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Nach kurzem Zögern stellte sich Hewlitt vor und beschrieb kurz sein Problem. Ihm fiel nichts anderes ein, worüber er hätte reden können, denn die einzige Gemeinsamkeit, die sie nach seiner Auffassung alle vier besaßen, war eine Reihe verschiedener Krankheitssymptome.

Horrantor gab einen tiefen, stöhnenden Laut von sich, der so etwas wie Mitgefühl bedeuten mochte, und sagte: »Wenigstens wissen wir drei, was uns fehlt. Wenn die Ärzte nicht wissen, was Ihnen fehlt und Sie sich körperlich fit fühlen, dann könnte es sehr lange dauern, bis man die richtige Therapie für Sie gefunden hat.«

»Das ist wohl wahr«, pflichtete ihr Bowab bei. »Zumindest kann es lange genug dauern, daß es einem unendlich langweilig wird. Es sei denn, Sie finden einen angenehmen Zeitvertreib. Spielen Sie eigentlich gern Karten, Hewlitt?«

Bevor Hewlitt antworten konnte, mischte sich Morredeth ein: »Selbst eine Kelgianerin wie ich könnte das Thema behutsamer wechseln. Hewlitt kann zwar Karten spielen, kennt aber weder Bellas noch Scremman. Wir könnten ihm die Regeln erklären, oder vielleicht möchte er uns ja lieber ein terrestrisches Spiel beibringen.«

»Das würde Ihnen anfängliche Vorteile verschaffen, Hewlitt«, warf Horrantor ein, wobei sie ein weiteres Auge auf ihn richtete. »Mit uns dreien als Gegner könnte Ihnen das nicht schaden.«

Offensichtlich hielten sich diese Wesen für sehr gute Kartenspieler, und Hewlitt reizte der Versuch, sie mit den Regeln eines komplizierten Spiels zu verwirren, bei dem man sich wie bei Whist oder noch besser Bridge mit einem Partner zusammenschließen mußte. Andererseits könnte ihre Selbstbeurteilung durchaus richtig sein, so daß eine mögliche anfängliche Verwirrung nicht besonders lange anhalten würde.»Ich hätte mehr Lust, ein neues Spiel zu lernen, als Ihnen eins beizubringen«, schlug er deshalb vor. »Außerdem habe ich nicht daran gedacht, terrestrische Spielkarten von der Erde mitzubringen.«

»Das wäre weiter nicht schlimm. Wenn man irgendwelche Karten haben möchte, kann Leethveeschi sie aus dem Freizeitbereich anfordern«, informierte ihn Bowab. Dann langte er in die Tasche einer kurzen Schürze, die das einzige Kleidungsstück war, das er trug, und holte daraus einen dicken Packen Spielkarten hervor. »So sind wir auch immer an unsere Sachen gekommen. Also, wir werden erst einmal ein paar Übungsspiele machen, bei denen wir mit aufgedeckten Karten spielen, damit Sie wissen, wie es funktioniert. Lassen Sie uns keine Zeit verlieren, Morredeth. Rutschen Sie etwas weiter nach oben, und machen Sie uns Platz zum Spielen.«

Die Kelgianerin wickelte sich zu einem noch engeren S zusammen, so daß das untere Bettende frei war, dann drehte sie den kegelförmigen Kopf und den Oberkörper zur Seite, bis ihre kurzen Arme über der Spielfläche baumelten. Bowab, Horrantor und Hewlitt waren bereits startklar, als die Tralthanerin sagte:

»Da hinten kommt Leethveeschi auf uns zugesteuert. Was kann sie denn um diese Tageszeit von uns wollen. Ist bei einem von Ihnen die Medikamenteneinnahme fällig?«

»Guten Tag, Patient Hewlitt«, begrüßte ihn die Oberschwester und blieb dabei so stehen, daß sie ihn durch die Spalte zwischen Horrantor und Bowab hindurch ansehen konnte. »Ich freue mich, daß Sie mit anderen Patienten Bekanntschaft geschlossen haben und gemeinsam mit ihnen Karten spielen. Lieutenant Braithwaite wird bestimmt auch sehr zufrieden sein, wenn er davon hört.

