Выбрать главу

»Nein, leider nicht«, antwortete Hewlitt. »Aber ich werde versuchen, das herauszufinden.«

Das stimmt zumindest, dachte er, wobei er sich an die von der Rhabwar empfangene Warnung erinnerte und an die Notfallübung, die auf seiner ehemaligen Station stattgefunden hatte. Ob es ihm überhaupt erlaubt war, etwas von seinen Erkenntnissen preiszugeben, stand auf einem ganz anderen Blatt, denn allmählich befürchtete er, daß es weder einfach noch angenehm sein würde, die ganze Angelegenheit zu erklären. Doch stellte sich schon bald heraus, daß die drei Chalder im Grunde nur über ihre alles geliebte Heimat sprechen wollten.

Zuerst hatte er damit gerechnet, daß der Versuch, ihm die Wasserwelt von Chalderescol zu beschreiben, dasselbe wäre, als würde man einem Farbenblinden einen Sonnenuntergang beschreiben, doch hatte er sich diesbezüglich geirrt. Innerhalb weniger Minuten erfuhr er etwas über die Freiheit eines Meeres, das, abgesehen von zwei kleinen Gegenden an den Polen, die gesamte Planetenoberfläche bedeckte und über hundertfünfzig Kilometer tief war. Nachdem sich die Chalder auf die oberste Sprosse der evolutionären Unterwasserleiter ihres Heimatplaneten Chalderescol II hochgekämpft und etabliert hatten, war es ihnen gelungen, die Energie der Unterwasservulkane in den Griff zu bekommen und zu nutzen und gleichzeitig mit den natürlichen Ressourcen des vielleicht schönsten Planeten der Föderation hauszuhalten; wenngleich die meisten außerplanetarischenWesen spezielle druckbeständige Unterwasserfahrzeuge und Sehhilfen benötigten, um diese Welt vor Ort bewundern zu können. Schon lange vor der Entdeckung des Feuers waren die Chalder eine hoch zivilisierte Spezies und konnten schon nach den ersten technischen Errungenschaften durch die fast vakuumdichte Atmosphäre über ihren Ozean fliegen und schon bald darauf Weltraumflüge unternehmen. Doch egal wie weit oder häufig diese Wesen auch reisten und aus welchen Beweggründen sie dies auch immer taten, sie blieben doch stets ein Teil des chalderischen Heimatozeans und mußten regelmäßig auf ihren geliebten Planeten zurückkehren.

Angesichts ihrer gewaltigen Größe und des enormen Aufwands an erforderlichen Lebenserhaltungssystemen sowie der extremen Gefahren und Unannehmlichkeiten, denen sich diese Wesen bei Weltraumreisen aussetzten, fragte sich Hewlitt, warum sie nicht einfach zu Hause auf Chalderescol II blieben.

»Warum wollen wohl sämtliche Spezies, die ansonsten alle sieben Sinne einigermaßen beisammen haben, unbedingt Weltraumreisen unternehmen?« fragte Zwei- Elf zurück und erinnerte Hewlitt daran, daß er laut nachgedacht haben mußte. »Falls Sie sich auch noch mit den anderen Patienten auf unserer Station unterhalten wollen, dann ist das eine viel zu umfassende philosophische Frage, als daß wir sie noch vor der Jagd nach dem Mittagessen klären könnten. Halten Sie sich bitte wieder an meiner Flosse fest…«

Die Begegnung mit den drei Chaldern hatte ihm die Angst vor diesen Unterwassermonstern gänzlich genommen, so daß er sich fortan mit den anderen Patienten auf fast freundschaftlicher Ebene unterhalten konnte, da er deren Gefühle nun etwas besser verstand, ohne sich dabei zum Narren machen zu müssen. Bei dem schwer erkrankten Patienten, mit dem sich Lioren unterhielt, legte er zwar einen kurzen Zwischenstop ein, sagte aber keinen Ton. Die beiden waren bereits in ein Gespräch vertieft, und er hielt es für angebrachter, sie dabei nicht zu stören. Dennoch hatte der kurze Aufenthalt neben dem Behandlungsgestell für ihn ausgereicht, um festzustellen, daß auch dieser Chalder kein Wirt der Virenkreatur gewesenwar, was ebenso für den Rest der Patienten und das gesamte Pflegepersonal auf dieser Station zutraf.

Als er zum Personalraum zurückkehren wollte, entdeckte er, daß die Klappe des Essenspenders neben dem Eingang offenstand, und mehr als hundert flache, eiförmige Gebilde horizontal durchs Wasser trieben, die alle knapp einen Meter Durchmesser hatten. An der Oberfläche waren sie mit unregelmäßigen matten Flecken bedeckt, während die Unterseite blaßgrau gefärbt war. Eine lange, flache Rückenflosse verlief von vorn nach hinten, und im äußeren Rand der Schwanzflosse befanden sich drei kreisförmige Löcher. Als er ein Stück darauf zuschwamm, um eins dieser Objekte genauer zu begutachten und es versehentlich berührte, begann es sich langsam um die eigene Achse zu drehen. Plötzlich tauchte Oberschwester Hredlichli neben ihm auf.

