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»Nichts«, bestätigte Hewlitt abermals.

Conway nickte, als sie an ihnen vorbeigingen, O'Mara blickte sie mit mürrischer Miene ungeduldig an, und Kurrsedeth fragte: »Warum starren mich der Padre und dieser DBDG-Terrestrier eigentlich so komisch an?«

»Im Moment haben die beiden wohl nichts Besseres zu tun«, bemerkte O'Mara trocken.

Ein Kühlfahrzeug, in dem laut Lioren der Diagnostiker Semlic steckte, bog in den Gang ein. Der Vosaner kam schon aufgrund seines Metabolismus als Wirtskörper nicht in Frage, da seine Spezies, kristalline Methanatmer, bei extrem niedrigen Temperaturen lebte. Im Gegensatz zu der Kälte, die von Semlics Fahrzeug ausging, kochte Hewlitt innerlich vor Wut, seit O'Mara an ihnen vorbeigekommen war.»Wie hat es solch ein ungehobelter, abscheulicher und vor miesem Sarkasmus strotzender Typ überhaupt fertigbringen können, Chefpsychologe dieses Krankenhauses zu werden? Wieso ist noch nie jemandem eingefallen, ihn aus Notwehr mit einem Tritt in den Hintern einfach ins All zu befördern? So, wie ich es jetzt am liebsten tun würde … «

Lioren deutete mit erhobenem Mittelarm den Korridor entlang und sagte nur: »Da hinten kommt Colonel Skempton, ein weiterer DBDG-Terrestrier, wie Sie sehen können. Er ist der Leiter des Wartungsdienstes und somit der ranghöchste Monitorkorpsoffizier im Orbit Hospital. In erster Linie ist er für das Nachschub- und Nachrichtenwesen, aber auch für die Energieversorgung verantwortlich. Ich nehme an, wir sind uns einig, daß er als Wirt der Virenkreatur ebenfalls nicht in Frage kommt, oder?«

»Sie haben völlig recht«, stimmte ihm Hewlitt zu. »Trotzdem ist es mir unverständlich, warum nicht jemand wie Prilicla O'Maras Job erledigt. Er ist einfühlsam und beruhigt einen, zudem ist er immer nett und empfindet aufrichtiges Mitleid für die Patienten. Beim Thema Einfühlungsvermögen und Empathie stellt sich mir außerdem die Frage, warum Priliclas Fähigkeiten bei Diagnostikern nicht funktionieren. Oder habe ich damit wieder nur ein paar Fragen aufgeworfen, die Sie mir sowieso nicht beantworten wollen?«

Da sämtliche Augen von Lioren in beide Richtungen des Korridors gerichtet waren, sah er Hewlitt nicht an, als er erwiderte: »Auf Ihre letzten Fragen gibt es im Grunde nur eine, wenn auch etwas komplexe Antwort, die ich Ihnen, vorbehaltlich einiger Unterbrechungen durch die eintreffenden Diagnostiker, ohne weiteres geben kann, da sie nicht im Zusammenhang mit dem gegenwärtigen Notfall steht.

Erst einmal ist Prilicla viel zu sanftmütig und sensibel, als daß er der Position des Chefpsychologen gewachsen wäre, wohingegen O'Mara durchaus einfühlsam und fürsorglich, jedoch alles andere als sanftmütig ist…«

»Einfühlsam und fürsorglich? Daß ich nicht lache!« unterbrach ihn Hewlitt empört. »Ist etwa mein Translator kaputt?«»Für private Meinungen haben wir nicht genügend Zeit«, wies ihn der Padre zurecht. »Wollen Sie nun etwas über O'Mara erfahren oder lieber nur dummes Zeug über ihn reden?«

»Entschuldigung, ich halte mich von nun an zurück«, murmelte Hewlitt verlegen.

Wie Lioren erklärte, war O'Mara für die reibungslose und rationelle Arbeitsweise der mehr als zehntausend Mitarbeiter des medizinischen Stabs und des Wartungspersonals verantwortlich. Aus administrativen Gründen bekleidete er innerhalb des Monitorkorps nur den Rang eines Majors, wodurch er sich rein theoretisch auf niederster Kommadoebene befand. Aber die harmonische Zusammenarbeit bei so vielen verschiedenen und möglicherweise feindlichen Lebensformen aufrechtzuerhalten war eine große Aufgabe, deren Grenzen, wie auch bei O'Maras tatsächlicher Autorität, schwer zu definieren waren.

