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„Wenn du erwartest, daß ich anfangen soll, auf einem Holzfeuer zu kochen oder mich in Felle zu hüllen, dann mußt du.“

„Oh, sei nicht so albern! Diese Erzählungen sind doch Unsinn. Die Kolonie hat alles, was für das zivilisierte Leben notwendig ist. Sie glauben nicht an unnötige Kinkerlitzchen, das ist alles. Übrigens ist es Jahre her, seit ich den Pazifik besucht habe. Es wird für uns beide ein netter Ausflug sein.“

„Darin bin ich deiner Meinung“, sagte Jean, „aber ich habe nicht die Absicht, unsern Sohn und Püppi zu polynesischen Wilden werden zu lassen.“

„Das wird nicht geschehen“, erwiderte George, „das kann ich dir versprechen.“

Er hatte recht, wenn auch nicht so, wie er es erwartet hatte.

„Wie Sie beim Ausflug bemerkt haben werden“, sagte der kleine Mann auf der andern Seite der Veranda, „besteht die Kolonie aus zwei Inseln, die durch einen Damm verbunden sind. Dies ist Athen, die andere Insel haben wir Sparta getauft. Sie ist ziemlich wild und bergig und wundervoll für Sport oder Wanderungen geeignet.“

Seine Augen glitten für einen Moment über die Gürtellinie seines Besuchers, und George beugte sich auf dem Rohrsessel leicht vor. „Sparta ist übrigens ein erloschener Vulkan. Wenigstens behaupten die Geologen, daß er erloschen ist, haha!

Aber zurück zu Athen. Der Gedanke der Kolonie ist, wie Sie wohl erraten haben, eine unabhängige, beständige kulturelle Gruppe mit eigenen künstlerischen Traditionen aufzubauen. Ich möchte daraufhinweisen, daß wesentliche Forschungen unternommen wurden, bevor wir dies Unternehmen begonnen haben. Es ist wirklich so etwas wie angewandte Sozialkunde, auf außerordentlich verwickelten Berechnungen beruhend, die zu verstehen ich mir nicht anmaßen würde. Ich weiß nur, daß die mathematischen Soziologen berechnet haben, wie groß die Kolonie sein müßte, wie viele Typen von Menschen sie einschließen sollte und vor allem, welche Verfassung sie haben muß, um langfristig Bestand zu haben.

Wir werden von einem Rat von acht Direktoren regiert, die Produktion, Kraftmittel, Sozialverwaltung, Kunst, Wirtschaft, Wissenschaft, Sport und Philosophie vertreten. Es gibt keinen ständigen Vorsitzenden oder Präsidenten. Dieses Amt wird von jedem der Direktoren der Reihe nach ein Jahr lang ausgeübt.

Unsere jetzige Bevölkerung beträgt etwas über fünfzigtausend, also etwas weniger als die gewünschte Höchstzahl. Deshalb sehen wir uns nach Zuwachs um. Und natürlich gibt es gewisse Verluste: Wir sind in bezug auf die spezialisierten Talente noch nicht ganz autark.

Hier auf dieser Insel versuchen wir, etwas von der Unabhängigkeit der Menschheit, ihre künstlerischen Überlieferungen, zu retten. Wir empfinden keine Feindschaft gegen die Overlords; wir wollen nur das Recht haben, unsern eigenen Weg zu gehen. Als sie die alten Nationen und die Lebensweise zerstörten, die der Mensch seit Beginn der Geschichte gekannt hat, haben sie mit den schlechten auch viele gute Dinge beseitigt. Die Welt ist jetzt ruhig, ohne charakteristische Merkmale und in kultureller Beziehung tot. Seit die Overlords gekommen sind, ist nichts wirklich Neues geschaffen worden. Die Ursache liegt auf der Hand. Es gibt nichts mehr, wofür man kämpfen muß, und es gibt zu viele Ablenkungen und Zerstreuungen. Sind Sie sich darüber klar, daß täglich etwa fünfhundert Stunden Rundfunk und Fernsehen durch die verschie denen Kanäle strömen? Wenn Sie nicht schliefen und nichts anderes täten, könnten Sie doch nur weniger als ein Zwanzigstel der Unterhaltung verfolgen, die bei einem Druck auf den Knopf verfügbar ist. Kein Wunder, daß die Menschen gleichgültige Schwämme werden, die alles aufnehmen, aber niemals etwas schaffen. Wußten Sie, daß die Menschen jetzt im Durchschnitt drei Stunden täglich fernsehen? Bald werden sie überhaupt nicht mehr ihr eigenes Leben leben. Es wird eine Vollbeschäftigung sein, die verschiedenen Familienserien im Fernsehen zu verfolgen.

