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»Carvetia ... ist das denn die Möglichkeit! Warum nach Carvetia? Er hat diese Stadt niemals angetastet, da sie ihm von Nutzen ist, außerdem haben sich ihm fast alle einflußreicheren Männer unterworfen. Das ergibt keinen Sinn, überhaupt keinen Sinn ...« Schweigend überlegte er ein paar Augenblicke, dann redete er weiter: »Hör zu, natürlich weiß ich, daß du sehr müde bist, aber ich bitte dich noch um einen letzten Gefallen. Geh hinunter zur alten römischen Mole und sprich mit Oribasius, dem Fischer. Er ist einer meiner Männer. Sag ihm, er soll sich bereithalten, morgen bei Sonnenaufgang auszulaufen, mit Vorräten an Bord und Wasser in Hülle und Fülle. Soviel er nur laden kann. Und nun geh!«

Wieder stieg der Mann in den Sattel und ritt im Galopp davon, während Kustennin nach oben ging, um seine Frau zu benachrichtigen: »Leider gibt es schlechte Nachrichten. Wortigerns Männer sind hierher unterwegs, und ich fürchte, daß Ambrosinus in großer Gefahr ist. Vielleicht war es seine Ansprache, die dieses aberwitzige Unternehmen herbeigeführt hat. Ich muß gehen und ihn warnen, denn ich werde nicht zulassen, daß dieser alte Verrückte sich selbst und den armen Jungen ins Verderben stürzt, ganz zu schweigen von seinen übrigen Gefährten. Die müssen ebenfalls alle verrückt sein, wenn sie ihm von Italien bis hierher Gefolgschaft leisteten.«

»Es wird doch schon bald dunkel«, klagte Egeria. »Ist das nicht gefährlich?«

»Ich muß zu ihnen, sonst könnte ich diese Nacht nicht ruhig schlafen.«

»Vater, kann ich auch mitkommen? Ich bitte dich«, flehte ihn Ygraine an.

»Das kommt überhaupt nicht in Frage«, sagte Egeria. »Du wirst noch andere Gelegenheiten haben, deinen jungen römischen Freund zu sehen.« Ygraine errötete und verließ verärgert den Raum.

Seufzend begleitete Egeria ihren Mann zur Tür, dann blieb sie gedankenverloren stehen und lauschte dem Geräusch seiner Schritte die Treppe hinunter und durch den Innenhof.

Kustennin suchte sich aus seinen Stallungen den schnellsten Schimmel aus. Er sprang in den Sattel, während die Knechte das Tor öffneten, und gab ihm die Sporen, so daß er hinaus in die Landschaft schoß, die von den letzten feurigen Strahlen des Sonnenuntergangs rot erglänzte.

Vor ihm tauchte die Festung auf der Spitze des Hügels auf, der hoch über das Tal und den See ragte. Blitzschnell wanderte sein Blick zu der Standarte, die auf dem höchsten Turm flatterte. Sie zeigte den Drachen der alten sarmatischen Hilfskohorte, die einst über den Großen Wall wachte und dann die Standarte seiner Legion geworden war. Von innen drang eine dünne Rauchsäule empor, die von Leben in diesen alten Mauern zeugte. Plötzlich öffnete sich das Tor. Im Schritt ritt er in den Hof, wo ihn Ambrosinus gerührt umarmte und seinen Gefährten vorstellte: »Schon einmal habt ihr meinen alten Freund Kustennin gesehen, einst der dux bellorum et magister militum Konstantinus, wie ihn die Römer bezeichneten, der liebste und tapferste meiner britannischen Freunde, der jetzt, wie ich hoffe, gekommen ist, um ein wenig bei uns zu verweilen.«

Über einem großen Holzfeuer röstete ein Reh, von dem sich die Männer mit der Spitze ihrer Schwerter die schon durchgebratenen äußeren Stücke abschnitten. Livia hatte noch Bogen und Köcher neben sich liegen, mit denen sie das Wild erlegt hatte. Alle waren sie fröhlich, und Kustennin krampfte es das Herz zusammen bei dem Gedanken, was er ihnen in Kürze mitzuteilen hätte.

