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„Und möchten Sie“, fragte Dr. Sen, nicht imstande, dieser Gelegenheit zu widerstehen, „Ihr Reich loswerden, wenn die Zeit kommt?“

„Ohne jedes Zögern“, erwiderte der Inspektor.

Dr. Sen ging nicht weiter auf die Sache ein. Die Unumwundenheit der Antwort war nicht schmeichelhaft; außerdem waren sie jetzt bei der Akademie angekommen, wo die versammelten Pädagogen warteten, um ihre geistigen Fähigkeiten an einem wirklichen, lebenden Overlord zu schärfen.

„Wie unser hervorragender Kollege Ihnen gesagt haben wird“, bemerkte Professor Chance, Dekan an der Universität von NeuAthen, „ist es unsere Hauptaufgabe, den Geist unserer Menschen wachzuhalten und sie zu befähigen, alle ihre Möglichkeiten zu erkennen. Außerhalb dieser Insel“ — seine Handbewegung umschrieb die übrige Erdkugel — „hat die menschliche Rasse, fürchte ich, ihre Initiative verloren. Sie hat Frieden, sie hat Überfluß, aber sie hat keinen Horizont.“

„Aber hier, natürlich.?“ unterbrach ihn der Overlord sanft.

Professor Chance, der keinen Sinn für Humor hatte und sich dessen irgendwie bewußt war, sah seinen Besucher argwöhnisch an. „Hier“, fuhr er fort, „leiden wir nicht an der alten Anfechtung, daß Muße etwas Böses ist. Aber wir sind nicht der Meinung, daß es genügt, passive Empfänger von Unterhaltung zu sein.

Jeder einzelne auf dieser Insel hat seinen Ehrgeiz, der sich sehr einfach in Worte fassen läßt. Er besteht darin, irgend etwas, so klein es auch sein mag, besser zu machen als irgendein anderer. Natürlich ist das ein Ideal, das wir nicht alle erreichen. Aber in dieser modernen Welt ist die Hauptsache, ein Ideal zu haben. Es zu erreichen ist erheblich weniger wichtig.“

Der Inspektor schien nicht geneigt, hierzu etwas zu bemerken. Er hatte die Schutzbekleidung abgelegt, trug aber noch immer die dunkle Brille, selbst in dem gedämpften Licht des Versammlungsraums. Der Dekan fragte sich, ob sie notwendig oder bloße Tarnung wäre. Tatsächlich machte sie die ohnehin schwierige Aufgabe, die Gedanken des Overlords zu lesen, völlig unmöglich. Der Overlord schien jedoch keine Einwendungen gegen die etwas herausfordernden Erklärungen zu haben, die ihm vorgetragen worden waren, oder gegen die in ihnen enthaltene Kritik an der Politik seiner Rasse hinsichtlich der Erde.

Der Dekan war im Begriff, den Angriff fortzusetzen, als Professor Sperling, der Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung, beschloß, sich als Dritter in den Kampf einzumischen. „Wie Sie zweifellos wissen, mein Herr, war eines der großen Probleme unserer Kultur die Spaltung zwischen Kunst und Wissenschaft. Ich möchte sehr gerne Ihre Ansicht über diese Frage hören. Sind Sie der Meinung, daß alle Künstler anomal sind? Daß ihre Arbeit, oder auf jeden Fall der Antrieb dazu, das Ergebnis eines tiefwurzelnden seelischen Unbefriedigtseins ist?“

Professor Chance räusperte sich nachdrücklich, aber der Inspektor kam ihm zuvor. „Man hat mir gesagt, daß alle Menschen in gewissem Maße Künstler sind, so daß jeder fähig ist, irgend etwas zu schaffen, wenn auch nur in einem primitiven Stadium. Zum Beispiel ist mir gestern in Ihren Schulen aufgefallen, wieviel Wert auf den eigenen Ausdruck im Zeichnen, Malen und Modellieren gelegt wird. Der Antrieb dazu schien ganz allgemein zu sein, selbst unter denen, die offenbar bestimmt sind, wissenschaftliche Spezialisten zu werden. Wenn also alle Künstler anomal und alle Menschen Künstler sind, so haben wir eine interessante Schlußfolgerung.“

Alle warteten darauf, daß er den Satz vollende, aber wenn es ihren Zwecken diente, konnten die Overlords untadelig taktvoll sein.

