der Gebärmutterhals in Mitleidenschaft gezogen worden, so daß noch weitere Behandlungen notwendig sind, aber fragen Sie Horrantor lieber nicht nach den blutigen Einzelheiten. Ich habe mehr von den chirurgischen Installationsarbeiten an ihrem Fortpflanzungssystem gehört, als mir lieb ist, und außerdem erinnert mich das nur an meine eigenen Probleme. Ach, sehen Sie nur! Bowab steuert gerade in unsere Richtung. Normalerweisespielen wir Karten – Bellas oder Scremman -, um uns die Zeit zu vertreiben. Spielen Sie auch gern Karten?«

»Ja und nein. Ich meine, ich kenne zwar die Regeln einiger terrestrischer Kartenspiele, bin aber kein besonders guter Spieler. Ist Bowab der Duthaner, der hinter Horrantor hergeht? Was hat er denn für eine Krankheit?«

»Sie sind sehr unentschlossen, Hewlitt«, tadelte ihn Morredeth. »Entweder können Sie spielen, oder Sie können es nicht. Bellas ist ein tralthanisches Geschicklichkeitsspiel, ähnlich dem terrestrischen Whist. Scremman kommt ursprünglich von Nidia, und ist, da stimme ich mit Bowab überein, der sich diesbezüglich als Experte betrachtet, ein Spiel für ausgesprochen geschickte Lügner und Betrüger. Ach so, ich weiß übrigens nicht genau, was der Duthaner hat, nur, daß sein Problem ungewöhnlich und eher ein Fall für die innere Medizin als für die Chirurgie ist. Das hier ist die Hauptbeobachtungs-, Übergangs- und manchmal auch Erholungsstation für Patienten, die das Glück haben zu überleben, was übrigens laut Oberschwester Leethveeschi auch wirklich die meisten tun. Manchmal werden hier schon ziemlich verrückte Patienten eingeliefert.«

»Das kann man wohl laut sagen«, pflichtete ihr Hewlitt bei, und während er beobachtete, wie Horrantor und Bowab näher kamen, überlegte er, ob Morredeths letzte Bemerkung einem der arideren Patienten oder ihm galt.

Horrantor blieb am Fußende des Bettes stehen, wobei ihr verletztes Bein nur leicht den Boden berührte. Jeweils eins ihrer vier ausstreckbaren Augen, die rundherum aus dem unbeweglichen, kuppelförmigen Kopf herausragten, war auf Morredeth, Bowab und Hewlitt gerichtet und aus irgendeinem Grund auch auf den weiter entfernt gelegenen Personalraum. Der Duthaner begab sich auf die gegenüber von Hewlitt gelegene Bettseite. Hewlitt selbst überlegte, ob das unregelmäßig braungefleckte Fell auf dem ansonsten dunkelgrünen, zentaurartigen Körper ein Anzeichen für seinen Gesundheitszustand oder ein natürliches Merkmal war. Dasselbe galt für den breiten, weißen Streifen, der von der Mitte der Stirn ausging und sowohl oben als auch unten an der Wirbelsäule entlang breiter wurde, umdann in einen langen buschigen Schwanz überzugehen. Doch erkundigte er sich lieber nicht danach. Der Duthaner knickte die Hinterbeine ein und verlagerte das Gewicht auf die Vorderbeine, während er sich mit den Ellbogen und Unterarmen auf dem Bett abstützte und mit beiden Augen, mit denen er nur in eine Richtung gleichzeitig sehen konnte, Hewlitt anstarrte.