»Was ist das für ein… ?« begann Hewlitt und hielt inne, als eine formlose illensanische Gliedmaße vorschoß, nach dem Objekt griff und es wieder ausrichtete.

»Sie dürfen die Flugbahn nicht verändern«, ermahnte ihn Hredlichli in ihrer gewohnt ungeduldigen Art. »Zu Ihrer Information: Falls Sie es noch nicht wissen sollten, das hier ist ein Behälter mit konzentrierter Nahrung und einer genießbaren Außenhülle, der durch verborgen angebrachte Hochdruckkapseln mit ungiftigem Gas angetrieben wird. Dadurch wird die Bewegung eines im Wasser fliehenden, nicht empfindungsfähigen Schalentiers simuliert, das im chalderischen Ozean heimisch ist. Man hat herausgefunden, daß bewegliche Nahrung den Appetit der Patienten anregt und sich generell positiv auf das körperliche Wohlbefinden auswirkt. Sollte solch ein Krusten tier-dummy gegen eine Wand oder die Decke knallen und aufspringen, dann würde das einen ziemlichen Dreck verursachen, den mein Pflegepersonal aus dem Wasser filtern und entfernen müßte, obgleich wir hier wirklich etwas Wichtigeres zu tun haben. Gehen Sie also bitte wieder in den Personalraum.« Damit wandte sich Hredlichli von Hewlitt ab, blickte in Richtung der Station und verkündete: »Achtung! Ich bitte alle Anwesenden um Ihre Aufmerksamkeit!«Hredlichlis Stimme war sowohl aus den Wandlautsprechern als auch über Hewlitts Kopfhörer zu vernehmen.

»…die Hauptmahlzeit steht unmittelbar bevor«, fuhr die Oberschwester fort. »Fünfzehn Minuten später folgen die mit blauen Kreisen gekennzeichneten Behälter, in denen sich die für die Patienten Eins-Dreiundneunzig, Zwei- Elf und Zwei-Fünfzehn erforderliche Schonkost befindet. Denken Sie bitte freundlicherweise daran, daß diese Kost ausschließlich für die eben genannten Patienten bestimmt ist. Den in Behandlungsgestellen befindlichen Patienten werden die Mahlzeiten vom Pflegepersonal geliefert, sobald die schwimmfähigen Patienten mit dem Essen fertig sind. Alle Klinikmitarbeiter, die sich noch auf der Station befinden, werden aufgefordert, sofort in den Personalraum zurückzukehren. Das gilt übrigens auch für Sie, Padre Lioren.«

Kurz darauf traf Lioren im Personalraum ein, doch schien er keine Lust zu haben, sich zu unterhalten. Wahrscheinlich war er noch mit seinen Gedanken bei dem kranken Patienten. Hewlitt beobachtete, wie die künstlichen Krustentiere aus den Essensfahrzeugen herauskatapultiert wurden und durch die Station trudelten und wie sich ihre Anzahl rasch verringerte, weil riesige Schatten mit zuschnappenden Mäulern auf sie zuschossen. Hredlichli, die in ihrem Schutzanzug wie eine in Plastik eingewickelte Pflanze wirkte und ziemlich grotesk aussah, trieb näher zu ihm heran. Zum ersten Mal seit seinem Eintreffen auf dieser Station, schien selbst die Oberschwester nichts zu tun zu haben.

Hin und wieder gab es seiner Meinung nach Zeiten, wo man durch das Vortäuschen falscher Tatsachen oder das Anbringen von Halbwissen sehr viel mehr erreichen konnte, und deshalb entschloß er sich, eine etwas riskante Frage zu stellen.

»Die AUGL-Spezies ist außerhalb ihres Heimatplaneten bestimmt nicht leicht zu transportieren, nicht wahr, Oberschwester Hredlichli? Wie lange würde eigentlich eine Evakuierung sämtlicher Patienten von dieser Station dauern? Und wie würden Sie ganz persönlich die Erfolgsaussichten einer solchem Maßnahme beurteilen?«In Hredlichlis Schutzanzug zuckten einige der öliggelben, palmwedelähnlichen Blätter, als sie antwortete: »Offensichtlich wissen Sie über den Notfall schon längst Bescheid. Das erstaunt mich, weil diese Information ausschließlich den ranghöchsten Offizieren und medizinischen Mitarbeitern vorbehalten ist sowie einer einzigen Oberschwester, nämlich mir, weil diese Station bei einer eventuellen Evakuierung spezielle Probleme mit sich bringt. Oder sind Sie etwa mehr als nur ein neugieriger Besucher, und steckt womöglich ein ganz anderer Grund dahinter, weshalb Sie sich mit sämtlichen Patienten auf der Station unterhalten wollten?«