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»Ich… ich glaube, ich habe Angst vor dem Einschlafen«, räumte Hewlitt ein und wunderte sich, warum es ihm weniger peinlich war, vor einem Alien eine Schwäche zuzugeben als vor einem Terrestrier. »Wenn ich hier schlafen würde, hätte ich bestimmt entsetzliche Alpträume, und beim Aufwachen wäre dann alles nur noch schlimmer. Ich nehme an, Sie wissen, was Alpträume sind, oder?«

»Und ob«, erklärte die Schwester. Dann hob sie einen Vordertentakel hoch und winkte damit über die Sichtblenden hinweg in Richtung der Station. »Würden sich Ihre Alpträume denn um uns hier drehen?«

Hewlitt antwortete nicht, denn indirekt hatte er diese Frage längst beantwortet und schämte sich mittlerweile dafür.

»Wenn Sie in der Nacht Alpträume von uns haben«, fuhr die Schwester fort, »um dann beim Aufwachen festzustellen, daß diese Alpträume wahr und diese Wesen tatsächlich um sie herum versammelt sind, und zwarentweder als Patienten, die mit Ihnen gemeinsam leiden, oder als medizinisches Personal, das Sie zu heilen versucht, dann ist es doch völlig zwecklos, wenn Sie versuchen wach zu bleiben, oder? Ich meine, allein durch das Wissen, daß wir sowieso hier sind, wenn Sie aufwachen, könnte Ihr Alptraum weniger heftig ausfallen, so daß sich Ihre Gedanken vielleicht um einen angenehmeren Traum drehen werden. Ist das nicht ein vernünftiger Vorschlag, Patient Hewlitt? Wollen Sie es nicht wenigstens mal versuchen?«

Erneut antwortete Hewlitt nicht; dieses Mal versuchte er, die hudlarische Logik zu begreifen.

»Außerdem ist diese melfanische Quizsendung schädlich für die geistige Gesundheit, egal, welcher Spezies der Zuschauer angehört. Möchten Sie sich statt dessen vielleicht lieber mit mir unterhalten?«

»Ja, sicher… ich meine, nein«, stammelte Hewlitt. »Schließlich gibt es hier Patienten, die kranker sind und Ihrer Aufmerksamkeit mehr bedürfen als ich. Mir fehlt ja nichts, zumindest im Moment nicht.«

»Zur Zeit sind alle anderen Patienten ruhig und zufrieden, ihr Zustand ist stabil, und sie werden im Schlaf überwacht«, versicherte ihm die Hudlarerin. »Sie hingegen sind wach, und für eine junge und geistig rege Lernschwester kann der Nachtdienst mitunter ziemlich langweilig sein. Gibt es denn irgendwas, das Sie mir gern erzählen oder mich fragen möchten?«

Neugierig musterte Hewlitt das riesige Monster mit den sechs Tentakeln, der Sprechmembran, die wie eine fleischige Flagge hin- und herflatterte, und der ledernen Haut, die sämtliche Gliedmaßen und den ganzen Körper wie eine nahtlose Rüstung bedeckte, dann sagte er: »Ihre Farbe beginnt wieder abzublättern.«

»Danke für die Warnung, aber es besteht keine Gefahr. Bis zum Schichtwechsel morgen früh reicht das noch«, klärte ihn die Hudlarerin auf.

»Ehrlich gesagt, verstehe ich kaum ein Wort von dem, was Sie sagen«, räumte Hewlitt ein. »Zumindest nicht gut genug, um Fragen stellen zu können.«»Sie haben doch vor ein paar Stunden etwas über die Verwendung von Kosmetika erwähnt, ist das vielleicht der Grund?« fragte die Schwester. »Wissen Sie, warum Hudlarer ein Nahrungspräparat verwenden?«

Im Grunde interessierten ihn die Angewohnheiten von Extraterrestriern einen feuchten Kehricht. Aber diese Hudlarerin hier wollte sich offenbar unbedingt mit ihm unterhalten, und sei es nur, um sich die Langeweile zu vertreiben. Andererseits könnte sie ihn auf andere Gedanken bringen, wenn er ihr zuhörte. In dem Fall würde er praktisch einem ihm bekannten Monster zuhören, um seine Furcht vor den anderen unbekannten Monstern zu vergessen. Und vielleicht könnte es ihr ja sogar gelingen, ihm ein wenig die Angst zu nehmen.

»Nein, von diesem Nahrungspräparat habe ich noch nie etwas gehört«, gab er deshalb ohne große Umschweife zu. »Warum müssen Sie das nehmen, Schwester?«

Als erstes erfuhr er, daß die Hudlarer keinen Mund besaßen und statt dessen etwas hatten, das sie als Absorptionsorgane bezeichneten. Danach führte eine Frage zur anderen.