Hier in Athen nimmt die Unterhaltung ihren angemessenen Platz ein. Außerdem ist sie Leben, nicht Konserve. In einer Gemeinschaft dieser Größe ist es möglich, eine fast vollständige Publikumsbeteiligung mit allem, was das für die Veranstalter und Künstler bedeutet, zu erreichen. Zum Beispiel haben wir ein sehr gutes Symphonieorchester, wahrscheinlich gehört es zu den fünf oder sechs besten der Welt.

Aber ich will nicht, daß Sie sich in all diesen Dingen auf mein Wort verlassen. Es geht meistens so vor sich, daß Anwärter einige Tage hier bleiben, um Fühlung zu gewinnen. Wenn sie beschließen, sich zu uns zu gesellen, müssen sie all die psychologischen Prüfungen über sich ergehen lassen, die in der Tat unsere Hauptverteidigung sind. Etwa ein Drittel der Bewerber wird abgelehnt, gewöhnlich aus Gründen, die kein schlechtes Licht auf sie werfen und außerhalb der Kolonie keine Rolle spielen würden. Diejenigen, die alle Prüfungen bestehen, begeben sich nach Hause, um ihre Angelegenheiten zu ordnen, und schließen sich uns dann wieder an. Zuweilen ändern sie in dieser Zeit ihren Entschluß, aber das kommt sehr selten vor und ist immer auf persönliche Gründe zurückzuführen, auf die sie keinen Einfluß haben. Unsere Prüfungen sind heute hundertprozentig verläßlich: Die Menschen, die sie bestehen, wollen wirklich herkommen.“

„Und wenn nun jemand später seine Meinung ändert?“ fragte Jean besorgt.

„Dann könnte er weggehen. Da gibt es keine Schwierigkeit. Es ist ein- oder zweimal vorgekommen.“

Ein langes Schweigen folgte. Jean sah George an, der sich nachdenklich die Bartkoteletten rieb, die augenblicklich in Künstlerkreisen beliebt waren. Jean war nicht übermäßig beunruhigt, solange sie ihre Schiffe nicht hinter sich verbrannten. Die Kolonie schien ein interessanter Ort zu sein und bestimmt nicht so närrisch, wie sie gefürchtet hatte. Und den Kindern würde es hier gefallen. Und schließlich kam es darauf in der Hauptsache an.

Sechs Wochen später zogen sie ein. Das einstöckige Haus war klein, aber völlig ausreichend für eine Familie, die nicht die Absicht hatte, sich über ihre vier Mitglieder hinaus zu vergrößern. Alle wichtigen arbeitssparenden Apparate waren vorhanden. Wenigstens gab Jean zu, daß keine Gefahr bestand, in die dunklen Zeitalter der häuslichen Plackerei zurückversetzt zu werden. Es war jedoch etwas störend, zu entdecken, daß eine Küche vorhanden war. In einer Gesellschaft von dieser Größe hätte man unter normalen Umständen erwarten müssen, daß man die Ernährungszentrale anriefe, fünf Minuten wartete und dann das Essen bekäme, das man bestellt hatte. Individualismus war ja sehr schön, aber dies könne doch die Dinge allzu weit treiben, fürchtete Jean. Sie überlegte mit düsteren Gefühlen, ob man wohl von ihr erwartete, daß sie die Bekleidung der Familie anfertigte, so wie sie die Mahlzeiten bereiten mußte. Aber es stand kein Spinnrad zwischen der selbsttätigen Abwaschmaschine und dem Radargerät, also ganz so schlimm war es wohl nicht.

Natürlich sah das Haus noch sehr kahl und nüchtern aus. Sie waren die ersten Bewohner, und es würde einige Zeit dauern, bis diese keimfreie Neuheit in ein warmes, menschliches Heim verwandelt war. Die Kinder würden zweifellos diesen Vorgang sehr wirksam beschleunigen.

Jean trat an das noch nicht mit Vorhängen versehene Fenster und blickte über die Kolonie hin. Es war ein schöner Ort, daran gab es keinen Zweifel. Das Haus stand am Westhang des niedrigen Hügels, der, in Ermangelung irgendwelcher Rivalen, die Insel Athen beherrschte. Zwei Kilometer weiter nördlich konnte sie den Damm sehen, eine schmale Messerschneide, die das Wasser teilte und nach Sparta führte. Jene felsige Insel mit ihrem brütenden Vulkankegel bildete einen solchen Gegensatz zu diesem friedlichen Fleck, daß es sie bisweilen erschreckte. Sie fragte sich, wie die Gelehrten so sicher sein konnten, daß der Vulkan niemals wieder erwachen und sie alle vernichten würde. Eine schwankende Gestalt, die den Hang heraufkam und sich sorgsam im Schatten der Palmen hielt, erregte ihre Aufmerksamkeit. George kehrte von seiner ersten Konferenz zurück. Es war Zeit, mit den Träumereien aufzuhören und sich um das Hauswesen zu kümmern.