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»Können Sie sich im Zusammenhang mit diesem Vorfall noch an etwas anderes erinnern, Freund Hamilton?« erkundigte sich Prilicla. »Dabei spielt es überhaupt keine Rolle, wie abwegig oder unwichtig es Ihnen damals erschienen sein mag.«

»Nein, tut mir leid«, antwortete der Zahnarzt. »Und da ich den Jungen danach nie wieder gesehen habe, gehe ich mal davon aus, daß er seine restlichen Milchzähne auf natürlichem Wege verloren hat.«

Das Ende der Unterhaltung nahm Hewlitt kaum wahr, denn er erinnerte sich noch an etwas anderes; an etwas, das er fast vergessen hätte, bis es ihm durch die Worte des Zahnarztes ins Gedächtnis zurückgerufen wurde. Weder damals noch heute hatte er jemandem davon erzählt, weil ihm ohnehin jeder gesagt hätte, er bilde sich das alles nur ein. Schon als Kind hatte er die Leute gehaßt, die ihm vorwarfen, daß er über eine allzu blühende Phantasie verfüge.

Prilicla flog schwankend näher heran und sagte:

»Ihre emotionale Ausstrahlung setzt sich in unterschiedlichen Graden aus Verwirrung, Vorsicht und zu erwartender Verlegenheit zusammen, Freund Hewlitt. Dies deutet darauf hin, daß Sie etwas vor uns verbergen. Bitte verraten Sie es uns. Wir werden bestimmt nicht lachen, so daß es Ihnen auch nicht peinlich sein muß. Jeder neue Hinweis könnte sich in diesem Fall als wichtig erweisen.«

»Das bezweifle ich zwar«, antwortete Hewlitt, »doch wenn Sie's unbedingt wissen wollen… «

Mit Ausnahme eines lauten, unübersetzbaren Geräuschs von Naydradbeobachteten ihn alle völlig stumm, bis er zu Ende erzählt hatte. Prilicla durchbrach als erster das ungläubige Schweigen.

»Doktor Hamilton hat nichts davon erwähnt«, stellte der Empath fest. »Haben Sie die Zähne jemandem gezeigt oder mit jemandem darüber gesprochen?«

»Wie Sie ja schon wissen, hat Doktor Hamilton sie nicht genauer in Augenschein genommen, bevor er sie mir damals zurückgab«, antwortete Hewlitt. »Jedenfalls sahen diese fünf, sechs weißgrauen Dinger ganz hübsch aus, auch wenn man sie kaum erkennen konnte, da alle nicht einmal einen Zentimeter lang waren. Auf dem Nachhauseweg habe ich sie die ganze Zeit über in den Händen gehalten, sie aber nicht meiner Mutter gezeigt, weil sie etwas mißgelaunt war, daß wir wegen solch einer Lappalie extra zum Zahnarzt mußten. Als wir schließlich zu Hause ankamen, waren die Zähne weg. Sie müssen mir aus den Händen gefallen oder von der Klimaanlage des Bodenfahrzeugs aufgesaugt worden sein. Ich weiß, daß mir das niemand glaubt.«

Murchison lachte und sagte kopfschüttelnd: »Tut mir leid, Hewlitt. Allmählich fällt es mir wirklich schwer, Ihnen Glauben zu schenken, wenn Sie uns andauernd solch merkwürdige, unbewiesene, zusammenhanglose und völlig unglaubliche Geschichten erzählen. Können Sie uns das verdenken?«

Priliclas spinnenartige Gliedmaßen zitterten erneut, als er sagte: »Ich habe Freund Hewlitt versprochen, ihn nicht in Verlegenheit zu bringen. Außerdem ist er sich absolut sicher, nichts als die Wahrheit zu erzählen.«

»Verdammt noch mal, ich weiß, daß er das glaubt!« reagierte Murchison ungewohnt heftig. »Keine Sorge, ich zweifle weder an Hewlitts Integrität, noch habe ich Haare auf den Zähnen!«

Dieses Mal ergriff Stillman als erfahrener Kulturkontaktspezialist die Initiative und wechselte vorsichtshalber das Thema. »Möchten Sie jetzt vielleicht die Schlucht besichtigen, Doktor Prilicla?«

Hewlitt wartete, bis sie draußen waren, und sagte dann: »Mir war ebensofort klar, daß es sich bei der Katze um Snarfe handelte, und ich wußte auch, daß sie mich im selben Augenblick erkannt hat. Ich kann das Gefühl gar nicht richtig beschreiben… jedenfalls war es sehr merkwürdig.«

