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Stormgren warf das Blatt verächtlich auf den Boden. Selbst wenn diese Behauptung zuträfe, würde das wirklich etwas ausmachen? Dieser Gedanke war alt, hatte ihn aber nie beunruhigt. Er glaubte nicht, daß es irgendeine biologische Form gäbe, an die er, so fremdartig sie auch sein mochte, sich nicht mit der Zeit gewöhnen und die er vielleicht sogar schön finden könnte. Auf den Geist, nicht auf den Körper kam es an. Wenn er Karellen nur hiervon überzeugen könnte, würden die Overlords vielleicht ihre Politik ändern. Sicherlich konnten sie nicht halb so häßlich sein wie die phantasievollen Zeichnungen, die bald nach ihrem Auftauchen über der Erde die Zeitungen gefüllt hatten.

Aber es war, das wußte Stormgren, nicht nur die Rücksicht auf seinen Nachfolger, die in ihm das Verlangen weckte, diese Lage der Dinge beendet zu sehen. Er war ehrlich genug, zuzugeben, daß letztlich sein Hauptbeweggrund einfach menschliche Neugier war. Er hatte Karellen als Persönlichkeit kennengelernt, aber er würde sich nie zufriedengeben, bis er nicht auch entdeckt hatte, was für eine Art Geschöpf er war.

Als Stormgren am nächsten Morgen nicht zu gewohnter Stunde erschien, war Pieter van Ryberg überrascht und etwas ärgerlich. Obwohl der General-Sekretär oft verschiedene Besuche machte, bevor er in sein Büro kam, gab er doch immer Nachricht, wenn dies der Fall war. An diesem Morgen nun waren, um die Sache noch schlimmer zu machen, mehrere dringende Nachrichten für Stormgren eingelaufen. Van Ryberg rief ein halbes Dutzend Abteilungen an, um ihn zu finden, gab es dann aber auf.

Gegen Mittag wurde er unruhig und schickte ein Auto zu Stormgrens Haus. Zehn Minuten später wurde er durch das Heulen einer Sirene erschreckt, und eine Polizeipatrouille kam die Roosevelt-Allee entlanggerast. Die Nachrichtenagenturen mußten in diesem Wagen Freunde gehabt haben, denn während van Ryberg das herankommende Auto betrachtete, meldete schon der Rundfunk der Welt, daß van Ryberg nicht mehr Stellvertreter, sondern amtierender Generalsekretär der Vereinten Nationen sei.

Hätte van Ryberg weniger zu tun gehabt, so hätte er es interessant gefunden, das Verhalten der Presse bei Stormgrens Verschwinden zu studieren. Während des vergangenen Monats hatten sich die Zeitungen der Welt in zwei scharf abgegrenzte Gruppen geteilt. Die westliche Presse billigte im ganzen Karellens Plan, alle Menschen zu Weltbürgern zu machen. Die östlichen Länder andererseits machten heftige, aber meist künstliche Anfälle von Nationalstolz durch. Einige von ihnen waren kaum länger als eine Generation unabhängig gewesen und glaubten, um ihre Errungenschaften betrogen worden zu sein. Die Kritik an den Overlords war weit verbreitet und sehr heftig: Nach einer Anfangszeit äußerster Vorsicht hatte die Presse schnell herausgefunden, daß sie gegen Karellen so grob auftreten konnte, wie sie wollte, ohne daß irgend etwas geschah. Jetzt übertraf sie sich selbst darin.

Die meisten Angriffe waren, obwohl sehr lautstark, nicht repräsentativ für die große Masse des Volkes. An den Grenzen, die bald für immer verschwunden sein würden, waren die Posten verdoppelt worden, aber die Soldaten betrachteten einander mit einer noch wortlosen Freundlichkeit. Die Politiker und Generäle mochten rasen und toben, aber die schweigend wartenden Millionen fühlten, daß nun endlich ein langes und blutiges Kapitel der Geschichte zum Abschluß kommen würde.

Und nun war Stormgren verschwunden, niemand wußte, wohin. Der Aufruhr legte sich plötzlich, als die Welt erkannte, daß sie den einzigen Mann verloren hatte, durch den die Overlords, aus ihren eigenen sonderbaren Beweggründen, zur Erde zu sprechen pflegten. Eine Lähmung schien Presse- und Radiokommentatoren zu befallen, aber in diesem Schweigen konnte man die Stimme der Freiheitsliga hören, die angstvoll ihre Unschuld beteuerte.