Der Inspektor überstand das Symphoniekonzert glänzend, was erheblich mehr war, als man von vielen der menschlichen Zuhörer sagen konnte. Das einzige Zugeständnis an den Publikumsgeschmack war Strawinskis „Psalmensymphonie“ gewesen; das übrige Programm war aggressiv modernistisch. Wie man auch sonst darüber denken mochte — die Darbietung war hervorragend, denn der Stolz der Kolonie, einige der besten Musiker der Welt zu haben, war nicht unbegründet. Es hatte unter den Komponisten allerhand Streit um die Ehre gegeben, in das Programm aufgenommen zu werden, obwohl einige Zyniker bezweifelten, daß es überhaupt eine Ehre wäre. Da nichts über das Gegenteil bekannt war, schien es nicht ausgeschlossen, daß die Overlords überhaupt kein Ohr für Musik hatten.

Es wurde jedoch beobachtet, daß Thanthalteresco nach dem Konzert die drei Komponisten aufsuchte, die anwesend gewesen waren, und sie alle zu ihrer „großen Genialität“, wie er es nannte, beglückwünschte. Das veranlaßte sie, sich mit geschmeichelten, aber sehr verdutzten Mienen zurückzuziehen.

Erst am dritten Tage hatte George Greggson Gelegenheit, dem Inspektor zu begegnen. Das Theater hatte eine Art „gemischte Platte“ angerichtet statt eines einzelnen Gerichts: zwei Einakter, einen Sketch von einem weltberühmten Darsteller und ein Ballett. Auch diese Darbietungen wurden hervorragend durchgeführt, und die Prophezeiung eines Kritikers: „Jetzt werden wir wenigstens entdecken, ob die Overlords gähnen können“, erwies sich als falsch. Tatsächlich lachte der Inspektor mehrmals und an den richtigen Stellen.

Und doch konnte man es nicht bestimmt wissen. Vielleicht spielte er selbst eine glänzende Rolle vor und folgte der Aufführung nur mit der Logik, während seine eigenen seltsamen Empfindungen völlig unberührt blieben, so wie ein Anthropologe an einem primitiven Ritus teilnimmt. Die Tatsache, daß er die angemessenen Töne hervorbrachte und die erwarteten Antworten gab, bewies in Wirklichkeit überhaupt nichts.

Obwohl George entschlossen gewesen war, mit dem Inspektor zu sprechen, mißlang ihm das völlig. Nach der Aufführung wechselten sie einige Begrüßungsworte, dann wurde der Besucher weggedrängt. Es war völlig unmöglich, ihn von seiner Umgebung abzusondern, und George ging in größter Enttäuschung nach Hause. Er wußte keineswegs genau, was er sagen wollte, selbst wenn er die Gelegenheit gehabt hätte, aber irgendwie war er überzeugt, daß er das Gespräch auf Jeff hätte bringen können. Und jetzt war die Gelegenheit vorbeigegangen.

Seine schlechte Laune dauerte zwei Tage. Das Flugzeug des Inspektors war inmitten vieler Versicherungen gegenseitiger Freundschaft abgeflogen. Niemand hatte daran gedacht, Jeff zu fragen, und der Junge mußte lange überlegt haben, ehe er sich an George wandte.

„Paps“, sagte er kurz vor dem Schlafengehen, „du kennst den Overlord, der hier zu Besuch gewesen ist?“

„Ja“, erwiderte George grimmig.

„Er war in unserer Schule, und ich hörte ihn mit einigen der Lehrer sprechen. Ich habe nicht richtig verstanden, was er sagte, aber ich glaube, ich habe seine Stimme erkannt. Das ist der, der mir gesagt hat, daß ich weglaufen solle, als die große Flutwelle kam.“

„Weißt du das ganz bestimmt?“

Jeff zögerte einen Augenblick. „Nicht ganz. Aber wenn er es nicht war, so war es ein anderer Overlord. Ich überlegte, ob ich ihm danken solle. Aber jetzt ist er weg, nicht wahr?“

„Ja“, sagte George, „das fürchte ich. Aber vielleicht haben wir noch einmal eine andere Gelegenheit. Sei jetzt ein guter Junge, geh schlafen, und zerbrich dir den Kopf nicht mehr darüber.“

Als Jeff glücklich zu Bett gebracht und auch Jennifer versorgt war, kam Jean zurück, setzte sich auf den Teppich neben Georges Stuhl und lehnte sich gegen seine Beine. Das war eine Gewohnheit, die er ärgerlich sentimental fand, aber es lohnte nicht, deswegen Streit anzufangen. Er machte nur seine Knie so knochig wie möglich.

„Was denkst du jetzt darüber?“ fragte Jean mit müder, bedrückter Stimme. „Glaubst du, daß es wirklich geschehen ist?“