»Bis sie starb«, unterbrach ihn Horrantor mit einer Stimme, die viel zusanft und leise zu klingen schien, als daß sie von einer solch wuchtigen Kreatur hätte stammen können. »Das ist wirklich eine furchtbar traurige Geschichte.«
»Nein, überhaupt nicht«, widersprach Hewlitt. »Ich habe sie nämlich so lange gepflegt, bis es ihr allmählich etwas besser ging. Am nächsten Morgen war sie sogar schon fast wieder gesund und stieß mit dem Kopf gegen meine Beine, weil sie gefüttert werden wollte. Meine Eltern wollten es zunächst gar nicht glauben. Mein Vater sagte jedoch, daß eine Katze neun Leben habe – das ist eine alte terrestrische Redensart, die darauf beruht, daß Katzen sehr beweglich sind, ein ausgeprägtes Gleichgewichtsgefühl haben und nur selten stürzen, und diese Fähigkeiten schien sie alle auf einmal angewandt zu haben. Ich nehme an, daß sie irgendwann an Altersschwäche gestorben ist.«
»Eine traurige Geschichte also, wenngleich mit einem glücklichen Ende«, meinte Bowab. »Das sind genau die Erzählungen, die ich am liebsten mag.«
»Wollen wir uns weiter über pelzige Haustiere unterhalten, oder wollen wir Scremman spielen?« fragte Morredeth ungeduldig, deren Fell sich stachelig aufrichtete und merkwürdige, unregelmäßige Wellen schlug, was vielleicht auf Ungeduld oder Verärgerung hindeuten sollte, aber natürlich auch etwas völlig anderes bedeuten konnte.
Die Frage beantwortete sich von selbst, weil Horrantor umgehend mit dem Austeilen der Karten begann um die Kelgianerin zu besänftigen, der es offenbar nicht gefiel, wenn er über Katzen sprach, sagte Hewlitt: »Ich habe nur deshalb von meinem Haustier erzählt und besonders über dessen Fell geredet, weil ich darüber nachgedacht habe, ob die Spielregeln mir gegenüber ungerecht sind, da ich die Gesten und die Gesichtsausdrücke fremder Spezies nicht zu deuten weiß. Horrantor und Bowab zeigen keinerlei Regungen, die ich wahrnehmen könnte, und Morredeth zeigt wiederum viel zu viele, als daß ich sie deuten könnte. Vielleicht lerne ich das ja noch mit der Zeit. Zum Beispiel ist es sehr unfair, daß Sie beide weit mehr Zeit als ich gehabt haben, um Morredeths Fellbewegungen zu beobachten, und Sie…«»Sie werden es ganz bestimmt nicht lernen, meine Gefühle zu deuten, Hewlitt. Ganz egal, wie lange wir hier zusammen sind«, unterbrach ihn Morredeth, während sich ihr Fell kräuselte und aufstellte, als würde ein heftiger Windstoß durch die Station fegen. »Selbst ein anderer Kelgianer hätte damit seine Schwierigkeiten.«
Das Spiel wurde unter mißbilligendem Schweigen fortgesetzt, und Hewlitt wußte, daß er wieder einmal etwas Falsches gesagt haben mußte.
12. Kapitel
Nachdem das Spiel von der hudlarischen Schwester mit dem Hinweis beendet worden war, sie möchten bitte in ihre Betten zurückkehren und die Medizin für die Nacht einnehmen, um endlich zu schlafen, beschäftigte Hewlitt noch lange der Gedanke, was er Falsches gesagt haben könnte, weil er einen solchen Fehler zukünftig vermeiden wollte. Die drei anderen kamen auf dem Weg zum und vom Waschraum an seinem Bett vorbei, wobei Morredeth keinen Ton sagte, doch traute sich Hewlitt auch nicht, sie anzusprechen, weil er fürchtete, dadurch alles nur noch schlimmer zu machen.
Da er als einziger keine Medikamente bekam, wurde er auch als letzter Patient konsultiert. Die hudlarische Schwester mußte lediglich die Sensorenverbindungen zu seinem Überwachungsmonitor überprüfen und hätte bis zu ihrer nächsten Runde in zwei Stunden nichts weiter zu tun, als den Zustand der schlafenden Patienten zu kontrollieren, es sei denn, es würde ein Notfall eintreten. Vor ihr lag eine lange Nachtschicht, und Hewlitt hoffte, ihre Langeweile unterbrechen und seine Neugier durch einige Fragen befriedigen zu können.
