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Einen Augenblick blinzelte er im Sonnenlicht. Dann sah er die zerstörten Bergwerksmaschinen um sich her und dahinter ein verlassenes Eisenbahngleis, das sich den Berghang hinunterzog. In mehreren Kilometern Entfernung erstreckte sich am Fuß des Berges ein dichter Wald, und ganz in der Ferne konnte Stormgren das Wasser eines großen Sees blinken sehen. Er nahm an, daß er irgendwo in Südamerika wäre, obwohl er kaum hätte sagen können, wie er zu dieser Vermutung kam.

Als er das kleine Flugschiff bestieg, warf Stormgren einen letzten Blick auf den Grubeneingang und die erstarrten Männer. Dann schloß sich die Tür hinter ihm, und mit einem Seufzer der Erleichterung sank er auf den vertrauten Sessel.

Eine Weile wartete er, bis er wieder zu Atem gekommen war; dann stieß er eine einzige, von Herzen kommende Silbe aus: „Nun?“

„Es tut mir leid, daß ich Sie nicht früher befreien konnte. Aber Sie sehen, wie wichtig es war, zu warten, bis alle Führer sich dort versammelt hatten.“

„Wollen Sie damit sagen“, sprudelte Stormgren heraus, „daß Sie die ganze Zeit gewußt haben, wo ich war? Wenn ich dächte.“

„Seien Sie nicht zu hastig“, erwiderte Karellen, „wenigstens lassen Sie mich erst alles erklären.“

„Gut“, sagte Stormgren düster, „ich höre.“ Er begann zu argwöhnen, daß er nur ein Köder in einer klug aufgestellten Falle gewesen war.

„Ich hatte Ihnen einige Zeit einen ›Spürer‹ nachgeschickt“, begann Karellen. „Obwohl Ihre neuen Freunde mit Recht annahmen, daß ich Ihnen nicht unter die Erde folgen könne, vermochte ich doch auf Ihrer Spur zu bleiben, bis man Sie in die Mine brachte. Dieser Transport durch den Tunnel war genial, aber als der erste Wagen auf die Signale nicht mehr ansprach, verriet er den Plan, und es gelang mir seht bald, Sie wiederzufinden. Dann hieß es nur abwarten. Ich wußte, daß die Führer herkommen würden, sobald sie überzeugt waren, daß ich Sie aus den Augen verloren hätte, und daß ich sie dann alle abfangen konnte.“

„Aber Sie wollen sie gehen lassen?“

„Bisher“, erwiderte Karellen, „konnte ich nicht sagen, wer unter den zweieinhalb Milliarden Menschen auf diesem Planeten die wirklichen Führer der Organisation wären. Jetzt, da sie festgestellt sind, kann ich ihre Bewegungen überall auf der Erde verfolgen und kann, wenn ich will, alle ihre Handlungen beobachten. Das ist weit besser, als sie einzusperren. Wenn sie irgendwelche Schritte unternehmen, werden sie ihre übrigen Gefährten verraten. Sie sind wirksam neutralisiert, und das wissen sie; Ihre Rettung muß ihnen völlig unerklärlich sein, denn Sie sind vor ihren Augen verschwunden.“

Sein volltönendes Lachen hallte in dem kleinen Raum wider.

„In gewisser Weise war die ganze Sache eine Komödie, aber sie hatte einen ernsten Zweck. Es geht mir nicht nur um die paar hundert Männer in dieser Organisation — ich muß auch an die moralische Wirkung auf andere Gruppen denken.“

Stormgren blieb eine Weile stumm. Er war nicht ganz befriedigt, aber er konnte Karellens Standpunkt verstehen, und etwas von seinem Zorn hatte sich verflüchtigt. „Es ist bedauerlich, daß es in meinen letzten Amtswochen geschehen mußte“, sagte er endlich. „Aber von jetzt an werde ich eine Wache vor meinem Hause aufstellen. Das nächste Mal kann Pieter entführt werden. Wie hat er sich übrigens verhalten?“

„Ich habe ihn in dieser letzten Woche sorgfältig beobachtet und vermied es absichtlich, ihm zu helfen. Im großen und ganzen hat er seine Sache sehr gut gemacht, aber er ist nicht der Mann, der an Ihre Stelle treten kann.“

„Das ist ein Glück für ihn“, sagte Stormgren, noch immer etwas gekränkt. „Haben Sie übrigens von Ihren Vorgesetzten irgend etwas darüber gehört, daß Sie sich uns zeigen sollen? Ich bin jetzt überzeugt, daß dies der stärkste Einwand ist, den Ihre Feinde gegen Sie haben. Wieder und immer wieder haben sie mir gesagt: ›Wir werden den Overlords nie trauen, solange wir sie nicht sehen können.™

