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Er war daheim, sah endlich wieder das funkelnde Licht seiner eigenen vertrauten Sonne, atmete die Luft, die zuerst durch seine Lungen geflutet war. Der Laufsteg war schon heruntergelassen, aber er mußte einen Augenblick warten, bis das Licht draußen ihn nicht mehr blendete.

Karellen stand etwas abseits von seinen Gefährten neben einem großen, mit Kisten beladenen Lastwagen. Jan wunderte sich nicht, daß er den Oberkontrolleur erkannte, noch war er überrascht, ihn völlig unverändert zu finden. Das war fast das einzige, was so war, wie er es sich vorgestellt hatte.

„Ich habe auf Sie gewartet“, sagte Karellen.

8

„Anfangs“, sagte Karellen, „konnten wir uns ruhig unter ihnen bewegen. Aber sie brauchten uns nicht mehr. Unsere Arbeit war getan, als wir sie zusammengeführt und ihnen einen eigenen Kontinent gegeben hatten. Sehen Sie!“

Die Wand vor Jan verschwand. Statt dessen blickte er von einer Höhe von einigen hundert Metern auf eine liebliche waldige Landschaft. Die Illusion war so vollendet, daß er gegen einen plötzlichen Schwindel ankämpfen mußte.

„Dies ist fünf Jahre später, als der zweite Abschnitt begonnen hatte.“

Dort unten bewegten sich Gestalten, und die Kamera stürzte sich wie ein Raubvogel auf sie.

„Es wird Sie quälen“, sagte Karellen. „Aber Sie müssen bedenken, daß Ihre Maßstäbe nicht mehr anwendbar sind. Sie betrachten keine menschlichen Kinder.“

Und doch war das der unmittelbare Eindruck, den Jan hatte, und keine Logik konnte ihn zerstreuen. Es konnten Wilde sein, die sich verworrenen rituellen Tänzen hingaben. Sie waren nackt und schmutzig, und wirre Haare verdeckten ihre Augen. Soviel Jan sehen konnte, waren alle Altersstufen von Fünf bis Fünfzehn vertreten, aber alle Kinder bewegten sich mit der gleichen Schnelligkeit, Genauigkeit und völligen Gleichgültigkeit gegen ihre Umgebung.

Dann sah Jan ihre Gesichter. Er schluckte heftig und zwang sich, nicht wegzusehen. Sie waren leerer als die Gesichter von Toten, denn selbst ein Leichnam trägt in seinem Gesicht Spuren, die der Meißel der Zeit eingegraben hat, und die zu einem sprechen, wenn auch die Lippen selbst verstummt sind. Diese Gesichter hatten nicht mehr Gefühl oder Ausdruck als die von Schlangen oder Insekten. Die Overlords selbst waren menschlicher als diese hier.

„Sie suchen nach etwas, was es nicht mehr gibt“, sagte Karellen. „Sie müssen bedenken, jene dort haben nicht mehr Persönlichkeit als die Zellen in Ihrem eigenen Körper. Aber zusammengefaßt sind sie etwas viel Größeres als Sie.“

„Warum bewegen sie sich so?“

„Wir haben es den Langen Tanz genannt“, erwiderte Karellen. „Sie schlafen nie, müssen Sie wissen, und dies hat fast ein Jahr gedauert. Dreihundert Millionen von ihnen bewegen sich in einem kontrollierten Muster über einen ganzen Kontinent. Wir haben dieses Muster endlos analysiert, aber es bedeutet nichts, vielleicht weil wir nur den körperlichen Teil davon sehen können, den kleinen Teil, der sich hier auf der Erde befindet. Vielleicht werden sie noch von dem, den wir den Übergeist genannt haben, geschult und zu einer einzigen Einheit geformt, bevor er sie ganz in sein Wesen aufnehmen kann.“

„Aber wie bekommen sie Nahrung? Und was geschieht, wenn sie auf Hindernisse wie Bäume, Felsblöcke oder Wasser stoßen?“

„Wasser macht ihnen nichts aus: Sie können nicht ertrinken. Wenn sie auf Hindernisse stießen, haben sie sich zuweilen verletzt, aber sie haben es nie bemerkt. Und was die Nahrung betrifft — nun, da war so viel Obst und Wild, wie sie brauchten. Aber jetzt haben sie dieses Bedürfnis hinter sich gelassen, wie so vieles andere auch. Denn Nahrung ist hauptsächlich eine Quelle der Energie, und sie haben größere Quellen benutzen gelernt.“

Das Bild zuckte, als wäre eine Hitzewelle darüber hingegangen. Als es wieder deutlich wurde, hatte die Bewegung unten aufgehört.

