Aus einem unerfindlichen Grund tauchte vor seinem geistigen Auge plötzlich das Bild seiner Katze auf; wie sie sich bei dem Versuch, in seinem Schoß in eine bequemere Form zu drücken, im Kreis drehte und sanft mit ihren Pfoten stampfte, bevor sie sich zum Schlafen einrollte. Jetzt drückte und bohrte etwas anderes in seinem Kopf und versuchte, sich sowohl sanft als auch beharrlich in eine bequeme Position zu bringen.
Und plötzlich war es so, als ob eine gewaltige Informationsflut über sein Gehirn hereinbräche.Während er immer noch wie ein aufgeregtes Kind, das einen neuen Spielplatz erkundet, seine soeben erworbenen Erkenntnisse erforschte, bahnte sich die Virenkreatur bereits den umgekehrten Weg durch Hewlitts Schulter, Arm und Handfläche, um zu Cherxic zurückzukehren. Ohne ein Wort zu sagen, verließ der Telfi die Schleusenkammer, und die Innenluke fiel hinter ihm ins Schloß.
Lioren und Hewlitt wußten, daß es nichts mehr gab, was man Cherxic hätte sagen oder fragen müssen.
Während Hewlitt dem Padre folgte, der den G-Schlitten mit den telfischen Leichnamen durch den Bordtunnel hindurch in die Schleusenkammer des Krankenhauses lenkte, sagten beide keinen Ton. Die Luke schloß sich hinter ihnen, und gleich darauf ertönte ein lautes, zweimaliges Läuten, das von einer optischen Warnung begleitet wurde, die anzeigte, daß sich das telfische Schiff von den Dockluken gelöst hatte. Dann benutzte Lioren den Kommunikator.
»Braithwaite? Hier spricht Lioren. Ich muß mit Major O'Mara reden. Es ist dringend.«
»Ja, hier O'Mara«, ertönte die Stimme des Chefpsychologen. »Was ist los, Padre?«
»Wir stellen die Suche ein«, antwortete Lioren. »Wir haben eben den letzten und einzig übriggebliebenen Wirt der Virenkreatur aufgespürt. Sie befindet sich gegenwärtig in einem Teilwesen einer telfischen Gesamtgestalt, deren Schiff in diesem Augenblick ablegen will. Das Raumschiff muß ohne Verzögerung eine Starterlaubnis erhalten. Sie können auch die Evakuierungsübungen abbrechen und somit die bereitstehenden Schiffe zurückziehen. Das Problem mit dem Energieerzeugungssystem und die…«
»Ich sehe da überhaupt keinen Zusammenhang«, fiel ihm O'Mara scharf ins Wort. »Oder wollen Sie mir etwa erzählen, daß es da einen gibt?«
»Ganz genau«, bekräftigte Lioren. »Wenn zwei ungewöhnliche Ereignisse zur selben Zeit geschehen, dann besteht sogar eine sehr große Wahrscheinlichkeit, daß sie eine gemeinsame Ursache haben. Leider hatteich dieses ungeschriebene Naturgesetz längst vergessen. Ach, und außerdem ist es Hewlitt gewesen und nicht ich, der diese Verbindung als erster erkannt hat. Es besteht für niemanden mehr irgendeine Gefahr, weder die einer Nuklearexplosion noch die einer speziesübergreifenden Ansteckung. Wir werden Ihnen vollständig Bericht erstatten, sobald wir in Ihrer Abteilung eintreffen.«
»Sie bleiben dort, wo Sie jetzt sind!« befahl O'Mara. »Moment… « Hewlitt schien Lioren eine Ewigkeit anzustarren, der mit allen Augen auf
die beiden toten Telfis blickte, bevor die Stimme des Chefpsychologen
erneut ertönte.
