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Romulus gehorchte. Er packte den herrlichen goldenen Griff und zog ruhig und kraftvoll daran. Fügsam folgte die Klinge der Bewegung des Knaben, und als Wulfila die Augen wieder öffnete, sah er, wie Romulus ihm das Schwert mit beiden Händen gegen den Leib drückte, den Mund weit aufgerissen in einem Schrei, der schrecklicher war als der Schlachtenlärm. Verblüfft und ungläubig sah der Barbar mit an, wie sich das Schwert Julius Cäsars langsam in sein Fleisch bohrte und unter dem Gurgeln der durchtrennten Eingeweide in seinem Körper versank. Dann spürte er, wie die Klinge, so schneidend wie der wilde Schrei dieses Knaben, aus seinem Rücken wieder heraustrat.

Er sackte in die Knie, und keuchend beobachtete Romulus, wie das Ende nahte. Aber noch immer brannte der Haß in Wulfila, nährte seine schwindende Lebenskraft und entzündete die wildesten Energien in ihm, doch noch den Sieg zu erlangen. Er packte das Schwert am Griff, zog es langsam aus der schrecklichen Wunde und schwang es in seiner rechten Faust, während die linke seinen Bauch zusammenpreßte. So wankte er auf sein Opfer zu und fixierte es mit solch starrem Blick, als wolle er es mit der furchterregenden Kraft seiner Augen bewegungslos machen. Doch als er gerade dabei war, den Stoß anzusetzen, bohrte sich ihm eine andere Klinge in den Rücken, die auf der Vorderseite wieder zum Vorschein kam. Dicht hinter ihm stand Aurelius, der die Klinge führte, und seine harte, kalte Stimme klang wie ein Todesurteil an Wulfilas Ohr.

»Das ist für meinen Vater, Cornelius Aurelianus Ventidius, den du in Aquileia grausam ermordet hast.«

Das Blut rann ihm aus dem Mund, doch noch immer stand Wulfila fest auf den Beinen, noch immer versuchte er, das Schwert zu heben, obwohl es so schwer wie Blei geworden war. Da stieß Aurelius noch einmal zu und zog die Klinge von einer Seite zur anderen, und wieder trat sie am Brustbein aus.

»Und das ist für meine Mutter, Cecilia Aurelia Silvia.«

Röchelnd brach Wulfila auf dem Boden zusammen. Unter dem verwunderten Blick von Aurelius beugte sich Romulus zu ihm hinab, tauchte die Finger in das Blut seines Feindes und zog sich über der Stirn einen hochroten Strich. Dann reckte er das Schwert zum Himmel empor und stieß einen Triumphschrei aus, der kraftvoll und durchdringend wie ein Signalhorn auf dem Blutfeld widerhallte, das sich unter ihm erstreckte.

Inzwischen hatte die Legion auf der ganzen Linie gesiegt und rückte, nach den einzelnen militärischen Rängen unterschieden, auf den Kreis der Megalithen vor - allen voran das glorreiche Banner, das sie aus dem Dunkel zurückgerufen und zum Sieg geführt hatte. Kustennin hielt es in der Faust, und die Sonne, die inzwischen hoch am Himmel stand, umgab es mit ihren Strahlen. Oben auf dem Hügel angekommen, stieg Kustennin vom Pferd und pflanzte das siegreiche Banner neben Romulus in die Erde. Und er rief: »»Ave, Cäsar! Ave, Sohn des Drachen! Ave, Pendragon!«

Auf einen Wink von ihm eilten vier Krieger herbei, die auf dem Boden vier Stangen zu einem Kreuz zusammenfügten und darauf einen großen runden Schild legten. Sie baten Romulus, seine Füße darauf zu setzen, und hoben ihn dann nach keltischer Art auf die Schultern, damit ihn alle sehen konnten. Nun begann Kustennin, sein Schwert gegen den Schild zu schlagen, und die gesamte Legion tat es ihm gleich, so daß tausend Schwerter machtvoll und laut auf die Schilde krachten und tausend Stimmen dröhnender als das ohrenbetäubende Waffengeklirr unablässig den Ruf skandierten: »»Ave, Cäsar! Ave, Pendragon!«