Trotzdem muß ich Sie auf eine Krankenhausregelung hinweisen, die sich auf diverse Gruppen- oder Freitzeitaktivitäten bezieht«, fuhr sie fort. »Spiele dürfen nur der geistigen Übung oder auch Zerstreuung dienen und nicht der persönlichen Bereicherung. Auf keinen Fall darf um Geld, um Föderationswährung oder Schuldscheine irgendwelcher Art gespieltwerden. Sie befinden sich hier inmitten einer Horde zivilisierter Raubtiere, Patient Hewlitt, und der Gedanke, der mir dazu automatisch einfällt, wird wohl am besten durch die terrestrische Redensart ›ein Schaf unter Wölfen sein‹ beschrieben. Bitte versuchen Sie also nicht, sich beim Spielen zu sehr aufzuregen, weil Ihr Sensorenmeßgerät sonst womöglich einen klinischen Notfall meldet. Ach so, diese Dinger hier könnten Sie vielleicht zum Spielen gebrauchen…«

Eine grüne, formlose Hand wühlte in einer Tasche, die an der Außenfläche von Leethveeschis Schutzhülle angebracht war, und zog eine kleine Plastikschachtel heraus, die sie direkt neben Hewlitt aufs Bett warf.

»… sie werden von Ihrer Spezies unter anderem dazu benutzt, um zwischen den Zahnlücken haftende Essensreste zu entfernen. Bestimmt finden Sie eine andere Verwendung dafür. Viel Glück.«

Nachdem die Oberschwester gegangen war, fand Bowab als erster seine Stimme wieder.

»Eine ganze Schachtel mit Zahnstochern!« rief er. »Wir drei mußten uns eine halbe Schachtel teilen. Hewlitt, Sie sind ein Millionär!«

11. Kapitel

Scremman war gar nicht so kompliziert, wie Hewlitt zunächst befürchtet hatte, obwohl es sich um ein Spiel mit fünfundsiebzig Karten und fünf Farben handelte; jeweils fünfzehn Karten pro Farbe mit individuellen Symbolen – blaue Halbmonde, rote Speere, gelbe Schutzschilde, schwarze Schlangen und grüne Bäume. Die höchsten Karten waren die ›Herrscherin‹ oder der ›Herrscher‹, der jeweilige ›Ehepartner‹ sowie der ›Erbe‹, gefolgt von den Karten zwölf bis eins. Im Gegensatz zu den terrestrischen Spielen, wo das As seines Wissens immer die höchste Karte war, war die Eins - die ›Arme‹, wie sie genannt wurde – die niedrigste. Wenn man allerdings gleichzeitig eine Zwölf derselben Farbe hatte, konnte man damit die drei hohen ›Herrscherkarten‹ übertrumpfen.

Wie ihm die anderen erklärten, habe das Spiel durchaus historische und sozialpolitische Wurzeln. So stelle der Zusammenschluß der niedrigsten und der höchsten Nichtherrscherkarte einen Volksaufstand, eine Palastrevolution und in der heutigen Zeit eine erfolgreiche kollektive Machtübernahme dar. Drei, vier oder fünf Karten mit derselben Zahl und verschiedenen Farben hatten besondere Werte, und wenn man außerdem eine Zehn in der Hand hatte, übertraf man damit zwei Herrscherkarten eines Mitspielers. Es gab noch etliche andere Kombinationen aus Zahlen und Symbolen, mit denen man den Wert von Karten oder Kartenkombinationen eines Gegners übertrumpfen oder vermindern konnte, doch Hewlitt glaubte nicht, allzu lange zu brauchen, um auch diese zu lernen.

Während der ersten drei Runden konnte sich jeder Spieler eine Extrakarte geben lassen, mußte aber jedesmal dafür eine andere ablegen, und danach mußte er die Karten vom Geber, dem sogenannten Spielverwalter, durch Erhöhen des Einsatzes kaufen. Spieler, die keine Extrakarten kauften, hatten entweder ein schlechtes Blatt und wollten kein Geld zum Fernster hinauswerfen, oder sie hatten ein sehr gutes und wollten sich nicht beirren lassen.Außerdem wurde die ganze Geschichte dadurch erschwert, daß jeder Spieler zwei kleine Stapel von jeweils bis zu drei verdeckt abgelegten Karten hatte. Nur der Spieler selbst wußte, welcher Haufen zum ständigen Ablegen diente und welcher, falls erforderlich, bei Beendigung des Spiels wieder in die Hand genommen werden würde. Durch das genaue Beobachten der Körpersprache eines Gegenspielers war es durchaus möglich, den echten Stapel zum Ablegen ausfindig zu machen, wobei man allerdings stets bedenken mußte, daß diesbezüglich auch gern geblufft wurde.