»Keine Sorge«, winkte Hewlitt ab, wobei er versuchte, die aufsteigende Panik zu unterdrücken. »Ich habe sowieso nicht vor, mit einer dieser Kreaturen zusammen zu essen oder mich gar zu unterhalten, weder jetzt noch in Zukunft. Vor allen Dingen dieses … dieses riesige Elefantenmonster, das ich neben dem Personalraum beim Hereinkommen gesehen habe,blickte mich so an, als ob es mich am liebsten auffressen würde.«
»Patient Cossunallen ist ein Pflanzenfresser«, beruhigte ihn Medalont, »also besteht auch diesbezüglich kein Grund zur Besorgnis. Wir empfehlen lediglich, den Kontakt mit anderen Patienten zu suchen, was aber überhaupt keine Verpflichtung sein soll. Jedoch sollten Sie nicht vergessen, daß Sie gegenwärtig ein ungewöhnlich gesunder Patient sind, der, mit Ausnahme eines gelegentlichen Gangs zur Toilette, bestimmt nicht die ganze Zeit im Bett verbringen möchte. Die Langeweile selbst und nicht das Klinikpersonal wird Sie wahrscheinlich zwangsläufig dazu treiben, sich mit den anderen Patienten zu unterhalten.«
Hewlitt gab ein lautes, abwehrendes Geräusch von sich, das, wie er wußte, nicht zu übersetzen war.
»Ich muß jetzt leider gehen«, fuhr Medalont unbeeindruckt fort. »Falls Sie noch Fragen haben sollten, die das Pflegepersonal wider Erwarten nicht beantworten kann, werde ich noch einmal vor der Schlafenszeit nach Ihnen sehen. Für das Mittagessen wünsche ich Ihnen jedenfalls schon jetzt einen guten Appetit.«
Während kurz darauf das leichte Klappern melfanischer Füße und das lautere, aber dumpfer klingende Geräusch hudlarischer Tentakel in der Station verhallten, starrte Hewlitt auf die rings ums Bett heruntergelassenen Sichtblenden und überlegte mit Grauen, welche schrecklichen Sachen man ihm hier wohl zum Essen auftischen würde. Einige Minuten später schob sich die hudlarische Lernschwester durch die Sichtblenden und stellte ein zugedecktes Tablett auf dem Nachttisch ab.
»Bislang haben wir noch keine Informationen über Ihre bevorzugten Speisen erhalten. Deshalb haben wir eine Mahlzeit zusammengestellt, die zumindest von den meisten terrestrischen Mitarbeitern gern gegessen wird«, erzählte sie beiläufig. »Sie besteht aus einer braunen, flachen Scheibe – Steak genannt -, und dazu gibt es verschiedene klumpige vegetabilische Objekte, welche die Terrestrier als Gemüse bezeichnen. Warten Sie bitte noch mit dem Essen, bis ich diese Geräte an Ihrem Körper angebracht habe. Das Meßgerät auf Ihrer Brust wird uns im Personalraum fortwährendüber Ihren Zustand unterrichten, und der Translator, den ich Ihnen um den Hals hängen werde, ist auf die Sprachen programmiert, die von den Patienten dieser Station und vom Klinikpersonal benutzt werden. Auf diese Weise sind Sie stets darüber informiert, was jemand über Sie und alle anderen sagt.
Da ich davon ausgehe, daß Sie sich beim Essen in optischer Zurückgezogenheit wohler fühlen, zumindest bis Sie sich eingelebt haben, habe ich die Sichtblenden nicht hochgezogen. Ich muß jetzt gehen, aber Sie brauchen nur auf die Ruftaste drücken, falls Sie etwas benötigen. Ist sonst alles in Ordnung mit Ihnen, Patient Hewlitt?«
»Ja ja… ahm… danke auch«, stammelte er. »Moment noch, Schwester, ich… ich…«
Verwirrt hielt er inne, denn er hatte keine Ahnung, warum er sich gegenüber dieser monströsen Kreatur so dankbar fühlte, ja sogar das Bedürfnis verspürte, es nicht nur bei ein paar anerkennenden Worten zu belassen. Vielleicht könnte er ihr ja etwas Schmeichelhaftes sagen.