»Das Gefühl, das Sie beim Wiedererkennen Ihrer kleinen Freundin hatten, war geradezu umwerfend«, meinte der Empath. »Selten zuvor habe ich eine derart emotionale Reaktion erfahren, und ich hätte mich nicht gewundert, wenn Sie die Tralthaner darum gebeten hätten, Ihnen das Tier zurückzugeben. Wie Sie die Lage gemeistert haben, hat mich sehr gefreut … Ach, Freundin Murchison, offenbar sind Sie ein wenig verwirrt und mit irgend etwas nicht ganz zufrieden. Worum geht's?«

»Na, um diese Katze«, antwortete die Pathologin und warf einen Blick zum Haus zurück. »Meine Eltern mochten Katzen sehr gern. Wir hatten nie weniger als zwei von diesen Tieren im Haus, so daß ich mit dieser Spezies durchaus vertraut bin. Zum Beispiel beträgt die Lebenserwartung einer gesunden Katze etwa zwölf bis vierzehn Erdjahre. Snarfe ist aber doppelt so alt und dürfte längst nicht mehr leben. Doktor Stillman, sind Sie sich wirklich sicher, daß es sich um eine terrestrische Spezies handelt und nicht um eine langlebigere etlanische oder sonstige Rasse, die nur wie eine terrestrische Katze aussieht?«

»Ja, ich bin mir sogar völlig sicher«, bekräftigte der ehemalige Stabsarzt. »Als die Kontaktspezialisten damals auf diesen Planeten kamen und von vornherein feststand, daß sie hier sehr lange bleiben würden, gab sich das Monitorkorps alle Mühe, auch sämtliche persönliche Habe dieser Mitarbeiter hierher zu transportieren, wozu in einem Fall auch eine Katze gehörte. Einige Wochen später warf sie sechs Junge, die allesamt von Mitarbeitern in Pflege genommen wurden. Snarfe war eins dieser Kätzchen.«

»Und aus welchem Grund sollte eine gewöhnliche Erdkatze hier eine doppelte Lebenserwartung haben?« wollte Murchison wissen.

Stillman ging ein paar Schritte weiter, bevor er antwortete: »Das habe ich mich auch schon oft gefragt. Meine Theorie lautet, daß das Tier hier auf Etla im Gegensatz zur Erde keinen katzentypischen Krankheiten ausgesetztwar und ist, und wie wir wissen, haben etlanische Krankheitserreger auf außerplanetarische Spezies keine Auswirkungen. Also ist die Katze hier die ganze Zeit von allen lebensbedrohlichen oder körperlich schädigenden Krankheiten isoliert gewesen und kann eigentlich nur an einem Unfall oder an Altersschwäche sterben… das heißt, sobald sie ihre sämtlichen langen und offensichtlich höchst gesunden neun Leben aufgebraucht hat.«

Murchison lächelte. »Wie wir wissen hatte Snarfe einen sehr schweren Unfall gehabt und ihn überlebt. Nun, in der Theorie klingt das ja ganz hübsch, Doktor, aber gibt es dafür auch irgendwelche Beweise? Was ist denn mit den anderen Katzen aus demselben Wurf?«

»Ich habe schon befürchtet, daß Sie mich das fragen«, entgegnete Stillman. »Was nützen einem die besten Argumente, wenn man von einem Schwertransporter überrollt wird, nicht wahr? Nun, die anderen fünf sind auf natürlichem Wege gestorben. Soweit ich weiß etwa vor zehn Jahren an Altersschwäche.«

»Ach – wirklich?«

19. Kapitel

Prilicla durchbrach das darauffolgende Schweigen, indem er sagte: »Freund Hewlitt, zunächst einmal würden wir gern denselben Weg zurückverfolgen, den Sie damals genommen haben, und zwar von dem Loch im Gartenzaun, durch das Sie entwischt sind, bis zu dem besagten Baum, von dem Sie gefallen sind. Wenn Sie soweit sind, gehen Sie uns bitte voran.«

Hewlitt stapfte auf der anderen Seite des Gartenzauns durch das hohe, dichte Gras, das, wenn man nicht genauer hinsah, wie eine terrestrische Wiese aussah. Überhaupt hatte man das Gefühl, auf der Erde zu sein, zumal die Insekten viel zu klein waren, als daß man Unterschiede hätte erkennen können, und wenn man auf die heiße Sonne und den blauen Himmel mit seinen bizarren Wolken blickte, dann war einem hier als Terrestrier eigentlich gar nichts mehr fremd. Stillman hielt mit ihm Schritt, sagte aber keinen Ton, und die anderen blieben zu weit hinten, als daß Hewlitt ihre Gespräche hätte verstehen können. Er befürchtete, daß sie sich höchstwahrscheinlich gerade über ihn unterhielten und die medizinischen und psychologischen Auswirkungen seiner letzten Geschichte erörterten, die sie bestimmt wieder einmal als eine Ausgeburt seiner übersteigerten Phantasie betrachteten.