»Versuchen Sie heute abend einmal, nicht den Bildschirm einzuschalten«, riet ihm die Hudlarerin. »Oberschwester Leethveeschi hat mir nämlich erzählt, Sie hätten heute schon genug Aufregung gehabt. Beim Kartenspielen vergeht die Zeit wie im Flug, und es freut mich sehr, daß Sie sich mit Patienten fremder Spezies angefreundet haben. Aber jetzt müssen Sie schlafen.«
»Ich werde es versuchen, Schwester, aber etwas macht mir Sorgen.«
»Haben Sie etwa Schmerzen?« erkundigte sich die Schwester besorgt und kam sofort näher an das Bett heran. »Ihre Sensordaten zeigen einen optimalen Zustand Ihrer Lebenszeichen an. Falls Sie allerdings Beschwerden haben sollten, beschreiben Sie mir die Symptome bitte so genau wie möglich.«»Entschuldigen Sie, Schwester, aber ich habe mich wohl nicht richtig ausgedrückt, es hat nämlich nichts mit meinem körperlichen Zustand zu tun. Ich habe im Laufe des Tages eine andere Patientin gekränkt, und zwar die Kelgianerin Morredeth, aber ich weiß nicht, was an dem, was ich gesagt oder getan habe, so Beleidigendes gewesen sein soll. Wir haben zu viert Scremman gespielt, und die anderen beiden haben anscheinend versucht, mir nonverbal mitzuteilen, daß ich damit aufhören solle. Ich würde gern wissen, was ich falsch gemacht habe, damit ich einen solchen Fehler nicht wiederhole und mich entschuldigen kann, falls es etwas Ernsthaftes gewesen sein sollte.«
Obwohl die Schwester keinerlei Regungen zeigte, die er identifizieren konnte, wirkte die Hudlarerin nun entspannter, als sie antwortete: »Ich glaube nicht, daß es etwas ist, worüber man sich Sorgen machen müßte, Patient Hewlitt. Während eines Scremmanspiels, das sich wie bei Ihnen, so wurde mir jedenfalls berichtet, über mehrere Stunden erstreckt, ist der Austausch beleidigender und kritisierender Äußerungen allgemein üblich… «
»Das ist mir allerdings nicht entgangen«, warf Hewlitt ein.
»…und solche verbalen Attacken sind beim nächsten Spiel längst vergeben. Vergessen Sie einfach den Vorfall, so, wie es die anderen bereits getan haben. Sie können also ganz beruhigt einschlafen.«
»Das ist aber anders abgelaufen«, widersprach Hewlitt. »Diese Äußerungen fielen nämlich während der Spielpausen, und vor allem während wir gegessen haben.«
Die Hudlarerin schwieg für einen Moment, während Sie an den beiden Bettreihen auf der Station entlangblickte. Außer Hewlitt schienen alle zu schlafen, also gab es derzeit für sie nichts Dringenderes zu tun. Hewlitt freute sich und schämte sich auch ein bißchen über seine neu entdeckte Fähigkeit, diesem Monster seinen Willen aufzuzwingen.
»Also gut, Patient Hewlitt. Worüber haben Sie sich denn mit den anderen unterhalten? Und können Sie sich an die Bemerkung erinnern, über die sich Patientin Morredeth so geärgert hat?«»Wie ich Ihnen schon gesagt habe, weiß ich das nicht so genau«, entgegnete Hewlitt. »Ich habe lediglich über ein kleines, pelziges Tier – ein terrestrisches Haustier - gesprochen und es beschrieben… Haben Hudlarer eigentlich auch Haustiere? Ich habe als Kind immer gern damit gespielt. Nichts von dem, was ich gesagt habe, schien Morredeth zu verärgern, bis sie mir völlig unvermittelt vorwarf, ich würde schlüpfrige Sachen erzählen, woraufhin Bowab ihr ebenso unverhofft zustimmte. Ich dachte, die beiden würden scherzen, aber jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher.«