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Eine grüne, formlose Hand wühlte in einer Tasche, die an der Außenfläche von Leethveeschis Schutzhülle angebracht war, und zog eine kleine Plastikschachtel heraus, die sie direkt neben Hewlitt aufs Bett warf.

»… sie werden von Ihrer Spezies unter anderem dazu benutzt, um zwischen den Zahnlücken haftende Essensreste zu entfernen. Bestimmt finden Sie eine andere Verwendung dafür. Viel Glück.«

Nachdem die Oberschwester gegangen war, fand Bowab als erster seine Stimme wieder.

»Eine ganze Schachtel mit Zahnstochern!« rief er. »Wir drei mußten uns eine halbe Schachtel teilen. Hewlitt, Sie sind ein Millionär!«

11. Kapitel

Scremman war gar nicht so kompliziert, wie Hewlitt zunächst befürchtet hatte, obwohl es sich um ein Spiel mit fünfundsiebzig Karten und fünf Farben handelte; jeweils fünfzehn Karten pro Farbe mit individuellen Symbolen – blaue Halbmonde, rote Speere, gelbe Schutzschilde, schwarze Schlangen und grüne Bäume. Die höchsten Karten waren die ›Herrscherin‹ oder der ›Herrscher‹, der jeweilige ›Ehepartner‹ sowie der ›Erbe‹, gefolgt von den Karten zwölf bis eins. Im Gegensatz zu den terrestrischen Spielen, wo das As seines Wissens immer die höchste Karte war, war die Eins - die ›Arme‹, wie sie genannt wurde – die niedrigste. Wenn man allerdings gleichzeitig eine Zwölf derselben Farbe hatte, konnte man damit die drei hohen ›Herrscherkarten‹ übertrumpfen.

Wie ihm die anderen erklärten, habe das Spiel durchaus historische und sozialpolitische Wurzeln. So stelle der Zusammenschluß der niedrigsten und der höchsten Nichtherrscherkarte einen Volksaufstand, eine Palastrevolution und in der heutigen Zeit eine erfolgreiche kollektive Machtübernahme dar. Drei, vier oder fünf Karten mit derselben Zahl und verschiedenen Farben hatten besondere Werte, und wenn man außerdem eine Zehn in der Hand hatte, übertraf man damit zwei Herrscherkarten eines Mitspielers. Es gab noch etliche andere Kombinationen aus Zahlen und Symbolen, mit denen man den Wert von Karten oder Kartenkombinationen eines Gegners übertrumpfen oder vermindern konnte, doch Hewlitt glaubte nicht, allzu lange zu brauchen, um auch diese zu lernen.

Während der ersten drei Runden konnte sich jeder Spieler eine Extrakarte geben lassen, mußte aber jedesmal dafür eine andere ablegen, und danach mußte er die Karten vom Geber, dem sogenannten Spielverwalter, durch Erhöhen des Einsatzes kaufen. Spieler, die keine Extrakarten kauften, hatten entweder ein schlechtes Blatt und wollten kein Geld zum Fernster hinauswerfen, oder sie hatten ein sehr gutes und wollten sich nicht beirren lassen.Außerdem wurde die ganze Geschichte dadurch erschwert, daß jeder Spieler zwei kleine Stapel von jeweils bis zu drei verdeckt abgelegten Karten hatte. Nur der Spieler selbst wußte, welcher Haufen zum ständigen Ablegen diente und welcher, falls erforderlich, bei Beendigung des Spiels wieder in die Hand genommen werden würde. Durch das genaue Beobachten der Körpersprache eines Gegenspielers war es durchaus möglich, den echten Stapel zum Ablegen ausfindig zu machen, wobei man allerdings stets bedenken mußte, daß diesbezüglich auch gern geblufft wurde.

»Während der ersten paar Spiele werden wir Sie noch schonend behandeln und Sie auf Ihre Fehler hinweisen«, merkte Horrantor mit einem unübersetzbaren Geräusch an, das wahrscheinlich einem tralthanischen Lachen entsprach. »Ich denke, daß Sie jetzt die Regeln gut genug beherrschen und wir beginnen können.«

»Aber noch nicht gut genug, um bereits auch mit dem Schummeln beginnen zu können«, meinte Bowab, während er dichter ans Bett heranrückte.

