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Bevor Hewlitt etwas erwidern konnte, fuhr die Hudlarerin fort: »Morredeths nichtmedizinische Behandlung umfaßt auch, die Dosis für dieRuhigstellung während der Nacht zu verringern, die bisher sehr hoch gewesen ist, damit sie, wenn sie allein ist, mehr Zeit hat, sich mit ihren Gedanken auseinanderzusetzen. Medalont und Lioren hoffen, daß sie auf diese Weise ihre Probleme verarbeiten kann. Wie Ihnen vielleicht schon aufgefallen ist, läßt sie sich tagsüber keine Zeit zum Nachdenken. Ich bin angewiesen worden, von heute abend an höchstens noch ein paar Worte mit ihr zu wechseln, es sei denn, wichtige medizinische Gründe sprechen dagegen. Ihr Terrestrier habt so eine Redensart, laut der man in jemandes eigenem Interesse auch mal unbarmherzig sein müsse, aber nach meinem Dafürhalten sollte ein Arzt niemals unbarmherzig sein, und erst recht nicht dann, wenn das Leiden einer Patientin bereits dadurch gemildert werden kann, indem man sie in ein freundschaftlich geführtes Gespräch verwickelt. Deshalb bin ich mit dieser Behandlungsform auch nicht einverstanden.«

Erneut zuckte die Sprechmembran der Schwester lautlos. Hewlitt legte schnell eine Hand auf das Meßgerät, in der Hoffnung, den Ton des Schallsensors so abzudecken, daß kein weiteres Wort ihrer rebellischen Gefühle bis zu jemandem durchdringen könnte, der sich dieses Gespräch möglicherweise später würde anhören wollen.

»Vorhin haben Sie mich gefragt, wie Sie sich nach Ihrem unsensiblen Verhalten gegenüber Morredeth am besten verhalten sollen«, beendete die Schwester ihre Ausführungen, während Sie sich bereits zum Gehen wandte. »Wenn Sie sehen, daß die Patientin ununterbrochen wach ist, und das wird sie demnächst sein, dann würde es nicht schaden, sich bei ihr zu entschuldigen und sich mit ihr zu unterhalten.«

Hewlitt beobachtete, wie die Schwester trotz ihres ungeheuren Körpergewichts vollkommen lautlos durch die Station ging, und dachte, daß diese riesige, klotzige Kreatur mit einer Haut wie biegsames Metall offenbar ein sehr weiches Herz hatte. Er mußte kein Empath sein, um zu wissen, was die Hudlarerin von ihm erwartete.

Aus psychologischen Gründen, die sie als falsch empfand, war es der Schwester von ihrem Vorgesetzten verboten worden, Morredeth in ausgedehnte Gespräche zu verwickeln. Ohne diese Anweisungentatsächlich zu mißachten, hatte sie nun dafür gesorgt, daß diese Aufgabe von jemand anderem erledigt wurde.

13. Kapitel

Hewlitt lag, auf einen Ellbogen gestützt, im Bett, so daß er über die anderen Patienten hinweg auf Morredeths Bett sehen konnte. Er lauschte den verschiedenen Schlafgeräuschen, die die Extraterrestrier in der vollbelegten Station von sich gaben und überlegte, wie lange er noch damit warten sollte, die Kelgianerin anzusprechen. Morredeths Bett war durch die Sichtblenden abgeschirmt, aber an der Decke konnte man einen schwachen Lichtkegel erkennen, der sich nicht bewegte, so daß er wahrscheinlich von der Nachttischlampe und nicht vom Bildschirm herrührte. Wenn Morredeth sich keins der Unterhaltungsprogramme ansah, las sie vielleicht oder war bereits bei brennendem Licht eingeschlafen; zumal sich eins der merkwürdigen Geräusche, die Hewlitt vernahm, wie ein kelgianisches Schnarchen anhörte. Falls letzteres der Fall war, würde sie diesem dummen Terrestrier, der sie mitten im Schlaf weckte, bestimmt wütende Worte an den Kopf werfen. Vorsichtshalber beschloß er zu warten, bis Morredeth ihren nächtlichen Gang zur Toilette machte, um sie erst dann auf dem Rückweg zum Bett anzusprechen. Heute abend schien allerdings überhaupt niemand zur Toilette gehen zu wollen, und er war äußerst gelangweilt, da er nichts anderes zu sehen bekam, als die Reihen schattenhafter Alienbetten und den Lichtfleck an der Decke über dem Bett der Kelgianerin. Selbst das stumpfsinnigste Unterhaltungsprogramm wäre aufregender als das hier, und deshalb beschloß er, mit seiner Entschuldigung bei Morredeth nicht länger zu warten, um danach wenigstens noch etwas Schlaf zu finden. Er setzte sich aufrecht hin, schwang die Beine über die Bettkante und tastete mit den Füßen in der Dunkelheit umher, bis er die Pantoffeln fand. Sie waren ihm vom Krankenhaus ausgehändigt worden und viel zu groß, so daß das leise Schlurfen, die sie beim Gehen verursachten, jetzt viel lauter zu sein schien als während des regen Betriebes, der tagsüber auf der Station herrschte. Wenn Morredeth wider Erwarten wach sein sollte, würde sie ihn bestimmt kommen hören, und falls sie schlafen sollte und er sie aufwecken würde,hätte er bereits zwei Gründe, für die er sich bei ihr entschuldigen müßte.