Wie Lioren weiterhin ausführte, gab es selbst bei der äußerst großen Toleranz zwischen den verschiedenen Spezies und dem gegenseitigen Respekt unter den Beschäftigten und trotz der eingehenden psychologischen Durchleuchtung, der sich jeder neue Mitarbeiter vor der Zulassung zum Dienst an einem Multispezies-Krankenhaus unterziehen mußte, immer noch Augenblicke, in denen Reibereien zwischen Angehörigen verschiedener Spezies oder innerhalb des Personals möglich waren. Zu potentiell gefährlichen Situationen konnte es durch schlichte Unwissenheit oder durch Mißverständnisse kommen, aber auch, was noch schlimmer war, wenn ein Mitarbeiter eine neurotische Xenophobie gegenüber einem Patienten oder Kollegen entwickelte, die seine geistige Stabilität oder fachliche Leistungsfähigkeit beeinträchtigte.

O'Mara und seine Abteilung hatten die Aufgabe, derartige Probleme rechtzeitig zu entdecken und im Keim zu ersticken oder, wenn alle Stricke rissen, den betreffenden Störenfried aus dem Hospital zu entfernen. Es hatte Zeiten gegeben, in denen sich der Major und seine Mitarbeiter durch dieses ständige Ausschauhalten nach Anzeichen von falscher, schädlicher oder intoleranter Denkweise, dem sie sich mit großer Hingabe widmeten,zu den unbeliebtesten Lebewesen im Hospital entwickelt hatten, insbesondere O'Mara selbst. Doch der Chefpsychologe schien sich in seiner Rolle doppelt wohl zu fühlen, denn er hatte es nie darauf angelegt, von anderen bewundert zu werden, und allem Anschein nach genoß er seine Arbeit.

»O'Mara trägt auch die besondere und persönliche Verantwortung für die geistige Gesundheit der Diagnostiker«, fuhr Lioren fort. »Diese sind oft gleichzeitig im Besitz von mehreren Schulungsbändern. Bei dem Melfaner, der sich uns gerade nähert, handelt es sich übrigens um den Diagnostiker Ergandhir. Als ich mich das letzte Mal mit ihm unterhalten habe, hatte er gleichzeitig drei dieser Bänder im Kopf gespeichert. Nehmen Sie bei ihm irgendwelche Wiedererkennungsmerkmale wahr?«

Hewlitt wartete, bis der Melfaner auf seinen vier Ektoskelettbeinen an ihnen vorbeigeklappert und zu den anderen hineingegangen war, bevor er antwortete: »Nein. Und dieses komische Wesen hat unsere Gegenwart ebenfalls völlig ignoriert, obwohl ich dem, was Sie mir eben erzählt haben, entnehmen konnte, daß Sie sich beide einigermaßen kennen.«

»Wir kennen uns sogar sehr gut«, bestätigte Lioren. »Aus seinem Verhalten läßt sich nur schließen, daß Ergandhirs Verstand zur Zeit von einem anderen Wesen dominiert wird, das mich nicht kennt, und daran wird sich auch nichts ändern, da der Uhrheber dieses Schulungsbandes nicht mehr lebt.«

»Ich stelle Ihnen ungern noch eine Frage, aber würden Sie mir das bitte genauer erklären?« hakte Hewlitt nach.

»Im Grunde gehört es zu derselben Frage wie zuvor, und ich werde versuchen, sie zu beantworten«, sagte der Padre.

Wie Lioren ausführte, waren diese Physiologiebänder für ihren Benutzer sicherlich ein zweifelhaftes Vergnügen, aber ihre Anwendung war unverzichtbar, da sich niemand einbilden konnte, das gesamte physiologische und pathologische Wissen im Kopf zu behalten, das für die Behandlung derart vieler Patienten verschiedener Spezies benötigt wurde. Die fast unvorstellbare Datenmenge, die für eine angemessene Behandlungerforderlich war, wurde mittels dieser Schulungsbänder weitergegeben, bei denen es sich um nichts anderes als um die Aufzeichnung der Gehirnströme von medizinischen Kapazitäten der jeweils betreffenden Spezies handelte. Wenn beispielsweise ein terrestrischer Arzt einen kelgianischen Patienten medizinisch zu versorgen hatte, speicherte er bis zum Abschluß der Behandlung eins der DBLF-Schulungsbänder im Gehirn und ließ es anschließend wieder löschen. Chefärzte, zu deren Aufgabe auch die Weiterbildung des medizinischen Personals gehörte, mußten häufig zwei, drei dieser Bänder über einen längeren Zeitraum im Kopf behalten, was alles andere als ein Vergnügen für sie war. Sie konnten sich allenfalls damit trösten, daß es Diagnostikern noch schlechter erging als ihnen.