Bowab sah erst Horrantor und dann wieder Hewlitt an und gab einen knurrenden Laut von sich, der nicht übersetzt wurde. Hewlitt war sich zwar nicht sicher, aber er hatte das Gefühl, als ob der Duthaner ihn vor etwas zu warnen versuchte.»Als ich ein Kind war, kannte ich eine pelzige Kreatur so gut, daß ich erahnen konnte, was sie dachte oder zumindest was sie fühlte«, erzählte Hewlitt. »Manchmal konnte ich sie sogar zum Spielen bringen, obwohl sie eigentlich schlafen wollte, und hin und wieder stimmte sie mich ihrerseits um, damit ich das tat, was sie wollte.
Dieses Wesen war eine Katze. Das ist ein terrestrisches Haustier, das sich auch auf der Erde entwickelt hat. Im Prinzip gehörte diese Katze meinen Eltern, obwohl man bei ihrem Benehmen eigentlich das Gegenteil hätte vermuten müssen. Es war ein sehr hübsches Tier mit schwarzem Fell, ähnlich wie Bowabs, nur die Pfoten, die Brust und ein kleiner Fleck unter dem Kinn waren weiß. Wenn sie wütend oder ängstlich war, richtete sich ihr Fell auf, wodurch sie größer und furchteinflößender aussah. Dabei handelte es sich um eine instinktive Reaktion aus einer Zeit, als Katzen noch wild lebten. Schon bald lernte sie aber auch subtilere Methoden, sich bemerkbar zu machen.
Wenn sie etwas zu fressen haben wollte, rieb sie ihren Kopf an meinen Waden, und wenn sie sich vernachlässigt fühlte, streckte sie die Krallen aus und versuchte, an meinen Beinen hochzuklettern. Sobald sie sich auf dem Rücken von einer Seite auf die andere rollte und mit den Pfoten in die Luft boxte, bedeutete das, daß sie spielen wollte, und wenn sie sich mit geschlossenen Augen auf meinem Schoß zusammenrollte, die Beine unter dem Körper anzog und das Kinn auf den Schwanz legte, wollte sie schlafen. Manchmal schien sie sich nicht ganz sicher zu sein, ob sie auf meinem Schoß schlafen oder lieber spielen wollte.
Alles in allem war sie ein sehr aktives und liebevolles Wesen«, fuhr Hewlitt fort, und für einen Moment konnte er fast sehen, wie die Katze steifbeinig und mit hocherhobenem Schwanz mitten über den Tisch lief und die Karten mit einer Vorderpfote hin und her schob. »Deshalb wehrte sie sich auch nicht, wenn ich sie sehr sanft am Bauch, unter dem Kinn und um die Ohren herum kraulte oder streichelte. Sie mochte das sogar sehr gern, tat aber so, als ob es ihr nicht gefiele, indem sie vorsichtig mit den Pfoten und mit eingezogenen Krallen nach mir schlug. Am liebsten hatte sie es,wenn ich ihren Rücken streichelte, besonders dann, wenn ich an der Stelle zwischen den Augen anfing und mit den Fingerspitzen unter sanftem Druck langsam über die Wirbelsäule bis hin zum Schwanz strich, der sich dann gerade aufrichtete. Sobald ich das tat, schnurrte sie – das ist ein Geräusch, das Katzen machen, wenn sie sich sehr wohl fühlen und… «
»Diese Unterhaltung beginnt sehr erotisch und für mich peinlich zu werden«, unterbrach ihn Morredeth, deren Fell sich zu unregelmäßigen Wellen kräuselte. »Hören Sie sofort auf damit!«
»Ehrlich gesagt, irritiert es mich auch ein wenig«, stimmte ihr Bowab zu, »wenngleich aufrecht angenehme Weise. Warum erzählen Sie so viel über ihr pelziges Haustier? Hatte es vom Charakter oder Benehmen her etwa Ähnlichkeit mit Morredeth oder mir? Ist das Tier ein besonderer Freund von Ihnen gewesen? Was ist mit der Katze passiert, und worauf läuft die Geschichte hinaus?«
