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„Was beabsichtigen Sie mit mir zu tun?“ fragte Stormgren endlich, „bin ich eine Geisel, oder was?“

„Beunruhigen Sie sich nicht — wir kümmern uns um Sie. In wenigen Tagen erwarten wir einige Besucher, und bis dahin werden wir Sie unterhalten, so gut wir können.“ Er fügte ein paar Worte in seiner eigenen Sprache hinzu, und einer der andern zog ein funkelnagelneues Spiel Karten aus der Tasche.

„Wir haben die Karten eigens für Sie gekauft“, erklärte Joe. „Ich habe neulich in der ›Time‹ gelesen, daß Sie ein guter Pokerspieler sind.“ Seine Stimme wurde plötzlich ernst. „Ich hoffe, Sie haben genügend Geld in Ihrer Brieftasche“, sagte er besorgt. „Wir haben gar nicht daran gedacht, nachzusehen. Schließlich können wir ja nicht gut Schecks annehmen.“

Völlig überwältigt starrte Stormgren seine Wächter an. Plötzlich kam ihm die Komik der Situation zu Bewußtsein, und er hatte auf einmal das Gefühl, als wären ihm alle Sorgen und Mühen seines Amtes von den Schultern genommen. Von jetzt an mußte van Ryberg sich bewähren. Stormgren selbst konnte absolut nichts dabei tun, was auch geschehen mochte, und nun warteten diese phantastischen Verbrecher unruhig darauf, mit ihm Poker zu spielen.

Plötzlich warf er den Kopf zurück und lachte, wie er es seit Jahren nicht getan hatte.

Ohne Zweifel, dachte van Ryberg verdrießlich, sagte Wainwright die Wahrheit. Er mochte seine Vermutungen haben, aber er wußte nicht, wer Stormgren entführt hatte. Auch billigte er diese Entführung nicht. Van Ryberg vermutete, daß seit einiger Zeit Extremisten in der Freiheitsliga einen Druck auf Wainwright ausgeübt hatten, um ihn zu einer aktiveren Politik zu veranlassen. Jetzt hatten sie die Sache in ihre eigene Hand genommen.

Die Entführung war großartig organisiert gewesen, daran bestand kein Zweifel. Stormgren konnte sich überall auf der Erde befinden, und die Hoffnung, ihn aufzuspüren, schien gering. Aber irgend etwas mußte getan werden, sagte sich van Ryberg, und zwar schnell. Ungeachtet der Witze, die er so oft gemacht hatte, war sein wirkliches Gefühl Karellen gegenüber eine tiefe Ehrfurcht. Der Gedanke, dem Oberkontrolleur zu begegnen, erfüllte ihn mit Bestürzung, aber es gab offenbar keinen Ausweg.

Die Nachrichtenabteilung nahm den ganzen obersten Stock des großen Gebäudes ein. Reihen von Fernschreibern, von denen einige stillstanden, andere eifrig tickten, zogen sich durch die Räume. Durch sie glitten endlose Ströme von Statistiken: Produktionszahlen, Steuereinnahmen, und die ganze Buchführung eines weltwirtschaftlichen Systems. Irgendwo oben in Karellens Schiff mußte sich das Gegenstück zu diesem großen Raum befinden, und van Ryberg fragte sich mit einem leisen Schauder, was für Gestalten sich dort hin und her bewegen mochten, um die Botschaften aufzunehmen, die von der Erde an die Overlords geschickt wurden.

Aber heute hatte er kein Interesse für diese Maschinen und ihre gewohnheitsmäßige Arbeit. Er ging in das kleine Privatzimmer, das nur Stormgren zu betreten pflegte. Auf Rybergs Anweisung hatte man das Schloß geöffnet, und der Leiter der Nachrichtenabteilung wartete dort auf ihn.

„Es ist ein gewöhnlicher Fernschreiber mit der üblichen Tastatur“, wurde ihm erklärt. „Dort ist auch ein Apparat, mit dem Sie Bilder oder Tabellen übermitteln können. Aber Sie sagten, Sie würden das nicht brauchen.“

Van Ryberg nickte zerstreut. „Das ist alles. Danke“, bemerkte er. „Ich glaube nicht, daß ich sehr lange hier bleiben werde. Schließen Sie dann den Raum wieder ab, und geben Sie mir alle Schlüssel.“

Er wartete, bis der Nachrichtenmann gegangen war, und setzte sich dann an den Apparat. Er wurde, wie er wußte, sehr selten benutzt, da fast alle geschäftlichen Angelegenheiten von Karellen und Stormgren bei ihren wöchentlichen Zusammenkünften besprochen worden waren. Da hier jedoch eine dringende Sache vorlag, erwartete er rasche Antwort.

