»Nein«, widersprach die Kelgianerin, wobei ihr Oberkörper auf den Boden zu rollen drohte. »Ich will nur nicht, daß Sie sich noch weiter auf solch törichte Art und Weise in meine Belange einmischen.«
Hewlitt überlegte, ob er die Sichtblenden hochziehen sollte, damit das Bett vom Personalraum aus zu sehen wäre, doch dann fiel ihm ein, daß Morredeths Bett wahrscheinlich auch mit einer Kamera überwacht wurde. »Ich wollte Ihnen doch nur helfen«, entschuldigte er sich, während er den sich krümmenden Körper der Kelgianerin ängstlich beobachtete.
»Warum machen Sie so etwas Grausames?« verlangte Morredeth zu wissen. »Wer hat Sie damit beauftragt, so etwas mit mir zu machen?«
»Ich… ich verstehe Sie nicht«, stammelte er verwirrt. »Was habe ich denn Schlimmes gesagt?«
»Sie sind kein Kelgianer, und deshalb können Sie auch nicht ganz verstehen, welche seelischen Verletzungen Sie mir zugefügt haben. Zuerst haben Sie davon erzählt, wie Sie Ihr pelziges Haustier gestreichelt haben, und sich dann für Ihr unsensibles Verhalten entschuldigt. Jetzt reden Sie über sich selbst und wie unmöglich es für Sie ist, eine Lebensgefährtin zu finden, dabei ist doch ganz offensichtlich, daß Sie in Wirklichkeit von mir und meinen Problemen sprechen. Sie müssen dazu von jemandem aufgefordert worden sein. Als Lioren früher versuchte, so etwas mit mir zu machen, habe ich die Ohren einfach dichtgemacht. Wer hat Sie darum gebeten, so mit mir zu reden? Lioren? Braithwaite? Der Chefarzt? Und warum?«
Zuerst verspürte er den Drang, alles zu leugnen, aber das wäre unfair gewesen, denn Kelgianer konnten weder selbst lügen, noch würden sie damit rechnen, belogen zu werden. Entweder sollte er nichts sagen oder die Wahrheit erzählen.
»Die hudlarische Schwester hat mich darum gebeten, mit Ihnen zu reden«, gestand er schließlich ein. »Sie wollte aber nicht…«»Aber die Hudlarerin ist doch gar keine Psychologin!« unterbrach ihn Morredeth empört. »Wie konnte sie so etwas Schreckliches tun? Sie hat sich unqualifiziert verhalten, und sie hat mit meinen Gefühlen gespielt. Ich werde dieses ungehörige Verhalten dem Chefarzt melden.«
Hewlitt versuchte, die aufsteigende Wut der Kelgianerin zu besänftigen: »Alle Personen, die ich bisher kennengelernt habe, hielten sich insgeheim für gute Psychologen, ob nun mit oder ohne Ausbildung…« Und ich schließe mich da mit ein, fügte er in Gedanken hinzu. »Genauso wie alle von sich glaubten, sie wären hervorragende Autofahrer und hätten einen unübertroffenen Sinn für Humor. Das Problem ist, daß sich Psychologen selten auf eine Behandlungsmethode einigen können. – Haben Sie eigentlich Schmerzen?«
»Nein, ich habe eine unbändige Wut!« fuhr ihn Morredeth an.
Wenn man die Spezies der Patientin berücksichtigte, dann mußte man ihre Worte als die reine, wenn auch subjektive Wahrheit ansehen, dachte Hewlitt, und während er die wachsende Erregung des sich heftig bewegenden Fells und Körpers beobachtete, überlegte er, ob es sich dabei um die kelgianische Ausdrucksform einer rüden Geste handeln könnte.