„Geben Sie wieder acht“, sagte Karellen. „Es ist drei Jahre später,“

Die kleinen Gestalten, die so hilflos und traurig wirkten, wenn man die Wahrheit nicht kannte, standen regungslos in Wäldern, auf Lichtungen und Ebenen. Die Kamera glitt rastlos von einem zum andern. Schon jetzt, dachte Jan, bekamen ihre Gesichter ein gemeinsames Gepräge. Er hatte einmal Fotos gesehen, die durch Übereinanderschichtung von Dutzenden von Aufnahmen entstan den waren, um ein Durchschnittsgesicht zu zeigen. Das Ergebnis war ebenso leer, so ohne jeden Charakter gewesen, wie diese Aufnahmen.

Sie schienen zu schlafen oder in Trance versenkt zu sein. Ihre Augen waren fest geschlossen, und sie schienen sich ihrer Umgebung ebensowenig bewußt wie die Bäume, unter denen sie standen. Welche Gedanken, fragte sich Jan, gingen durch das verwickelte Netz, in dem ihre Geister jetzt nicht mehr und doch nicht weniger waren als die einzelnen Fäden eines großen Gobelins? Eines Gobelins, der, wie er jetzt erkannte, viele Welten und viele Rassen umfaßte und immer noch größer wurde.

Es geschah mit einer Schnelligkeit, die das Auge blendete und das Hirn verwunderte. Eben jetzt schaute Jan noch auf eine schöne, fruchtbare Landschaft, die nichts Sonderbares an sich hatte außer den zahllosen kleinen Figuren, die, aber nicht aufs Geratewohl, weit und breit darüber verstreut waren. Und dann im nächsten Augenblick waren alle Bäume und Gräser, alle lebenden Geschöpfe, die dieses Land bewohnt hatten, weg und verschwunden. Übrig geblieben waren nur die stillen Seen, die gewundenen Flüsse, die wogenden braunen Hügel, die jetzt ihres grünen Teppichs entkleidet waren, und die schweigenden, gleichgültigen Gestalten, die all diese Zerstörung herbeigeführt hatten.

„Warum haben sie es getan?“ ächzte Jan.

„Vielleicht weil die Anwesenheit anderer Geister sie störte, selbst die kümmerlichen Geister von Pflanzen und Tieren. Eines Tages, nehmen wir an, werden sie die materielle Welt ebenfalls störend finden. Und wer weiß, was dann geschehen wird. Jetzt begreifen Sie, warum wir uns zurückzogen, als wir unsere Pflicht getan hatten. Wir versuchen noch immer, sie zu studieren, aber wir betreten ihr Land nie und schicken auch unsere Geräte nicht dorthin. Wir wagen nichts weiter zu tun, als sie vom Weltraum aus zu beobachten.“

„Das ist vor vielen Jahren geschehen“, sagte Jan. „Was hat sich seitdem ereignet?“

„Sehr wenig. Sie haben sich in der ganzen Zeit nie bewegt und kümmern sich nicht um Tag oder Nacht, um Sommer oder Winter. Sie erproben noch immer ihre Kräfte: Einige Flüsse haben ihren Lauf verändert, und einer fließt bergauf. Aber sie haben nichts getan, was irgendeinen Zweck zu haben scheint.“

„Und sie haben Sie völlig unbeachtet gelassen?“

„Ja, obwohl das nicht überraschend ist. Die — Einheit — von der sie ein Teil sind, weiß alles über uns. Sie scheint sich nicht darum zu kümmern, wenn wir sie zu studieren versuchen. Wenn sie wünscht, daß wir von hier fortgehen, oder wenn sie irgendwo eine neue Aufgabe für uns hat, wird sie uns ihre Wünsche sehr deutlich kundtun. Bis dahin werden wir hier bleiben, damit unsere Wissenschaftler so viele Kenntnisse sammeln können wie nur möglich.“

Das also, dachte Jan mit einer Ergebung, die jenseits aller Trauer lag, war das Ende des Menschen. Es war ein Ende, das kein Prophet je vorausgesehen hatte, ein Ende, das Optimismus und Pessimismus in gleicher Weise verwarf.

Dennoch war es würdig. Es hatte die erhabene Unvermeidlichkeit eines großen Kunstwerks. Jan hatte das Universum in all seiner furchtbaren Größe geschaut und wußte jetzt, daß es kein Ort für Menschen war. Er begriff endlich, wie vergeblich letzten Endes der Traum gewesen war, der ihn zu den Sternen gelockt hatte.

Denn der Weg zu den Sternen war eine Straße, die sich nach zwei Richtungen gabelte, und keine führte zu einem Ziel, das irgendeine Rücksicht auf menschliche Hoffnungen oder Befürchtungen nahm.