Mit Wulfilas Blut auf der Stirn und dem funkelnden Schwert in der Hand erschien Romulus den siegreichen Soldaten wie ein überirdisches Wesen: der junge Krieger aus der Prophezeiung. Und während sich der nicht endende Ruf auf den Bergen in unzähligen Echos brach, wurden seine Augen von einer brennenden Leidenschaft entzündet. Doch als er von dort oben seine Gefährten erblickte, verflüchtigte sich der Triumph, und das ekstatische Glücksgefühl wich einer tiefen Ergriffenheit. Rasch sprang er zu Boden und ging durch die Reihen der Krieger hindurch, die sich respektvoll vor ihm öffneten. Schweigen fiel über das Tal, während er fassungslos und stumm über das Schlachtfeld schritt, das von zahllosen Toten bedeckt war. Seine Augen glitten über das schreckliche Bild, er sah die in letzter Todesqual einander noch umschlingenden Leiber, sah die Verwundeten und Sterbenden. Da lehnte an einem Felsen der Riese Batiatus, die Schulter von einer Lanze durchbohrt, blutüberströmt und inmitten einer großen Menge getöteter Feinde. Ein wenig von ihm entfernt lagen die Leichname seiner Kameraden, die im ungleichen Kampf gefallen waren. Als erster Vatrenus, den vier feindliche Lanzen an einen Baumstamm genagelt hatten; seine Augen standen noch offen, als verfolgten sie einen unmöglichen Traum. Dann Demetrios und Orosius, die beiden Unzertrennlichen, Seite an Seite, noch im Tod vereint. Auch sie waren von zahlreichen Feinden umgeben, die das Ende der beiden mit dem Tod bezahlt hatten.

Livia lehnte an einem Felsen, sie lebte, auch wenn ein Pfeil in ihrer Seite steckte und ihre Gesichtszüge vor Schmerz verzerrt waren.

Romulus brach in Tränen aus. Beim Anblick seiner verwundeten oder gefallenen Gefährten, den Freunden, die er nie mehr wiedersehen würde, weinte er herzzerreißend. Mechanisch wie eine Maschine, doch mit verwundetem Blick, marschierte er immer weiter, bis er am Ufer des Sees stand. Kleine, vom Wind kaum gekräuselte Wellen benetzten seine von Wunden bedeckten Füße und leckten an der Spitze seines Schwerts, von dem noch immer das Blut tropfte.

Und plötzlich legte sich wie ein lauer Frühlingswind das unendliche Verlangen nach Frieden über ihn und er rief: »Nie wieder Krieg! Kein Blutvergießen mehr!« Dann wusch er das Schwert im Wasser, bis es wie ein Kristall erstrahlte. Er erhob sich und ließ es um sich rotieren, in Kreisen, die immer weiter wurden, bis er es schließlich mit all seiner Kraft in den See schleuderte. Die Klinge flog hoch in die Luft und glänzte hell im Licht der Sonne, um dann wie ein Meteorit herabzustürzen und sich in den Felsen zu bohren, der, von Moos grün überwachsen, in der Mitte des Sees aus dem Wasser tauchte.

In diesem Augenblick versiegte der letzte Windhauch, und auf der glatten Oberfläche des Wassers spiegelte sich wie eine magische Vision die würdevolle Gestalt seines Meisters Ambrosinus, der zurückgekommen war und auf dessen Brust ein kleiner silberner Mistelzweig glänzte. Romulus erkannte kaum seine Stimme, als er sagte: »Es ist zu Ende, mein Sohn, mein Herr, mein König. Niemand wird je mehr wagen, dich anzutasten, denn du wandertest durch Eis und Feuer und Blut, genau wie dieses Schwert, das den Felsen durchdrungen hat, du Sohn des Drachen, Pendragon.«

Epilog

So wurde die Schlacht am Mons Badonicus, den wir in unserer Sprache Badon nennen, dank der Verdienste des Aurelianus Ambrosius, jenes bescheidenen Mannes und letzten Römers, geschlagen und gewonnen. Und so erfüllte sich die Prophezeiung, die mir einst den Anlaß gegeben hatte, eine Reise zu unternehmen, die niemand für möglich hielt. Sie führte mich aus meinem Heimatland nach Italien und dann, viele Jahre später, aus Italien wieder nach Britannien zurück. Mein Schüler, für wenige Tage zum Kaiser der Römer ausgerufen und dann zu endloser Gefangenschaft bestimmt, wurde unter dem Namen Pendragon, »der Sohn des Drachen«, König von Britannien - so jedenfalls sahen und bejubelten ihn die Soldaten der letzten Legion am Tage ihres Sieges. Aurelianus blieb als sein Vater immer an seiner Seite, bis er erkannte, daß der Name Pendragon den ursprünglichen Namen Romulus für immer ausgelöscht und die Liebe zu Ygraine das Herz seines Adoptivsohns vollständig eingenommen hatte. Da begab er sich mit Livia, der einzigen Trau, die er je geliebt hatte, auf Reisen, und seit damals hörte niemand mehr etwas von ihm. Gern stelle ich mir allerdings vor, daß sie in ihre Heimatstadt, das auf dem Wasser erbaute Venetia, zurückgekehrt sind, um auch weiter wie Römer und nicht wie Barbaren zu leben und wo sie sich eine Zukunft in Frieden und Freiheit aufbauten.