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„Hör mal“, sagte George, während er ein Brötchen verspeiste, „wie, zum Teufel, hat Rupert einen Overlord erwischt? Ich habe noch nie so etwas gehört, aber er scheint es für selbstverständlich zu halten. Er hat es nicht einmal erwähnt, als er uns einlud.“

Benny lachte. „Eine seiner üblichen kleinen Überraschungen. Du solltest besser ihn fragen. Aber es ist schließlich nicht das erstemal vorgekommen. Karellen war auf Gesellschaften im Weißen Haus, im Buckingham-Palast und.“

„Das ist etwas anderes. Rupert ist ein ganz gewöhnlicher Bürger!“

„Und vielleicht ist Raschaverak ein sehr kleiner Overlord. Am besten fragst du Rupert selbst.“

„Das werde ich tun“, sagte George, „sobald ich seiner habhaft werden kann.“

„Dann mußt du noch lange warten.“

Benny hatte recht, aber da die Gesellschaft jetzt aufzutauen begann, war es nicht schwer, geduldig zu sein. Die leichte Erstarrung, die sich bei Raschaveraks Erscheinen über die Gesellschaft gelegt hatte, war jetzt verschwunden. Noch immer umdrängte eine kleine Gruppe den Overlord, aber anderswo hatte die übliche Absonderung stattgefunden, und alle benahmen sich ganz natürlich.

Ohne den Kopf wenden zu müssen, konnte George einen berühmten Filmproduzenten sehen, einen nicht sehr bedeutenden Dichter, einen Mathematiker, zwei Schauspieler, einen Atomphysiker, einen Forstminister, den Chefredakteur einer Wochenschrift, einen Statistiker der Weltbank, einen Geiger, einen Professor der Archäologie und einen Astrophysiker. Es waren keine andern Vertreter von Georges eigenem Beruf, der Bühnenausstattung für Fernsehspiele, anwesend, was ihm sehr lieb war, da er nicht fachsimpeln wollte. Er liebte seine Arbeit; in diesem Zeitalter arbeitete zum erstenmal in der menschlichen Geschichte ja auch niemand an Aufgaben, für die er nichts übrig hatte. Aber George war ein Mann, der am Ende des Tages die Studiotüren hinter sich schließen konnte.

Er fand Rupert endlich in der Küche, wo er Cocktails mixte. Es tat einem fast leid, ihn auf die Erde zurückzuholen, wenn seine Augen diesen abwesenden Blick hatten, aber George konnte, wenn es nötig war, rücksichtslos sein.

„Hör mal, Rupert“, begann er und setzte sich auf den nächsten Tisch, „ich glaube, du bist uns allen irgendeine Erklärung schuldig.“

„Hm“, sagte Rupert nachdenklich und ließ die Zunge um seinen Mund gleiten, „ein kleines bißchen zu viel Gin, fürchte ich.“

„Mache keine Ausflüchte, und tu nicht, als ob du nicht nüchtern wärst, denn ich weiß genau, daß du es bist. Wo kommt dein Freund, der Overlord, her, und was macht er hier?“

„Habe ich es dir nicht gesagt?“ fragte Rupert. „Ich dachte, ich hätte es allen erklärt. Aber natürlich, du warst ja nicht dabei, du hattest dich oben in der Bibliothek verkrochen.“ Er lachte in einer Art, die George kränkend fand. „Wegen der Bibliothek, weißt du, ist Raschy hergekommen.“

„Wie merkwürdig!“

„Warum?“

George zögerte, weil er sich sagte, daß hier Takt erforderlich war. Rupert war sehr stolz auf seine eigenartige Büchersammlung. „Nun ja, wenn man bedenkt, wie weit die Overlords auf dem Gebiet der Wissenschaft sind, kann ich mir kaum denken, daß sie an psychischen Phänomenen und diesem ganzen Unsinn interessiert sein sollten.“

„Unsinn oder nicht“, erwiderte Rupert, „sie interessieren sich für menschliche Psychologie, und ich besitze einige Bücher, aus denen sie eine Menge lernen können. Kurz bevor ich hierher übersiedelte, setzte sich irgendein stellvertretender Unter-Overlord oder Ober-Unterlord mit mir in Verbindung und fragte, ob sie etwa fünfzig von meinen kostbaren Büchern entleihen könnten. Wahrscheinlich hatte ihn einer der Bibliothekare der Bücherei des Briti schen Museums an mich verwiesen. Natürlich kannst du dir vorstellen, was ich sagte.“

„Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.“

„Nun, ich erwiderte sehr höflich, daß es mich zwanzig Jahre gekostet hätte, meine Bibliothek zusammenzubringen. Sie könnten sehr gern meine Bücher studieren, aber das müßten sie hier tun. Also ist Raschy gekommen und hat etwa zwanzig Bände täglich in sich aufgenommen. Ich möchte wissen, was er damit anfängt.“