»Sie haben recht, Padre«, verkündete O'Mara. »Die technische Abteilung hat gerade bestätigt, daß die Instabilität der Kernkraft- und sonstigen Energieversorgungsanlagen behoben ist, wieso oder weshalb wissen sie zwar nicht, doch der Ausnahmezustand ist bereits aufgehoben. Das alles soll innerhalb der letzten fünfzehn Minuten passiert sein. Trotzdem war dieses Problem nur das geringere von den beiden Übeln. Die Geschichte mit der sich frei im Krankenhaus bewegenden Virenkreatur muß noch immer geklärt werden, und Sie beide sind, bei allem Respekt, so tief und persönlich in diese Angelegenheit verstrickt, daß es sich bei Ihrer Zusicherung, es bestehe keine Gefahr mehr… nun ja, wohl eher um ein Produkt Ihres Wunschdenkens als um eine medizinische Tatsache handelt. Ist sich Hewlitt der ganzen Situation überhaupt bewußt?«
Als feststand, daß Lioren nicht vorhatte, darauf zu antworten, sagte Hewlitt: »Ja, ich denke, schon.«
»Dann gibt es keinen Zweifel mehr, daß Sie beide nicht mehr ganz bei Sinnen sind und in ernsten Schwierigkeiten stecken«, meinte O'Mara. »Mir persönlich tut das, wie auch allen anderen hier, wirklich sehr leid. Ihre Probleme, Hewlitt, fingen damit an, daß Sie bereits als Kind auf Etla von der Virenkreatur infiziert wurden, die dann auf die ehemalige Patientin Morredeth und Padre Lioren übertragen wurde, und nun also, was ich absolut unglaublich finde, auf einen Telfi, dessen Physiologie und Umgebung für eine mikrobiologische Lebensform weniger geeignet ist als der heißesteDampfkochtopf unserer terrestrischen Vorfahren. Wir gehen jedenfalls davon aus, daß es noch weitere Wirtskörper gibt, von deren Existenz wir nur noch nichts wissen. Als sich beim Energieversorgungssystem trotz all der umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen und automatischen Reparatureinrichtungen erste Anzeichen zunehmender Instabilität bemerkbar machten, haben wir deshalb lieber erst einmal Notfallübungen durchführen lassen, als sofort alle Patienten und Mitarbeiter auf die zum Zweck der Evakuierung zusammengezogenen Schiffe zu verfrachten. Wir können es uns nämlich nicht leisten, das Risiko einzugehen, einen speziesübergreifenden Krankheitserreger mit unbekanntem Potential unkontrolliert in der Föderation umherreisen zu lassen.
Padre, ich möchte Sie wirklich nicht kränken, indem ich die Worte eines Trägers des Blauen Mantels von Tarla anzweifle«, fuhr der Chefpsychologe fort, »doch der Überlebenswille, der in Ihnen beiden wie in jedem anderen Bürger der galaktischen Föderation steckt, ist ein evolutionäres Gebot, das auch durch ethische Überlegungen nicht ersetzt werden darf. Deshalb sind die Behörden auf Kelgia angewiesen worden, Patientin Morredeth bei ihrer Ankunft unter orbitale Quarantäne zu stellen. Ähnliche Anweisungen betreffend des Schiffs, das gerade abgeflogen ist, werden bereits an den Planeten Telfi übermittelt und bezüglich der Katze auch an den Planeten Etla. Sie beide werden für intensive Studien, die von der Pathologie durchgeführt werden, ab sofort unter Quarantäne gestellt. Außerdem wird gerade die Entscheidung getroffen, die Evakuierungsschiffe zurückzuziehen und sie durch ein Geschwader des Monitorkorps zu ersetzen, das dafür sorgen soll, sämtliche Außenkontakte des Orbit Hospitals vorläufig zu unterbinden. Das könnte zwar überall in der Föderation zu einer ernsthaften Destabilisierung führen, aber es sieht ganz so aus, als hätten wir keine andere Wahl. Verstehen Sie unsere Haltung zu diesem Problem?«
»Das hört sich ja ganz so an, als wäre es Ihnen lieber gewesen, wenn das Krankenhaus explodiert wäre, um allen Beteiligten eine Menge Ärger zu ersparen«, erwiderte Hewlitt mit einem leichten Zittern in der Stimme, das teilweise von seiner Angst herrührte, das aber auch eine Reaktion auf diesicherlich gut gemeinte, jedoch völlig törichte Vorgehensweise der Krankenhausleitung war. »Jetzt glauben Sie mir doch bitte, daß Sie absolut nichts zu befürchten haben.«