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Vatrenus schüttelte noch verwirrter den Kopf. »Bist du dir klar darüber, was du da sagst? Selbst wenn das wahr wäre, sind die Soldaten mittlerweile doch uralt, haben weiße Barte und längst keine Zähne mehr.«

»Meinst du?« antwortete Ambrosinus ironisch. »Sie sind ebenso alt wie du, Vatrenus, und du, Aurelius. Sie haben das Alter abgehärteter, ungebeugter Veteranen. Ich weiß, daß euch das alles absurd vorkommen mag, doch hört auf mich, um Gottes willen! Ihr werdet erhalten, was ihr begehrt. Sicher könnt ihr euer Leben an einem friedlichen Ort verbringen, ich werde euch selbst dorthin führen. Ein fruchtbares, verstecktes Tal, ein richtiges kleines Paradies, durch das ein kristallklarer Bach fließt. Kurz, ein Ort, an dem ihr von der Jagd und vom Fischfang leben könnt und auch die Frauen bekommt, die ihr begehrt. Ihr müßt nur mit den Nomaden verhandeln, die jedes Jahr dort mit ihren Herden vorüberziehen. Doch müßt ihr erst euer Werk zu Ende bringen, wie ihr es mir und dem Knaben versprochen habt. Weiter verlange ich nichts von euch. Begleitet uns bis zu dem befestigten Lager, das unser endgültiges Ziel sein wird, anschließend könnt ihr ganz nach Belieben eure eigenen Entscheidungen treffen. Und ich verspreche euch, alles zu tun, was in meiner Macht steht, um euch dabei zu unterstützen.«

Aurelius wandte sich an seine Kameraden: »Ihr habt es vernommen. Unsere Aufgabe ist es, den Kaiser zu seiner Legion zu führen, sofern es diese noch gibt. Danach sind wir von unserer Verpflichtung entbunden. Vielleicht können wir unter seinem Befehl weiterdienen, oder wir nehmen unseren verdienten Abschied.«

»Und wenn es sie nicht mehr gibt?« fragte Livia, die bis zu diesem Moment geschwiegen hatte. »Was tun wir dann? Sollen wir ihn seinem Schicksal überlassen? Vielleicht auseinanderlaufen, der eine hierhin, der andere dorthin, oder bleiben wir alle gemeinsam an diesem herrlichen Ort, den uns Ambrosinus beschrieben hat?«

»Wenn es diese Legion nicht mehr gibt, steht es euch frei zu tun und zu lassen, was ihr wollt. Auch du, mein Sohn«, sagte Ambrosinus zu Romulus gewandt. »Du kannst mit ihnen zusammen leben, falls sie sich zum Verweilen entscheiden, was ich mir sehnlichst erhoffe. Dann kannst du in Frieden zu einem Mann heranwachsen, vielleicht ein Hirte, ein Jäger oder Bauer werden, das eben, was dir am meisten zusagt. Doch bin ich sicher, daß Gott dir ein anderes Schicksal zuerkannt hat, der diese Männer und auch diese Frau zum Instrument deines Schicksals erwählte, ganz so, wie auch mir es vergönnt ist. Was wir erlebten, entsprang nicht dem Zufall. Daß es uns gelang, so viele Herausforderungen zu bestehen, auch wenn es kaum möglich schien, geht weit über das menschliche Maß hinaus. Hier offenbart sich die Hand Gottes, gleich an welchen Gott ihr auch immer glauben mögt. Sie hat uns gelenkt und wird uns auch weiterhin lenken, bis sich seine Pläne erfüllt haben.«

Aurelius betrachtete seine Gefährten einen nach dem anderen, dann richtete er voll tiefen Gefühls seinen Blick auf Livia, damit sie die Leidenschaft in seinem Inneren erkannte, die so oft von der Angst und Zerrissenheit seines Herzens erstickt worden war. Und alle gaben ihm eine unmißverständliche Antwort, auch wenn sie nicht laut ausgesprochen wurde.

»Wir werden euch nicht allein lassen«, sagte er. »Weder vor noch nach diesem wahnsinnigen Unternehmen. Auch finden wir sicher eine Möglichkeit, um unser Leben gemeinsam zu verbringen. Der Tod hat uns so viele Male verschont, also ist es nur recht und billig, eines Tages das zu genießen, was uns vom Leben noch übrigbleibt, sei es nun kurz oder lang.«

Er erhob sich und ging davon, da er, wie er deutlich fühlte, dem leidenschaftlichen Aufruhr in seinem Inneren nicht mehr Herr wurde. Dazu waren seit einiger Zeit die Alpträume und Bilder zurückgekehrt, die ihn seit Jahren quälten, auch die schmerzhaften Stiche in seinem Kopf traten wieder häufiger auf und verdunkelten manches Mal seine Fähigkeit, sich und seine Gefühle zum Ausdruck zu bringen. Vor allem gegenüber Livia. Ihm war, als sei der Kreis seines Lebens dabei, sich zu schließen, als müßte er hier, an den äußersten Grenzen der Welt, Rechenschaft ablegen gegenüber dem Schicksal und auch sich selbst.