Die Kelgianerin lag wie ein dickes, pelziges Fragezeichen auf der unverletzten Seite und war lediglich mit dem großen, rechteckigen Verband bedeckt, unter dem sich die Mullauflagen befanden. Wie Hewlitt vermutete, benötigte sie bei all dem natürlichen Wärmeschutz wahrscheinlich sowieso keine Decke. Ihre Augen waren geschlossen, und ihre Beine wurden von dem dicken, unruhigen Fell fast völlig verdeckt, dessen unregelmäßige Bewegung nicht unbedingt bedeutete, daß sie schlief.

»Sind Sie wach, Morredeth?« flüsterte Hewlitt mit einer solch leisen Stimme, daß er sich selbst kaum verstehen konnte.

»Ja«, antwortete die Kelgianerin, ohne die Augen zu öffnen.

»Möchten Sie sich vielleicht mit mir unterhalten?« erkundigte sich Hewlitt schüchtern. »Ich meine, falls Sie nicht schlafen können?«

»Nein«, entgegnete Morredeth und einen Moment später: »Ja.« »Worüber würden Sie denn gern sprechen?«

»Reden Sie einfach, worüber Sie wollen«, schlug die Kelgianerin vor, wobei sie die Augen öffnete. »Nur nicht über mich.«

Hewlitt befürchtete, daß es ziemlich schwierig für ihn werden könnte, sich mit einem Wesen zu unterhalten, das niemals log und immer genau das sagte, was es dachte. Da zudem außer ihnen beiden niemand anwesend war, der ihn an die allgemein übliche Gepflogenheit höflich gemeinter Lügen hätte erinnern können, würde er sogar gehörig aufpassen müssen, am Ende nicht so ehrlich wie ein Kelgianer zu reden. Zwar hatte er keine Erklärung dafür, aber das Bedürfnis, genau das zu tun, war sehr stark.

Warum denke ich bloß so? fragte sich Hewlitt nicht zum ersten Mal. Das sieht mir überhaupt nicht ähnlich.

Laut sagte er: »Ich bin in erster Linie deshalb zu Ihnen gekommen, weil ich mich bei Ihnen entschuldigen möchte. Ich hätte in Ihrer Gegenwart nicht so ausführlich über mein pelziges Haustier reden sollen. Ich wollte Ihnen wirklich keinen Kummer bereiten, und nachdem ich von den langfristigen Auswirkungen Ihrer Verletzung erfahren habe, wurde mir klar, wiegedankenlos, unsensibel und dumm mein Verhalten gewesen ist. Es tut mir sehr leid, Morredeth.«

Für eine Weile zeigte die Kelgianerin keinerlei Reaktion, lediglich ihr Fell kräuselte sich so aufgeregt und deutlich, daß selbst die Ränder des Wundverbands mitzuckten. Dann sagte sie: »Es war nicht Ihre Absicht, mich zu verletzen, also zeugte Ihr Verhalten nicht von Dummheit, sondern von Unwissenheit. Setzen Sie sich aufs Bett. Und welchen weiteren Grund gibt es für Ihren Besuch?«

Als Hewlitt nicht sofort antwortete, sagte Morredeth: »Warum verschwenden Nichtkelgianer bloß so viel Zeit, um über viele Worte für eine Antwort nachzudenken, wenn es auch wenige tun würden? Ich habe Ihnen eine einfache Frage gestellt.«