»Sie dürfen auf die hudlarische Schwester nicht so wütend sein«, versuchte er Morredeth zu besänftigen. »Sie hat mir erzählt, Lioren habe mit Einwilligung des Chefarztes angeordnet, Ihre Beruhigungsmittel für die Nacht zu reduzieren, damit Sie mehr Zeit mit sich allein verbringen können. Man erhofft sich dadurch, daß Sie auf diese Weise mehr über sich nachdenken und besser mit sich ins Reine kommen können. Um diesen Prozeß voranzutreiben, wurde dem jeweiligen Klinikpersonal untersagt, sich während der Nacht mit Ihnen zu unterhalten, abgesehen von den wenigen Worten, die während der routinemäßigen Überprüfung Ihrer Lebenszeichen notwendig sind. Die hudlarische Schwester war bezüglich dieser Behandlungsweise anderer Meinung, traute sich aber nicht, sich den Anordnungen ihrer Vorgesetzten zu widersetzen, obwohl sie sich große Sorgen um Ihren zu erwartenden Kummer macht. Als sie dann von mir erfuhr, daß ich mich bei Ihnen für die Vorfälle beim Kartenspielenentschuldigen wollte, bat sie mich, mit Ihnen zu sprechen.
Sie hat mir nicht gesagt, worüber ich reden soll, außer daß ich versuchen solle, Sie von Ihren Problemen abzulenken. Leider ist mir das offensichtlich nicht gelungen, aber das war mein Fehler, und die Hudlarerin trägt keinerlei Schuld an meinem unsensiblen Verhalten und Ihrem Zorn.«
»Dann werde ich das Fehlverhalten der Schwester auch nicht melden«, sagte Morredeth. »Trotzdem bin ich immer noch wütend.«
»Ich kann Sie durchaus verstehen«, stimmte ihr Hewlitt zu. »Damals habe ich nämlich dieselbe Wut und Enttäuschung empfunden wie Sie. Anfangs war es mir unendlich peinlich, daß meine Freunde über mich lachten und hinter meinem Rücken tuschelten, weil sie mich für eine Art sexuellen Krüppel hielten… «
»Aber man hat Ihnen die Behinderung doch nicht angesehen!« unterbrach ihn Morredeth, und ein plötzlicher Muskelkrampf brachte sie bedrohlich nahe an die Bettkante. »Meine Freunde werden nicht hinter meinem Rücken lachen und tuscheln, sondern sich freundlich verhalten und meine Gesellschaft meiden, damit ich nicht ihren Ekel bemerke, den sie mir gegenüber empfinden. Aber das können Sie wahrscheinlich nicht verstehen, nicht wahr?«
»Versuchen Sie ruhig zu liegen, verdammt noch mal!« rief Hewlitt. »Sonst fallen Sie noch aus dem Bett und verletzen sich womöglich. Hören Sie endlich auf damit, so herumzurollen!«
»Wenn Sie der Anblick stört, dann gehen Sie doch!« erwiderte Morredeth. »Kelgianer können zwar manchmal ihre Gefühle kontrollieren, aber niemals verbergen. Starke Empfindungen sind nun mal mit unwillkürlichen Fell- und Körperbewegungen verbunden. Haben Sie das nicht gewußt?«
Nein, aber jetzt weiß ich es, murmelte Hewlitt in sich hinein und sagte dann laut: »Selbst terrestrische Psychologen vertreten die Auffassung, daß es oft besser ist, wenn man sich von seinen Gefühle befreit, anstatt sie aufzustauen. Ich möchte nicht gehen, sondern mich mit Ihnen unterhaltenund Sie von Ihren Problemen ablenken. Bis jetzt bin ich darin noch nicht sehr erfolgreich gewesen, wie?«
»Das kann man wohl laut sagen. Aber bleiben Sie ruhig, wenn Sie unbedingt wollen.«
Die Heftigkeit ihrer Körperbewegungen schien etwas nachzulassen, und Hewlitt beschloß, das Risiko einzugehen, nicht das Thema zu wechseln.
»Danke, Morredeth. Und was unser gemeinsames Problem angeht, haben Sie natürlich recht. Ihre Situation ist ungleich schlimmer als meine, da sie einen bleibenden Schaden haben, der darüber hinaus für jedermann sichtbar ist. Aber das heißt nicht, daß ich Ihre Gefühle nicht verstehen würde, denn ich hatte für viele Jahre dieselbe Art von Problemen, wenngleich in geringerem Ausmaß. Ich glaube nicht, daß die seelischen Narben jemals verheilen werden und ich mit der Notwendigkeit klarkommen werde, allein zu leben und zu arbeiten und den körperlichen Kontakt zu Frauen vermeiden zu müssen. Ich weiß, wie es Ihnen ergehen muß, allerdings weiß ich auch, daß Sie sich nicht ständig so miserabel fühlen werden.