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»Und wer ist dieser Horrantor?« wollte Hewlitt wissen. »Ist das einer der Ärzte?«

»Nein, eine Patientin«, stellte Morredeth klar und deutete den Gang hinunter. »Und zwar die da. Sie kommt gerade zu uns herüber, um zu erfahren, worüber wir reden. Das spürt man schon am bebenden Boden.«

»Und was ist mit ihr?« erkundigte sich Hewlitt mit leiser Stimme, falls die tralthanische Patientin ebenfalls Probleme haben sollte, über ihre Krankheit zu sprechen.

»Das ist ja wohl offensichtlich, wenn sie nur noch auf fünf Beinen geht!« fauchte ihn die Kelgianerin an. »Das hochgebundene Bein hat sie sich bei einem Betriebsunfall eingequetscht. Mit Hilfe der Mikrochirurgie ist es wiederhergestellt worden und wird schon bald so gut wie neu sein. Bei dem Unfall sind aber auch die Fortpflanzungsorgane und insbesondere der Gebärmutterhals in Mitleidenschaft gezogen worden, so daß noch weitere Behandlungen notwendig sind, aber fragen Sie Horrantor lieber nicht nach den blutigen Einzelheiten. Ich habe mehr von den chirurgischen Installationsarbeiten an ihrem Fortpflanzungssystem gehört, als mir lieb ist, und außerdem erinnert mich das nur an meine eigenen Probleme. Ach, sehen Sie nur! Bowab steuert gerade in unsere Richtung. Normalerweisespielen wir Karten – Bellas oder Scremman -, um uns die Zeit zu vertreiben. Spielen Sie auch gern Karten?«

»Ja und nein. Ich meine, ich kenne zwar die Regeln einiger terrestrischer Kartenspiele, bin aber kein besonders guter Spieler. Ist Bowab der Duthaner, der hinter Horrantor hergeht? Was hat er denn für eine Krankheit?«

»Sie sind sehr unentschlossen, Hewlitt«, tadelte ihn Morredeth. »Entweder können Sie spielen, oder Sie können es nicht. Bellas ist ein tralthanisches Geschicklichkeitsspiel, ähnlich dem terrestrischen Whist. Scremman kommt ursprünglich von Nidia, und ist, da stimme ich mit Bowab überein, der sich diesbezüglich als Experte betrachtet, ein Spiel für ausgesprochen geschickte Lügner und Betrüger. Ach so, ich weiß übrigens nicht genau, was der Duthaner hat, nur, daß sein Problem ungewöhnlich und eher ein Fall für die innere Medizin als für die Chirurgie ist. Das hier ist die Hauptbeobachtungs-, Übergangs- und manchmal auch Erholungsstation für Patienten, die das Glück haben zu überleben, was übrigens laut Oberschwester Leethveeschi auch wirklich die meisten tun. Manchmal werden hier schon ziemlich verrückte Patienten eingeliefert.«

»Das kann man wohl laut sagen«, pflichtete ihr Hewlitt bei, und während er beobachtete, wie Horrantor und Bowab näher kamen, überlegte er, ob Morredeths letzte Bemerkung einem der arideren Patienten oder ihm galt.

Horrantor blieb am Fußende des Bettes stehen, wobei ihr verletztes Bein nur leicht den Boden berührte. Jeweils eins ihrer vier ausstreckbaren Augen, die rundherum aus dem unbeweglichen, kuppelförmigen Kopf herausragten, war auf Morredeth, Bowab und Hewlitt gerichtet und aus irgendeinem Grund auch auf den weiter entfernt gelegenen Personalraum. Der Duthaner begab sich auf die gegenüber von Hewlitt gelegene Bettseite. Hewlitt selbst überlegte, ob das unregelmäßig braungefleckte Fell auf dem ansonsten dunkelgrünen, zentaurartigen Körper ein Anzeichen für seinen Gesundheitszustand oder ein natürliches Merkmal war. Dasselbe galt für den breiten, weißen Streifen, der von der Mitte der Stirn ausging und sowohl oben als auch unten an der Wirbelsäule entlang breiter wurde, umdann in einen langen buschigen Schwanz überzugehen. Doch erkundigte er sich lieber nicht danach. Der Duthaner knickte die Hinterbeine ein und verlagerte das Gewicht auf die Vorderbeine, während er sich mit den Ellbogen und Unterarmen auf dem Bett abstützte und mit beiden Augen, mit denen er nur in eine Richtung gleichzeitig sehen konnte, Hewlitt anstarrte.

Nach kurzem Zögern stellte sich Hewlitt vor und beschrieb kurz sein Problem. Ihm fiel nichts anderes ein, worüber er hätte reden können, denn die einzige Gemeinsamkeit, die sie nach seiner Auffassung alle vier besaßen, war eine Reihe verschiedener Krankheitssymptome.

