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Aurelius sprach als erster. »Ich habe lange nachgedacht«, sagte er. »Ich bleibe.«

»Was?« erwiderte Vatrenus. »Bist du verrückt geworden?«

»Wenn er bleibt, bleibe ich auch«, antwortete Batiatus und befestigte Schwert und Doppelaxt an seinem Gürtel.

»Verstehe«, stimmte Demetrios zu. »Wir bleiben also und decken die Flucht von Romulus und Ambrosinus. Das ist gut so.«

»Das ist gut so«, wiederholte Orosius. »Wenigstens kann sich Livia retten.«

In diesem Augenblick erschien die junge Frau, angetan mit ihrer engen Amazonenkleidung; sie hatte den Bogen umgehängt und hielt Pfeile und Köcher in der Hand: »Aurelius ist der Mann, den ich liebe. So Gott will, werde ich mit ihm leben. Doch habe ich nicht die Absicht, ihn zu überleben. Das ist mein letztes Wort.«

Nun trat auch Romulus in den Kreis der Gefährten. »Ihr glaubt doch nicht, daß ich mich rette, wenn ihr alle bleibt«, sagte er mit einer Stimme, die fest und entschlossen klang wie die eines Mannes. Sie war sogar ebenso tief geworden. »Bis jetzt haben wir alle Gefahren gemeinsam durchgestanden, ohne euch hat mein Leben keinen Sinn. Ihr seid die einzigen Menschen, die mir geblieben sind, und meine liebsten Freunde. Um nichts auf der Welt würde ich mich von euch trennen. Selbst wenn ihr mich mit Gewalt verjagen würdet, käme ich doch immer wieder zu euch zurück. Ihr müßt mich schon anbinden, sonst stürze ich mich von dem Schiff ins Meer und schwimme hierher zurück, ich ...«

Nun hob Ambrosinus die Hand, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Ich liebe diesen Jungen wie meinen eigenen Sohn und gäbe jederzeit mein Blut für ihn hin. Doch ist er nun zum Mann geworden. Schmerz und Angst ließen ihn wie Leid und Entbehrungen erwachsen werden. Damit gebührt ihm das Privileg, auch seine eigenen Entscheidungen zu treffen, die wir respektieren müssen. Ich zuallererst. Unser Schicksal wird sich auf die eine oder andere Weise erfüllen, und zwar schon sehr bald. Und ich habe mir vorgenommen, es mit euch zu teilen. Uns hält etwas so außerordentlich Starkes zusammen, das uns nie mehr abhanden kommen kann, nicht einmal in Zeiten der höchsten Gefahr. Selbst die Todesangst kann es nicht besiegen. Es wird uns immer vereint halten, bis zum letzten Augenblick, und ich kann noch nicht einmal meine Empfindungen zum Ausdruck bringen, die mich bei euren Worten überkommen haben. Ich vermag euch nichts anderes zu geben als meine tiefste Zuneigung und die Ratschläge, die mir der allmächtige Gott von Zeit zu Zeit eingibt. Es tut mir leid für unseren Freund Kustennin, der an der alten Mole vergeblich auf uns warten wird, doch gibt es Verabredungen, die man nicht verpassen darf - eben die, der wir nun entgegengehen.«

Alle schwiegen tief betroffen, doch fühlten sie in ihrem Inneren zugleich eine große Gelassenheit, die bereit war, das äußerste Opfer zu bringen - ein Opfer der Liebe und Freundschaft, entstanden aus Hingabe und Überzeugung.

Als erster antwortete Vatrenus in seiner üblichen schroffen Art: »Also, dann los«, sagte er. »Wie ein Schaf abschlachten lasse ich mich noch lange nicht. Ich habe die Absicht, eine ganze Menge von diesen Hundesöhnen mit in die Unterwelt zu nehmen.«

»Genau!« rief Batiatus aus. »Ich habe diese sommersprossigen Bastarde immer gehaßt.«

Ambrosinus konnte ein Lächeln nicht verbergen. »Das ist allgemein bekannt, Batiatus«, sagte er. »Vielleicht habe ich da etwas für euch, etwas, das ich heute nacht zufällig entdeckt habe, als ich nicht einschlafen konnte. Kommt mit.« Und er ging eilig auf das Prätori-um zu. Seine Gefährten folgten ihm und betraten mit ihm den alten Standort des Kommandanten. Noch immer standen dort sein Tisch und sein zusammenklappbarer Feldsessel, auch waren noch einige Pergamentrollen mit Dokumenten aus der Schreibstube vorhanden, und an der Wand hing, auf eine Holztafel gemalt, das verblichene Porträt einer schönen Frau. An einer bestimmten Stelle auf dem Fußboden hielt Ambrosinus inne und hob die geflochtene Strohmatte auf. Darunter kam eine Falltür zum Vorschein, die er öffnete, bevor er seinen Gefährten bedeutete, dort hinunterzusteigen.