Karellen seufzte: „Nein, ich habe nichts gehört. Aber ich weiß, wie die Antwort sein muß.“

Stormgren drang nicht weiter in ihn. Früher einmal hätte er es vielleicht getan, aber jetzt zum erstenmal begann der schwache Schatten eines Plans in seinem Geist Gestalt anzunehmen. Die Worte des Mannes, der ihn ausgefragt hatte, gingen wieder durch sein Gedächtnis. Ja, vielleicht könnte man Apparate bauen.

Was er unter Zwang zu tun abgelehnt hatte, konnte er aus eigenem freiem Willen versuchen.

3

Noch vor wenigen Tagen hätte sich Stormgren nicht vorstellen können, daß er im Ernst die Unternehmung erwägen würde, die er jetzt plante. Diese lächerliche operettenhafte Entführung, die in der Erinnerung wie ein drittrangiges Fernsehspiel wirkte, hatte wahrscheinlich mit seiner neuen Einstellung viel zu tun. Zum erstenmal in seinem Leben war Stormgren einer Gewaltmaßnahme ausgesetzt gewesen, im Gegensatz zu den Wortkämpfen im Konferenzzimmer. Der Virus mußte in seinen Blutstrom eingedrungen sein; oder aber er näherte sich seiner zweiten Kindheit nur schneller, als er vermutet hatte.

Reine Neugier war ebenfalls ein mächtiger Antrieb und ebenso die Entschlossenheit, den Streich, den man ihm gespielt hatte, zurückzuzahlen. Ihm war jetzt völlig klar, daß Karellen ihn als Köder benutzt hatte, und wenn dies auch aus den besten Gründen geschehen war, fühlte sich Stormgren doch nicht geneigt, dem Oberkontrolleur sogleich zu verzeihen.

Pierre Duval zeigte keine Überraschung, als Stormgren unangemeldet sein Büro betrat. Sie waren alte Freunde, und es war nichts Ungewöhnliches, daß der Generalsekretär dem Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung einen persönlichen Besuch machte. Sicherlich würde auch Karellen es nicht sonderbar finden, wenn er oder einer seiner Untergebenen zufällig ihre Beobachtungsinstrumente auf diesen Ort richten sollten.

Eine Weile sprachen die beiden Männer über geschäftliche Angelegenheiten und tauschten politische Ansichten aus. Dann kam Stormgren etwas zögernd zur Sache. Während sein Besucher redete, lehnte sich der alte Franzose in seinem Stuhl zurück, und seine Brauen zogen sich, Millimeter für Millimeter, immer mehr in die Höhe, bis sie fast unter seiner Stirntolle verschwanden. Ein- oder zweimal schien er etwas sagen zu wollen, aber immer überlegte er es sich anders.

Als Stormgren geendet hatte, sah sich der Gelehrte nervös im Zimmer um. „Glauben Sie, daß er zuhört?“ fragte er.

„Ich glaube nicht, daß er es kann. Er läßt mich zu meinem Schutz beschatten, wie er es nennt, aber das ist unterirdisch nicht möglich. Das ist der eine Grund, warum ich hier in Ihr Verlies gekommen bin. Es soll gegen alle Arten von Strahlungen geschützt sein, nicht wahr? Karellen ist kein Zauberer. Er weiß, wo ich bin, aber das ist alles.“

„Hoffentlich haben Sie recht. Wird es aber, abgesehen davon, nicht Schwierigkeiten geben, wenn er entdeckt, was Sie vorhaben? Denn das wird er, wie Sie wissen.“

„Ich nehme diese Gefahr auf mich. Außerdem verstehen wir uns recht gut.“

Der Physiker spielte mit seinem Bleistift und starrte eine Weile vor sich hin. „Es ist ein sehr reizvolles Problem. Es gefällt mir“, sagte er ruhig. Dann tauchte er in ein Schubfach und zog einen ungeheuren Schreibblock heraus, den größten, den Stormgren je gesehen hatte. „Also gut“, begann er und beschrieb das Blatt mit so etwas wie einer privaten Kurzschrift. „Ich möchte sicher sein, daß ich alle Punkte habe. Erzählen Sie mir soviel Sie können über den Raum, in dem Sie Ihre Besprechungen haben. Lassen Sie keine Einzelheit aus, so belanglos sie erscheinen mag.“