Ambrosinus wartete, bis das Feuer verlöschte und alle sich niedergelegt hatten, dann ging er zu ihm. »Laß den Mut nicht sinken, ich bitte dich«, sagte er zu ihm. »Hab Vertrauen. Und vergiß nicht, die größten Unternehmungen wurden immer nur von einer Handvoll von Helden vollbracht.«

»Ich bin kein Held«, antwortete er, ohne sich auch nur umzudrehen. »Und das weißt du.«

In dieser Nacht schneite es, und das war der letzte Schnee in diesem Winter. Von da an marschierten sie im Schein der Sonne, unter einem Himmel, dessen Wolken so rein und weiß waren wie das Fell der Lämmer, die zum erstenmal mit den Herden auf die Weide gingen. Und mit jedem Tag, der verstrich, erblühten an den Südhängen noch mehr Veilchen und Margeriten als zuvor. Dann endlich hielt Ambrosinus eines Tages am Fuß eines Hügels an und stieg von seinem Maulesel. Er ergriff seinen Wanderstab, der aussah wie der eines Pilgers, und stieg unter aller Augen hinauf bis zur Spitze. Oben wandte er sich um und rief: »Kommt! Worauf wartet ihr? Los, nun macht schon!«

Verschwitzt und keuchend erreichte Romulus ihn als erster, ihm folgten Livia, Aurelius und Vatrenus und all die anderen. Vor ihnen, in ein paar Meilen Entfernung, erstreckte sich der Große Wall wie ein mächtiger steinerner Gürtel von einer Seite des Horizonts bis zur anderen, lediglich von wenigen Türmen und Kastellen unterbrochen. Unten, zu ihrer Rechten, glänzte nicht weit von ihnen das Wasser eines kleinen Sees klar und durchsichtig wie die Luft, in dessen Mitte man einen mit Moos begrünten Felsen erkennen konnte. Weiter hinten im Osten leuchtete der Gipfel eines Berges, der noch eine Schneehaube trug, und dahinter war auf einem Felsen ein verschanztes Lager zu sehen. Hingerissen betrachtete Ambrosinus diesen großartigen Anblick. Sein Blick schweifte über die riesige, in gewundenen Linien verlaufende Befestigungsanlage, die ein Meer mit dem anderen verband, schweifte dann von dem See zu dem Gipfel des Berges, bis er zuletzt auf das Lager fiel, das ebenso grau wie der Felsen war. Er sagte: »Wir sind angekommen, mein Sohn und meine Freunde, unsere Reise ist zu Ende. Das hier ist der Große Wall, der sich über das ganze Land erstreckt. Dort seht ihr den Mons Badonicus und hier, zu unseren Füßen, den Lacus Virginis, den Jungfrauensee, von dem es heißt, daß ihn eine Wassernymphe bewohnt. Und dort oben, fast völlig in den Felskörper eingegraben, verbirgt sich das Feldlager der letzten Legion Britanniens. Die Drachenfestung!«

XXXIII

Sie ritten hinab in das menschenleere Tal und dann den Weg auf die Festung zu, die jetzt weiter entfernt zu sein schien, als es vom Gipfel des Hügels ausgesehen hatte. Dabei kamen sie an dem kleinen See von bezaubernder Schönheit vorbei, dessen felsiges Becken von schwarzen, weißen und braunen Kieselsteinen umsäumt war, die im Schleier des transparenten Wassers funkelten und in Richtung des Hügels, auf dem sich die Festung erhob, zunehmend mehr wurden. Es war kein besonders hoher Hügel, der in einer Felsplattform endete.

»Der innere Bereich des Lagers«, erklärte Ambrosinus, »wurde aus dem Felsen herausgegraben, so daß eine ebene Fläche entstand, auf der die Unterkünfte für Truppen, Pferde und Ausrüstungen errichtet werden konnten. Und rings um den Felsen wurde eine Trockenmauer erbaut und darauf die Palisade mit den Wachtürmen.«

»Du scheinst dies alles sehr gut zu kennen«, sagte Aurelius.

»Gewiß«, antwortete Ambrosinus. »Ich habe hier lange Zeit als Arzt und Berater des Kommandanten Paullinus gelebt.«