Als erster stieg Aurelius hinab und konnte kaum fassen, welcher Anblick sich seinen Augen bot: Vor ihm lag das gesamte Waffenarsenal der Legion! Ordentlich aufgereiht und noch immer glänzend von Fett, standen da etwa zwanzig komplette Rüstungen, die nach alter Manier angefertigt waren - mit Brustpanzern, aus Metallbändern zusammengefügt, Helmen, Schilden und ganzen Bündeln von wuchtigen Speeren mit dreieckiger Spitze, genau in der Art, wie sie einst Trajans und Hadrians Heere verwendeten. Außerdem zerlegte, aber noch voll einsatzfähige Wurfmaschinen und Katapulte mit Wurfspießen aus massivem Eisen, ebenso eine große Anzahl von lilia, jene tödlichen eisernen Apparaturen mit drei Spitzen, die, im Erdreich versteckt, als Absperrung gegen die feindliche Kavallerie und Infanterie dienten.

»Mir scheint, das ist der beste Beitrag, den du bisher für unsere Sache geleistet hast«, rief Vatrenus aus und schlug dabei Ambrosinus kräftig auf die Schulter. »Bei allem Respekt gegenüber deinen philosophischen Ausführungen. Nur Mut, Leute, machen wir uns an die Arbeit. Demetrios, du hilfst mir, die Katapulte und Wurfmaschinen zusammenzubauen.«

»Die bringt ihr hauptsächlich auf der Ostseite in Stellung«, befahl Aurelius, »von dort könnten wir leicht angegriffen werden, dort sind wir am verwundbarsten.«

»Orosius und Batiatus«, fuhr Vatrenus fort, »holt euch Spitzhacken und Schaufeln und grabt die lilia an den Stellen ein, die Aurelius euch zeigt. Er ist der leitende Stratege. Livia, du bringst die Geschützpfeile auf die Galerie, außerdem die Pfeile für die Handbogen, dazu die Wurfspieße ... und Steine, so viele Steine, wie du nur finden kannst. Und jeder versorgt sich mit einer kompletten Rüstung, das heißt Helm, Brustpanzer und so weiter. Eben alles. Sie sind in allen Größen vorhanden. Außer natürlich für Batiatus.«

Batiatus sah sich verblüfft um. »He, schaut mal, da ist ein Brustpanzer, wie man ihn für die Pferde benützt. Mit ein paar Hammerschlägen kann ich ihn für mich zurechtklopfen. Der paßt mir sicher prima.«

Alle lachten, als sie mit ansahen, wie dieser Riese den schweren Harnisch eines Schlachtrosses mit einer einzigen Hand aufhob und die Treppe im Laufschritt nach oben stürmte.

»Und ich?« fragte Romulus. »Was soll ich machen?«

»Nichts«, antwortete Vatrenus. »Du bist der Kaiser.«

»Dann helfe ich Livia«, sagte er und ging ihr dabei zur Hand, die Speere zu bündeln, wobei er sehr genau beobachtete, was sie tat.

Aurelius stieg als letzter die Treppen hinauf. Vor dem Tisch blieb er stehen und begann, in den Schriftstücken herumzustöbern, die dort lagen und von einer dicken Staubschicht bedeckt waren. Eines dieser Dokumente, in schönster Schrift aufgesetzt, zog seine besondere Aufmerksamkeit auf sich. Da standen die Verse: Exaudi nie regina mundi, inter sidereos Roma recepta polos ... - Hör mich an, herrlichste Königin der Welt, die dein eigen ist, in den gestirnten Himmel aufgenommene Roma. Das war der Anfang des De reditu suo von Rutilius Namatianus, die letzte wehmütige Hymne auf die einstige Größe Roms, die siebzig Jahre zuvor am Vorabend der Eroberung durch Alarich, den König der Westgoten, geschrieben worden war. Seufzend steckte er die kleine Pergamentrolle als Glücksbringer unter das Unterkleid, direkt über seinem Herzen. Währenddessen erschien auch Ambrosinus wieder aus dem Untergeschoß, und Aurelius sagte zu ihm: »Sobald du siehst, daß alles verloren ist, versteck dich mit dem Jungen in dem unterirdischen Raum. Dort wartest du, bis alles vorbei ist. Dann begib dich nach Einbruch der Dunkelheit zu Kustennin und bitte ihn, dir weiterzuhelfen. Du schaffst es sicher, auch Romulus von diesem Schritt zu überzeugen. Vielleicht findet ihr einen versteckten Ort in Irland und könnt dort ein neues Leben beginnen.«