»Ach ja, das Schummeln, das hätte ich fast vergessen«, pflichtete ihm die Tralthanerin bei. »Sie müssen immer daran denken, daß Ihre Gegner versuchen werden, Sie zu betrügen. Das bedeutet, daß sie auch körperliche Vorteile auf jede nur denkbare Art Ihnen gegenüber ausnutzen werden, und sei es auch noch so unfair. Wenn ich beispielsweise so neben Ihnen stehe, dann kann ich, obwohl Sie es bisher wahrscheinlich noch gar nicht bemerkt haben, eins meiner Auge so zur Seite ausstrecken, daß ich Ihnen direkt in die Karten sehen kann. Außerdem können die Duthaner ihr Sehschärfe genau auf ein Objekt einstellen, in diesem Fall sind es Ihre Augen, wenn es in einer bestimmten Entfernung verharrt. Ihre Karten werden klar und deutlich in Ihren Augen widergespiegelt, insbesondere die Karten, die Sie in der Hand halten, deshalb sollten Sie die Sicht Ihres Gegners blockieren, indem Sie die Augen zusammenkneifen und durch Ihre komischen Haarfransen an den Rändern der oberen und unteren Verschlußklappen hindurchblinzeln. Es werden noch geschicktere Methoden angewandt, umjemanden zu betrügen, aber am Anfang werden wir Ihnen die Möglichkeit bieten, sie wahrzunehmen, damit Sie entsprechend darauf reagieren können.«

»D… danke, ich… ich …«, stammelte Hewlitt.

»Schluß jetzt mit dem Gerede! Lassen Sie uns endlich anfangen!« fuhr Morredeth ungeduldig dazwischen.

Die nächsten zwei Stunden vergingen sehr schnell, bis die hudlarische Schwester kam und ankündigte, daß jetzt das Abendessen serviert werde.

»Wenn Sie sich weiter unterhalten oder ihre Aktivitäten fortsetzen wollen, können Sie ja zusammen an dem Tisch vor dem Personalraum essen«, schlug sie vor. »Sonst werden die Mahlzeiten direkt zu Ihren jeweiligen Betten gebracht. Na, was ist?«

Horrantor, Bawob und Morredeth riefen sofort im Chor, in den auch Hewlitt mit leichter Verzögerung einstimmte: »Am Tisch!«

»Sind Sie sich wirklich sicher, Patient Hewlitt?« erkundigte sich die Schwester erstaunt. »Sie verfügen nur über geringe Erfahrungen im Umgang mit fremden Spezies, und wenn Sie die anderen zum ersten Mal am Tisch essen sehen, könnte das bei Ihnen ein gewisses Unbehagen auslösen. Oder haben Sie zuvor schon einmal mit Fremdweltlern zusammen gegessen?«

»Nein, noch nie, aber ich möchte unsere Unterhaltung nicht unterbrechen«, antwortete Hewlitt. »Außerdem bin ich mir sicher, daß es mir nichts ausmachen wird, Schwester.«

»Der Trick dabei ist, nicht auf die Teller der anderen zu gucken, sondern nur auf den eigenen«, riet ihm Horrantor.

Als die Tabletts kamen, konnte es sich Hewlitt nicht verkneifen, auf die Teller der anderen zu schielen und fand, daß deren Essen zwar unappetitlich aussah, aber keineswegs eklig. Am meisten irritierte ihn der Anblick von Horrantor, die riesige Mengen gekochter Pflanzen - sie hatte mindestens die sechsfache Körpermasse eines Terrestriers und verschlang logischerweise riesige Portionen davon – in eine Öffnung hineinschob, die er niemals als einen Mund identifiziert hätte. Morredeth war ebenfalls einePflanzenfresserin, und sie gab enorm laute Geräusche von sich, während sie eine Auswahl knackiger und undefinierbarer Rohkost zerschnipselte. Was Bowab aß, konnte er nicht sagen, wenngleich von seinem Teller ein merkwürdig würziger Geruch ausging.