Die Hudlarer hatten sich auf einem Planeten mit großer Schwerkraft, hohem Druck und einer überaus dichten Atmosphäre zu einer intelligenten Lebensform entwickelt.

Die unteren Atmosphäreschichten ähnelten einer trüben, dickflüssigen Suppe aus kleinen, lebenden tierischen und pflanzlichen Organismen, die durch Absorptionsorgane aufgenommen wurden, von denen der ganze Rücken überzogen war. Da die Hudlarer einen sehr hohen Energieverbrauch hatten, handelte es sich bei dieser Nahrungsaufnahme um einen kontinuierlichen Vorgang.

»Manchmal konzentrieren wir uns zu sehr auf die Arbeit und vergessen unseren nächsten Einsprühtermin«, setzte die Lernschwester ihre Ausführungen fort. »Wenn das passiert, brechen wir aufgrund der sofort eintretenden Unterernährung auf der Stelle zusammen. In dem Fall müssen wir umgehend von einem Mitarbeiter des medizinischen Stabs oderWartungspersonals oder selbst von einem ambulanten Patienten wie Ihnen wiederbelebt werden. Deshalb sind auf den meisten Korridoren und Stationen Sprühbehälter angebracht, wie der dort hinten neben dem Personalraum. Der Sprühmechanismus ist übrigens sehr leicht zu bedienen, obwohl ich hoffe, daß Sie niemals ein solches Gerät bei mir einsetzen müssen.

Wenn ein Hudlarer mitten auf der Station einen Kollaps erleidet, unterbricht das nämlich den ganzen Klinikablauf, und das Nahrungspräparat hinterläßt fürchterliche Spuren auf dem Fußboden oder auf den in der Nähe stehenden Betten. Oberschwester Leethveeschi würde sich darüber bestimmt unheimlich ärgern, und das wollen wir doch auf jeden Fall vermeiden, nicht wahr?«

»Ja, das wollen wir wirklich unter allen Umständen vermeiden«, pflichtete ihr Hewlitt aus tiefstem Herzen bei, wenngleich er sich eine unheimlich verärgerte Chloratmerin beileibe nicht vorstellen konnte. »Also werden diese Mahlzeiten von außen aufgetragen… ? Das… das ist ja furchtbar. Und ich dachte immer, ich hätte Probleme …«

»Ich bin hier nicht der Patient, sondern Sie, Patient Hewlitt«, korrigierte ihn die Schwester. »Außerdem zeigen Ihre Sensoren einen hohen Erschöpfungszustand an, und es ist sowieso viel zu egoistisch von mir, Sie von Ihrer wohlverdienten Bettruhe abzuhalten. Können Sie denn jetzt schlafen?«

Schon der Gedanke daran, in seinem schwach beleuchteten Bett, das wie ein Floß in einem dunklen, von furchtbaren Alienmonstern bevölkerten Meer trieb, allein gelassen zu werden, ließ die Angst, die er durch die Unterhaltung mit dieser monströsen Ausnahme ein wenig verdrängt hatte, wieder in ihm hochkommen. Hewlitt wollte einfach nicht schlafen, und deshalb verneinte er die Frage indirekt, indem er eine weitere stellte.

»Ich weiß zwar nicht, wie der Metabolismus bei Ihnen vonstatten geht, aber kennt Ihre Spezies denn auch so etwas wie Magenschmerzen? Oder werden Sie überhaupt jemals krank?«

»Eigentlich so gut wie nie«, erwiderte die Schwester. »So, und jetztmüssen Sie versuchen zu schlafen, Patient Hewlitt.«

»Wenn Sie so gut wie nie krank werden«, ließ Hewlitt nicht locker, der das Gespräch unter keinen Umständen versiegen lassen wollte, »wozu brauchen Hudlarer dann Ärzte und Schwestern?«

»Während der frühen Kindheit sind wir für eine ganze Reihe verschiedener Krankheiten sehr anfällig, aber während der Pubertät entwickeln wir eine völlige Immunität dagegen. Dieser Abwehrmechanismus schützt uns bis einige Jahre vor unserem Lebensende, dann tritt eine altersbedingte psychische und physische Degeneration ein. Diagnostiker Conway leitet ein Projekt, um hudlarisches Klinikpersonal darin auszubilden, die mit starken Schmerzen verbundenen Nebenwirkungen zu lindern, was nur durch größere operative Eingriffe möglich ist. Allerdings wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis die Arbeit so weit vorangeschritten ist, daß die ältere Bevölkerung davon profitieren kann.«