Es war völlig dunkel, als Stormgren erwachte. Einen Augenblick war er zu schläfrig, um sich bewußt zu werden, wie ungewöhnlich das war. Dann, seine Benommenheit abschüttelnd, setzte er sich mit einem Ruck auf und tastete unsicher nach dem Schalter neben seinem Bett.

In der Dunkelheit stieß seine Hand gegen eine kahle Steinwand, die sich kalt anfühlte. Er begann sofort zu frösteln, da Geist und Körper durch die Berührung mit dem Unerwarteten gelähmt wurden. Er konnte seinen Sinnen kaum trauen, kniete sich im Bett hin und begann mit seinen Fingerspitzen die erschreckend unbekannte Wand abzutasten.

Er hatte das nur einen Augenblick lang getan, als plötzlich ein Knacken ertönte und ein Stück der Dunkelheit erhellt wurde. Er sah die Umrisse eines Mannes vor dem mattbeleuchteten Hintergrund. Dann schloß sich die Tür wieder, und die Dunkelheit kehrte zurück. Alles geschah so schnell, daß er keine Möglichkeit hatte, etwas von dem Raum zu sehen, in dem er lag.

Einen Augenblick später wurde er von dem Licht einer starken Taschenlampe geblendet. Der Strahl glitt über sein Gesicht und hielt ihn einen Augenblick fest, dann beleuchtete er das ganze Bett, das, wie er jetzt sah, nur eine auf rohen Brettern liegende Matratze war.

Aus der Dunkelheit sprach ihn eine leise Stimme in ausgezeichnetem Englisch an, aber mit einem Akzent, den Stormgren zunächst nicht erkannte.

,Ah, Herr Generalsekretär, ich freue mich, daß Sie erwacht sind. Hoffentlich fühlen Sie sich völlig wohl.“

In diesem letzten Satz lag etwas, was Stormgrens Aufmerksamkeit erregte, so daß die ärgerlichen Fragen, die er hatte stellen wollen, auf seinen Lippen erstarben. Er starrte in die Dunkelheit und sagte dann ruhig: „Wie lange bin ich bewußtlos gewesen?“

Der andere lachte. „Mehrere Tage. Man hatte uns versichert, es würde keine Nachwirkungen haben. Ich freue mich, zu sehen, daß es zutrifft.“

Teils um Zeit zu gewinnen, teils um seine eigenen Reaktionen zu prüfen, schwang Stormgren die Beine über den Bettrand. Er hatte noch seinen Schlafanzug an, der aber zerknüllt war und ziemlich schmutzig geworden zu sein schien. Als er sich bewegte, spürte er einen leichten Schwindel, nicht stark genug, um unan genehm zu sein, aber genügend, um ihn zu überzeugen, daß er wirklich betäubt worden war.

Er kehrte sich dem Licht zu. „Wo bin ich?“ fragte er scharf. „Weiß Wainwright hierüber Bescheid?“

„Regen Sie sich nicht auf“, erwiderte die schattenhafte Gestalt. „Wir wollen noch nicht über solche Dinge sprechen. Ich nehme an, daß Sie sehr hungrig sind. Ziehen Sie sich an, und kommen Sie mit zum Essen.“

Das Oval des Lichts glitt durch den Raum, und zum erstenmal bekam Stormgren eine Vorstellung von seinen Ausmaßen. Es war kaum ein Zimmer, denn die Wände schienen aus kahlen, grob behauenen Felsen zu bestehen. Er begriff, daß er sich unter der Erde befand, vielleicht in großer Tiefe.

Der Schein der Taschenlampe beleuchtete einen Stapel Kleider, die auf einer Kiste lagen. „Dies dürfte für Sie genügen“, sagte die Stimme aus der Dunkelheit. „Wäsche ist hier ein ziemliches Problem, wir haben also einige von Ihren Anzügen und ein halbes Dutzend Hemden hergebracht.“

„Das“, sagte Stormgren trocken, „war sehr rücksichtsvoll von Ihnen.“

„Wir bedauern, daß hier keine Möbel und kein elektrisches Licht vorhanden sind. Dieser Ort ist in gewisser Weise sehr geeignet, aber ihm fehlen die Annehmlichkeiten.“

„Geeignet wofür?“ fragte Stormgren, während er ein Hemd anzog. Es war ein seltsam beruhigendes Gefühl, den bekannten Stoff zu berühren.