George überlegte, dann zuckte er verächtlich die Schultern. „Offen gesagt“, erklärte er, „sinken die Overlords in meiner Wertschätzung. Ich dachte, sie könnten Besseres mit ihrer Zeit anfangen.“

„Du bist ein unverbesserlicher Materialist, nicht wahr? Ich glaube nicht, daß Jean deiner Meinung ist. Aber selbst von deinem ach wie praktischen Standpunkt hat es doch noch einen Sinn. Du würdest doch auch den Aberglauben einer primitiven Rasse studieren, wenn du mit ihr zu tun hättest.“

„Vermutlich“, sagte George, nicht ganz überzeugt. Die Tischplatte war hart, deshalb erhob er sich. Rupert hatte jetzt die Getränke zu seiner Zufriedenheit gemixt und wollte zu den Gästen zurückkehren. Man konnte schon murrende Stimmen hören, die seine Anwesenheit verlangten.

„Halt!“ widersprach George, „ehe du verschwindest, habe ich noch eine andere Frage. Wie bist du zu dem Fernsehapparat gekommen, mit dem du uns zu erschrecken versuchtest?“

„Ein Zufallstreffer. Ich habe angedeutet, wie wertvoll ein solcher Apparat für eine Arbeit wie die meine sein würde, und Raschy hat meinen Vorschlag an die richtige Stelle weitergeleitet.“

„Verzeih, daß ich so dumm bin, aber was ist deine neue Arbeit? Ich vermute natürlich, daß sie irgend etwas mit Tieren zu tun hat.“

„Das stimmt. Ich bin Oberveterinär. Meine Praxis umfaßt etwa zehntausend Quadratkilometer Dschungel, und da meine Patienten nicht zu mir kommen, muß ich mich nach ihnen umsehen.“

„Das kann man eine Vollbeschäftigung nennen.“

„Oh, natürlich braucht man sich praktisch nicht um die kleinen Tiere zu kümmern, nur um Löwen, Elefanten, Rhinozerosse und so weiter. Jeden Morgen stelle ich die Apparate auf eine Höhe von etwa hundert Metern ein, setze mich vor den Bildschirm und durchquere die Gegend. Wenn ich ein krankes Tier finde, steige ich in mein Flugzeug und hoffe, daß ich auf diese Weise helfen kann. Manchmal ist es etwas schwierig. Bei Löwen und solchen Tieren ist es einfach, aber ein Rhinozeros aus der Luft mit einem Betäubungspfeil zu treffen, ist eine verteufelte Sache.“

„Rupert!“ schrie jemand aus dem Nebenzimmer.

„Da siehst du, was du angerichtet hast. Du bist schuld, daß ich meine Gäste vergessen habe. Hier, nimm dieses Tablett. Darauf sind die Cocktails mit Wermut, ich möchte nicht, daß sie verwechselt werden.“

Kurz vor Sonnenuntergang fand George seinen Weg aufs Dach hinauf. Aus mehreren Gründen hatte er leichte Kopfschmerzen und wollte dem Lärm und Trubel unten entfliehen. Jean, die viel besser tanzte als er, schien sich noch großartig zu amüsieren und weigerte sich, aufzubrechen. Das ärgerte George, der anfing, sich durch den Alkohol verliebt zu fühlen, und er beschloß, eine Weile allein unter den Sternen zu schmollen.

Man erreichte das Dach, indem man mit der Rolltreppe zum ersten Stock fuhr und dann die Wendeltreppe hinaufstieg, die um die Klimaanlage herumführte. Schließlich kam man durch eine Luke auf das breite flache Dach. An einem Ende war Ruperts Flugzeug geparkt; der mittlere Teil war ein Garten, der schon zu verwildern begann, und das übrige war einfach eine Beobachtungsplattform mit einigen Liegestühlen. George ließ sich in einem dieser Stühle nieder und betrachtete mit Herrscherblick die Umgebung. Er fühlte sich ganz als Herrscher aller Dinge, die er überblicken konnte.

Es war, bescheiden ausgedrückt, wirklich ein Anblick! Ruperts Haus war am Rande eines großen Beckens gebaut worden, das nach Osten in fünf Kilometer entfernte Sümpfe und Seen abfiel. Nach Westen zu war das Land flach, und der Dschungel reichte fast bis an Ruperts Hintertür. Aber hinter dem Dschungel, in einer Entfernung von mindestens fünfzig Kilometern, zog sich eine Gebirgskette wie eine große Mauer nach Norden und Süden hin. Ihre Gipfel waren mit Schnee bedeckt, und die Wolken darüber flammten einige Minuten wie Feuer, als die Sonne nach ihrer Tagesreise unterging. Während George zu jenen fer nen Welten hinüberblickte, empfand er einen Schauer, der ihn plötzlich nüchtern machte.