Die Hudlarerin, die sich gerade durch den Spalt zwischen zwei überlappenden Sichtblenden zurückzog und deren Körperfarbe dabei einen großen Farbklecks auf dem Gewebe hinterließ, blieb stehen. »Ja, was ist denn, Patient Hewlitt?«
»Schwester, ich… ich habe wirklich nicht erwartet, daß sich ein Wesen wie Sie so… nun ja … so rücksichtsvoll mir gegenüber verhält«, begann er etwas unbeholfen. »Ich meine, Sie sehen nicht gerade wie jemand aus, der von der Erde stammt und… «
»Also, das hoffe ich doch«, warf die Hudlarerin ein.
»Na ja, ich meine das natürlich nicht so wörtlich«, erwiderte er. »Ich wollte mich bloß bei Ihnen bedanken und… und Ihnen sagen, daß Ihr Körper-Make-up wirklich sehr hübsch aussieht.«
Die Schwester gab einen kurzen unübersetzbaren Laut von sich, dann sagte sie: »Hudlarer benutzen keine Körperfarben oder Make-up, Patient Hewlitt. Das ist mein Mittagessen.«
4. Kapitel
Während der ersten Nacht auf der Station bekam Hewlitt kein Auge zu, und das, obwohl sein Bett sehr bequem, das Licht der Nachttischlampe gedämpft und er völlig übermüdet war.
Auch wenn ihm seine Uhr, die noch immer auf die Bord- anstatt auf die Krankenhauszeit eingestellt war, verriet, daß es für ihn praktisch schon früh am Nachmittag des nächsten Tages war, und er die Augen kaum noch aufhalten konnte, wollten sie nicht zufallen. Es mußte daran liegen, daß er, sei es nun wissentlich oder auch nicht, schreckliche Angst davor hatte, in diesem merkwürdigen Hospital das Bewußtsein zu verlieren.
Etliche Stunden schienen zu vergehen, in denen er wach dalag und den nächtlichen Geräuschen auf der Station lauschte, die trotz der Sichtblenden, die nur geringen Lärmschutz boten, bis zu ihm herüberdrangen. Das ununterbrochene Schnarren des Belüftungssystems, das tagsüber unhörbar gewesen war, schien von Stunde zu Stunde lauter zu werden, und auch das leise Klappern von Füßen oder sonstigen Gliedmaßen der Schwestern, wenn diese sich um die Patienten kümmerten. Gelegentlich konnte er jammernde oder blubbernde Geräusche von Patienten hören, die von Schmerzen hätten herrühren können, doch in Anbetracht der heutzutage verfügbaren Medikamente war es sehr viel wahrscheinlicher, daß es sich dabei um den Klang außerirdischen Schnarchens handelte.
Aus lauter Verzweiflung schaltete er den Bildschirm neben seinem Bett ein. Um die Schwestern nicht zu verärgern, weil er die anderen Patienten störte, benutzte er die Hörmuschel und suchte nach den Unterhaltungsprogrammen. Die meisten waren für Zuschauer fremder Spezies bestimmt, und obwohl der Translator die Dialoge übersetzte, wirkte eine tralthanische oder melfanische Komödie auf ihn eher wie ein Horrorfilm. Als er endlich ein Programm fand, das für terrestrische Zuschauer bestimmt war, empfand er Handlung und Dialog allerdings fast als prähistorisch. Eigentlich hätte er dadurch sofort einschlafen müssen, doch wollte es ihm immer noch nicht gelingen.Schließlich schaltete er zurück, um sich den bizarren Auftritt einer tralthanischen Familie anzusehen, die verworrene Sachen vorführte und dabei banale Dinge erzählte, bis sich plötzlich die Sichtblenden teilten und ein massiver hudlarischer Körper auftauchte.
»Sie sollten lieber schlafen, Patient Hewlitt«, sagte die Lernschwester mit einer solch leisen Stimme, daß er sie kaum verstehen konnte. »Stimmt irgend etwas nicht?«
»Sind Sie noch immer die Schwester, die mich heute hierhergebracht hat oder schon eine andere?« erkundigte er sich.
»Alle anderen Schwestern, inklusive Leethveeschi, sind bereits abgelöst worden«, antwortete die Hudlarerin. »Meine Spezies kann aber sehr lange ohne Schlaf auskommen, und ich werde die ganze Nacht über Dienst haben. Morgen und übermorgen habe ich frei und werde die Zeit nutzen, einiges für meine Fortbildung zu tun. Sie werden mich also erst in drei Tagen wiedersehen, falls Sie dann noch hiersein sollten. Ihre Körpersensoren zeigen erhöhte Anspannung und Erschöpfung an. Warum schlafen Sie nicht?«