Horrantor gab einen tiefen, stöhnenden Laut von sich, der so etwas wie Mitgefühl bedeuten mochte, und sagte: »Wenigstens wissen wir drei, was uns fehlt. Wenn die Ärzte nicht wissen, was Ihnen fehlt und Sie sich körperlich fit fühlen, dann könnte es sehr lange dauern, bis man die richtige Therapie für Sie gefunden hat.«

»Das ist wohl wahr«, pflichtete ihr Bowab bei. »Zumindest kann es lange genug dauern, daß es einem unendlich langweilig wird. Es sei denn, Sie finden einen angenehmen Zeitvertreib. Spielen Sie eigentlich gern Karten, Hewlitt?«

Bevor Hewlitt antworten konnte, mischte sich Morredeth ein: »Selbst eine Kelgianerin wie ich könnte das Thema behutsamer wechseln. Hewlitt kann zwar Karten spielen, kennt aber weder Bellas noch Scremman. Wir könnten ihm die Regeln erklären, oder vielleicht möchte er uns ja lieber ein terrestrisches Spiel beibringen.«

»Das würde Ihnen anfängliche Vorteile verschaffen, Hewlitt«, warf Horrantor ein, wobei sie ein weiteres Auge auf ihn richtete. »Mit uns dreien als Gegner könnte Ihnen das nicht schaden.«

Offensichtlich hielten sich diese Wesen für sehr gute Kartenspieler, und Hewlitt reizte der Versuch, sie mit den Regeln eines komplizierten Spiels zu verwirren, bei dem man sich wie bei Whist oder noch besser Bridge mit einem Partner zusammenschließen mußte. Andererseits könnte ihre Selbstbeurteilung durchaus richtig sein, so daß eine mögliche anfängliche Verwirrung nicht besonders lange anhalten würde.»Ich hätte mehr Lust, ein neues Spiel zu lernen, als Ihnen eins beizubringen«, schlug er deshalb vor. »Außerdem habe ich nicht daran gedacht, terrestrische Spielkarten von der Erde mitzubringen.«

»Das wäre weiter nicht schlimm. Wenn man irgendwelche Karten haben möchte, kann Leethveeschi sie aus dem Freizeitbereich anfordern«, informierte ihn Bowab. Dann langte er in die Tasche einer kurzen Schürze, die das einzige Kleidungsstück war, das er trug, und holte daraus einen dicken Packen Spielkarten hervor. »So sind wir auch immer an unsere Sachen gekommen. Also, wir werden erst einmal ein paar Übungsspiele machen, bei denen wir mit aufgedeckten Karten spielen, damit Sie wissen, wie es funktioniert. Lassen Sie uns keine Zeit verlieren, Morredeth. Rutschen Sie etwas weiter nach oben, und machen Sie uns Platz zum Spielen.«

Die Kelgianerin wickelte sich zu einem noch engeren S zusammen, so daß das untere Bettende frei war, dann drehte sie den kegelförmigen Kopf und den Oberkörper zur Seite, bis ihre kurzen Arme über der Spielfläche baumelten. Bowab, Horrantor und Hewlitt waren bereits startklar, als die Tralthanerin sagte:

»Da hinten kommt Leethveeschi auf uns zugesteuert. Was kann sie denn um diese Tageszeit von uns wollen. Ist bei einem von Ihnen die Medikamenteneinnahme fällig?«

»Guten Tag, Patient Hewlitt«, begrüßte ihn die Oberschwester und blieb dabei so stehen, daß sie ihn durch die Spalte zwischen Horrantor und Bowab hindurch ansehen konnte. »Ich freue mich, daß Sie mit anderen Patienten Bekanntschaft geschlossen haben und gemeinsam mit ihnen Karten spielen. Lieutenant Braithwaite wird bestimmt auch sehr zufrieden sein, wenn er davon hört.

Trotzdem muß ich Sie auf eine Krankenhausregelung hinweisen, die sich auf diverse Gruppen- oder Freitzeitaktivitäten bezieht«, fuhr sie fort. »Spiele dürfen nur der geistigen Übung oder auch Zerstreuung dienen und nicht der persönlichen Bereicherung. Auf keinen Fall darf um Geld, um Föderationswährung oder Schuldscheine irgendwelcher Art gespieltwerden. Sie befinden sich hier inmitten einer Horde zivilisierter Raubtiere, Patient Hewlitt, und der Gedanke, der mir dazu automatisch einfällt, wird wohl am besten durch die terrestrische Redensart ›ein Schaf unter Wölfen sein‹ beschrieben. Bitte versuchen Sie also nicht, sich beim Spielen zu sehr aufzuregen, weil Ihr Sensorenmeßgerät sonst womöglich einen klinischen Notfall meldet. Ach so, diese Dinger hier könnten Sie vielleicht zum Spielen gebrauchen…«