»Es tut mir leid, ich wollte wirklich niemandem zu nahe treten«, entschuldigte sich Hewlitt. »Weshalb ich gerade über meine Katze geredet habe, weiß ich selbst nicht so genau, zumal ich schon seit Jahren nicht mehr an sie gedacht habe. Vielleicht deshalb, weil sie mein erster Freund gewesen ist, der kein Mensch war. Sie war sehr lieb und ähnelte niemandem hier am Tisch, erst recht nicht, während Sie mit mir Scremman gespielt haben. Leider war sie etwas zu abenteuerlustig und erlitt einen Unfall. Sie lief zu dicht an ein großes Antischwerkraftfahrzeug heran und wurde von der Außenkante des Repulsionsfelds erfaßt. Zuerst schien es, als wäre sie nicht sonderlich schwer verletzt, weil sie immer noch atmete und nur etwas um den Mund und die Ohren herum blutete. Trotzdem sagten meine Eltern, daß es keine Hoffnung mehr für sie gebe und man sie zum Tierarzt zum Einschläfern bringen solle, um das arme Ding von seinen Qualen zu befreien. Bevor mich meine Eltern aufhalten konnten, nahm ich sie in die Arme, brachte sie in mein Zimmer und verriegelte hinter mir die Tür, damit sie mir niemand mehr wegnehmen konnte. Danach habe ich sie die ganze Nacht über in meinem Bett gepflegt, bis sie … «
»Bis sie starb«, unterbrach ihn Horrantor mit einer Stimme, die viel zusanft und leise zu klingen schien, als daß sie von einer solch wuchtigen Kreatur hätte stammen können. »Das ist wirklich eine furchtbar traurige Geschichte.«
»Nein, überhaupt nicht«, widersprach Hewlitt. »Ich habe sie nämlich so lange gepflegt, bis es ihr allmählich etwas besser ging. Am nächsten Morgen war sie sogar schon fast wieder gesund und stieß mit dem Kopf gegen meine Beine, weil sie gefüttert werden wollte. Meine Eltern wollten es zunächst gar nicht glauben. Mein Vater sagte jedoch, daß eine Katze neun Leben habe – das ist eine alte terrestrische Redensart, die darauf beruht, daß Katzen sehr beweglich sind, ein ausgeprägtes Gleichgewichtsgefühl haben und nur selten stürzen, und diese Fähigkeiten schien sie alle auf einmal angewandt zu haben. Ich nehme an, daß sie irgendwann an Altersschwäche gestorben ist.«
»Eine traurige Geschichte also, wenngleich mit einem glücklichen Ende«, meinte Bowab. »Das sind genau die Erzählungen, die ich am liebsten mag.«
»Wollen wir uns weiter über pelzige Haustiere unterhalten, oder wollen wir Scremman spielen?« fragte Morredeth ungeduldig, deren Fell sich stachelig aufrichtete und merkwürdige, unregelmäßige Wellen schlug, was vielleicht auf Ungeduld oder Verärgerung hindeuten sollte, aber natürlich auch etwas völlig anderes bedeuten konnte.
Die Frage beantwortete sich von selbst, weil Horrantor umgehend mit dem Austeilen der Karten begann um die Kelgianerin zu besänftigen, der es offenbar nicht gefiel, wenn er über Katzen sprach, sagte Hewlitt: »Ich habe nur deshalb von meinem Haustier erzählt und besonders über dessen Fell geredet, weil ich darüber nachgedacht habe, ob die Spielregeln mir gegenüber ungerecht sind, da ich die Gesten und die Gesichtsausdrücke fremder Spezies nicht zu deuten weiß. Horrantor und Bowab zeigen keinerlei Regungen, die ich wahrnehmen könnte, und Morredeth zeigt wiederum viel zu viele, als daß ich sie deuten könnte. Vielleicht lerne ich das ja noch mit der Zeit. Zum Beispiel ist es sehr unfair, daß Sie beide weit mehr Zeit als ich gehabt haben, um Morredeths Fellbewegungen zu beobachten, und Sie…«»Sie werden es ganz bestimmt nicht lernen, meine Gefühle zu deuten, Hewlitt. Ganz egal, wie lange wir hier zusammen sind«, unterbrach ihn Morredeth, während sich ihr Fell kräuselte und aufstellte, als würde ein heftiger Windstoß durch die Station fegen. »Selbst ein anderer Kelgianer hätte damit seine Schwierigkeiten.«
Das Spiel wurde unter mißbilligendem Schweigen fortgesetzt, und Hewlitt wußte, daß er wieder einmal etwas Falsches gesagt haben mußte.
12. Kapitel
Nachdem das Spiel von der hudlarischen Schwester mit dem Hinweis beendet worden war, sie möchten bitte in ihre Betten zurückkehren und die Medizin für die Nacht einnehmen, um endlich zu schlafen, beschäftigte Hewlitt noch lange der Gedanke, was er Falsches gesagt haben könnte, weil er einen solchen Fehler zukünftig vermeiden wollte. Die drei anderen kamen auf dem Weg zum und vom Waschraum an seinem Bett vorbei, wobei Morredeth keinen Ton sagte, doch traute sich Hewlitt auch nicht, sie anzusprechen, weil er fürchtete, dadurch alles nur noch schlimmer zu machen.