Nach kurzem Zögern begann er mit ungeübten Fingern seine Botschaft zu tippen. Der Apparat schnurrte leise, und die Worte leuchteten einige Sekunden auf dem verdunkelten Bildschirm. Dann lehnte van Ryberg sich zurück und wartete auf die Antwort.

Kaum eine Minute später begann der Apparat wieder zu schnurren. Nicht zum erstenmal fragte sich van Ryberg, ob der Oberkontrolleur jemals schlafe.

Die Nachricht war ebenso kurz wie nutzlos.

„Keine Information. Überlasse Angelegenheiten ganz Ihrer Umsicht. K.“ Ziemlich erbittert und ohne jede Befriedigung wurde sich van Ryberg darüber klar, wieviel Macht man ihm übertragen hatte.

In den vergangenen drei Tagen hatte Stormgren seine Wächter sehr sorgfältig analysiert. Joe war der einzige von einiger Bedeutung, die andern waren Nullen, jener Ausschuß, den jede illegale Bewegung an sich zu ziehen pflegt. Die Ideale der Freiheitsliga bedeuteten ihnen nichts: Ihre einzige Sorge war, sich mit möglichst wenig Arbeit den Lebensunterhalt zu verdienen.

Joe war eine viel kompliziertere Persönlichkeit, obwohl er Stormgren bisweilen an ein zu groß geratenes Kind erinnerte. Ihre unendlichen Pokerspiele waren mit heftigen politischen Streitigkeiten durchsetzt, und Stormgren erkannte bald, daß der riesige Pole niemals ernsthaft über die Sache nachgedacht hatte, für die er kämpfte. Gefühle und extremer Konservativismus verschleierten all seine Urteile. Der lange Kampf seines Landes um die Unabhängigkeit hatte sein Wesen so völlig bestimmt, daß er noch immer in der Vergangenheit lebte. Er war ein malerisches Überbleibsel, einer von denen, die mit einer geordneten Lebensweise nichts anzufangen wußten. Wenn sein Typ verschwände, falls das jemals der Fall sein sollte, so würde die Erde sicherer, aber weniger interessant sein.

Es gab für Stormgren jetzt kaum einen Zweifel, daß es Karellen nicht gelungen war, ihn aufzuspüren. Stormgren hatte versucht, seine Wächter zu bluffen. Er glaubte aber mit Sicherheit, daß sie ihn hier festhielten, um zu sehen, ob Karellen eingreifen würde, und da nichts geschehen war, konnten sie jetzt ihre Pläne weiterführen.

Stormgren war nicht überrascht, als Joe ihm wenige Tage später mitteilte, daß Besucher zu erwarten seien. Eine Zeitlang hatte die kleine Gruppe eine wachsende Nervosität an den Tag gelegt, und der Gefangene vermutete, daß die Führer der Bewegung, nachdem sie gesehen hatten, daß die Luft rein war, ihn endlich aufsuchen würden.

Sie warteten bereits, um den wackeligen Tisch versammelt, als Joe Stormgren höflich in den Wohnraum führte. Dieser stellte belustigt fest, daß sein Wächter sehr auffallend eine riesige Pistole trug, die vorher nie in Erscheinung getreten war. Die beiden Banditen waren verschwunden, und auch Joe erschien etwas gemäßigter. Stormgren konnte sofort sehen, daß er jetzt Männern viel höherer Beschaffenheit gegenüberstand, und die versammelte Gruppe erinnerte ihn stark an ein Bild, das er einmal von Lenin und seinen Genossen in den ersten Tagen der russischen Revolution gesehen hatte. In diesen sechs Männern hier steckte die gleiche intellektuelle Kraft, Rücksichtslosigkeit und eiserne Entschlossenheit. Joe und seinesgleichen waren harmlos; hier waren die wirklichen Gehirne der Organisation.

Mit einem kurzen Kopfnicken ging Stormgren zu dem einzigen freien Stuhl und versuchte, selbstbeherrscht auszusehen. Als er sich näherte, beugte sich der ältere, dickliche Mann an der andern Seite des Tisches vor und sah ihn mit durchbohrenden grauen Augen an. Sie waren Stormgren so unbehaglich, daß er zu sprechen begann, was er nicht beabsichtigt hatte.