»Nimm Platz«, sagte Ambrosinus zu ihm. »Iß, es ist genug da.«

»Es bleibt keine Zeit«, antwortete Kustennin, »ihr müßt hier weg. Ich habe sichere Informationen, daß Wortigern an der Spitze von zweihundert Panzerreitern nach Carvetia unterwegs ist. Schon morgen abend könnte er hiersein.«

»Wortigern?« fragte Ambrosinus erstaunt. »Der ist doch viel zu alt. Der kann sich ja nicht einmal mehr im Sattel halten, selbst wenn man ihn festbände.«

»Du hast recht. Auch ich kann die Geschichte kaum glauben, die mir einer meiner Informanten erzählt hat. Er phantasierte, der Tyrann habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen. Er sei vom Satan besessen, der ihm seine Jugend und auch seine jugendliche Kraft wiedergegeben habe. Darüber hinaus hätte er für ihn ein so phantastisches Schwert geschmiedet, wie man noch keines sah.«

Aurelius trat zu ihm. »Woher weiß der Mann so genau, daß es sich um Wortigern handelt?«

»Wegen der goldenen Maske, die seit mehr als zehn Jahren sein Gesicht bedeckt, wegen seiner langen schlohweißen Haare und der kraftvollen, jugendlichen Stimme.«

»Du hast von einem Schwert gesprochen ...«, hakte Aurelius nach.

»Ja. Er hat es genau gesehen, aus der Nähe. Eine Klinge so blank wie Kristall und der Griff in der Form eines Adlerkopfes aus purem Gold ...«

Aurelius erbleichte. »Bei den mächtigen Göttern!« rief er aus. »Das ist nicht Wortigern, das ist Wulfila! Und er will uns.«

Sie sahen ihn völlig entgeistert an.

»Um wen auch immer es sich handelt«, erwiderte Kustennin, »ihr müßt gehen. Selbst im besten Falle werden sie in den nächsten beiden Tagen hiersein. Hört mich an, morgen bei Sonnenaufgang bringe ich meine Familie auf einem Schiff, das nach Irland fährt, in Sicherheit. Es ist noch Platz für zwei oder vielleicht drei Personen vorhanden. Myrdin, der Junge und das Mädchen. Ich weiß nicht ... aber das ist alles, was ich für euch tun kann.«

Aurelius seufzte tief auf und richtete seine glänzenden Augen auf Ambrosinus. »Vielleicht hat dein Freund recht«, sagte er. »Das ist das einzig Richtige, was uns zu tun bleibt. Wir können nicht bis in alle Ewigkeit davonlaufen, da wir bereits an die äußersten Grenzen der Welt gekommen sind. Schluß damit, wir müssen uns trennen. Alle zusammen ziehen wir nur unsere Feinde und Gegner an. Wir können nirgendwo mehr hingehen. Fahrt ihr, du, der Junge und Livia, ich beschwöre dich. Bringt euch in Sicherheit. Kein Schwert ist jetzt noch imstande, den Cäsar zu schützen.«

Mit tränenerfüllten Augen blickte ihn Romulus an, als könne er nicht glauben, was er da gehört hatte. Doch Ambrosinus protestierte: »Nein!« rief er aus. »So darf das nicht enden. Die Prophezeiung lügt nicht, dessen bin ich mir sicher. Also müssen wir bleiben, um jeden Preis!«

Livia wechselte einen langen Blick mit Aurelius, dann wandte sie sich an Ambrosinus. »Du mußt dich den Tatsachen fügen«, sagte sie zu ihm, »und der traurigen Realität. Wenn wir hierbleiben, werden wir alle sterben. Auch er wird sterben.«

Dann sprach sie zu den anderen: »Du, Vatrenus, was meinst du dazu?«

»Ich finde, es stimmt, was ihr gesagt habt. Sich zu verbeißen, ist nicht sinnvoll. Bringen wir den Jungen mit seinem Meister in Sicherheit. Wir anderen werden irgendwie einen Weg finden ...«

»Orosius? Demetrios?«

Die beiden nickten.

»Batiatus?«

Verstört blickte der Riese um sich, als könne er einfach nicht glauben, daß dieses schreckliche, aber so wunderbare Abenteuer nun beendet sein sollte und seine große Familie - die einzige, die er je kennengelernt hatte - dabei war, sich aufzulösen. Er senkte den Kopf, um seine Tränen zu verbergen, und die anderen hielten diese Geste für ein zustimmendes Nicken.

»Nun ... ich glaube, dann ist es beschlossene Sache«, schloß Livia. »Jetzt müssen wir versuchen, noch ein wenig Ruhe zu finden. Morgen steht uns allen ein mühevoller Weg bevor, ganz gleich, welche Richtung ein jeder von uns auch einschlagen mag.«