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»Ich habe dir doch gerade erklärt, daß ich nicht blöd bin. Ich gebe dir das Geld an Ort und Stelle, vor Beginn der Veranstaltung.«

»In Ordnung«, sagte der Mann. »Um Mitternacht, wenn du die Glocke der Admiralität hörst.«

»Ich werde dasein. Ach ja, und noch etwas: Siehst du die da?« Und er zeigte auf Livia. »Im Vergleich zu mir ist die bloß ein kleiner Spucht. Also, keine Dummheiten! Ist das klar? Sonst reiß ich sie dir wirklich ab, deine Eier, und serviere sie dir zum Frühstück! Jetzt nimm dieses Schwein, das gerade wieder zu sich kommt, bevor sie es sich anders überlegt und ihm dem Schädel spaltet, als wäre er ein Kürbis.«

Der Mann brummte zustimmend und nahm sich seines arg mitgenommenen Kumpans an. Aurelius und Livia verschwanden unterdessen im Gewirr der Gassen.

»Batiatus lebt!« sagte Aurelius außer sich vor Freude. »Hast du das mitbekommen? Batiatus lebt!«

»Immer mit der Ruhe. Das habe ich schon kapiert. Aber wer ist dieser Batiatus?«

»Ein Kamerad aus meiner Truppe. Er war der Leibwächter meines Kommandanten, ein fast sechs Fuß großer äthiopischer Hüne, stark wie ein Stier. So einer wie er wiegt zehn Männer auf, das schwöre ich dir. Wenn es uns gelingt, ihn zu befreien ... Ich bin mir fast sicher, daß wir es schaffen werden. Und wenn er hier ist, dann vielleicht auch noch andere. Oh, ihr Götter, ich wage nicht, das zu hoffen ...«

»Mach dir nicht zu viele Illusionen. Und ganz nebenbei: Wie gedenkst du ihn zu befreien?«

Aurelius legte die Hand an den Griff seines Schwertes. »Mit dem da - wie sonst?«

»Aha. Und Hilfe brauchst du vielleicht auch, könnte ich mir denken.«

»Das wäre nicht schlecht.«

»Du hast eine seltsame Art, um etwas zu bitten.«

»Ich bitte um gar nichts. Ich versuche, dir zu helfen, deine Mission zu erfüllen.«

»Richtig. Dann los! Wir müssen uns vorbereiten und alles besorgen, was wir brauchen. Was hat dir denn dieser Schurke sonst noch gesagt?«

»Daß alle auf den Sieg des Schwarzen wetten, aufgrund der gemachten Erfahrungen, und er hat einen großen Batzen Geld verlangt, damit ich auf die Niederlage des Schwarzen setze: Er würde schon dafür sorgen, daß er verliert.« »Wollen sie ihn vielleicht vergiften?«

»Das bezweifle ich. Er ist zuviel wert.«

»Unter Drogen setzen?«

»Schon möglich.«

»Jedenfalls gefällt mir die Sache nicht. Wir müssen auf der Hut sein.«

Sie gingen zurück in die Taverne und bereiteten sich sorgfältig auf das Unternehmen vor. »Zuallererst brauchen wir Pferde«, sagte Aurelius, »wenn möglich, gleich drei oder vier - man kann ja nie wissen. Ich versuche, sie zu beschaffen: Bei der Einfahrt zur Stadt gibt es noch eine Poststation, und mein Abzeichen vom Militär sollte mir dabei von Nutzen sein, aber ein bißchen Geld könnte auch nicht schaden.«

Livia holte etwas aus der Tasche, und Aurelius machte sich auf den Weg. Spät in der Nacht kehrte er zurück. »Alles erledigt«, sagte er, als er eintrat. »Der Stationsvorsteher ist ein tüchtiger Kerl, noch ein Beamter der alten Schule, einer von denen, die verstehen, ohne viele Fragen zu stellen. Er wird in einer Ölmühle in der Nähe der Küste Pferde für uns bereithalten, auf der Höhe des dritten Meilensteins. Ich habe gesagt, daß wir hier Freunde erwarten und morgen vor Tagesanbruch abreisen müssen.«

»Und die Waffen?« fragte Livia.

»Es ist vorherzusehen, daß sie Leibesvisitationen vornehmen, und deshalb ist es besser, wenn du sie trägst. Aber du mußt schon wie eine Frau aussehen. Hast du mich verstanden?«

»Ich habe dich genau verstanden«, antwortete Livia, keineswegs geschmeichelt. »Und deshalb vertritt dir jetzt draußen ein wenig die Beine, und klopfe an, wenn du zurückkommst.«

Aurelius kehrte nach einer Zeit zurück, die er für angemessen hielt, und war verblüfft über die Verwandlung seiner Begleiterin. Er sah ihr in die Augen und war fasziniert vom Glanz ihres Blickes, den sie mit einem feinen Strich Rußschminke noch besser zur Geltung gebracht hatte, und er hätte ihr gern gesagt, wie großartig sie aussah. Aber just in diesem Augenblick ließ ein Glockenschlag, der vom Meer heraufdröhnte, die Luft erzittern.

»Die Glocke der Admiralität«, sagte Livia. »Gehen wir!«

XII

Allmählich trudelten die Leute ein, schweigend und in kleinen Gruppen strebten sie zu dem völlig dunklen Saal, überwiegend Männer, aber auch einige Frauen und sogar kleinere Jungen. Am Eingang angekommen, wurden sie durchsucht, und wenn man sie im Besitz einer Waffe antraf, zwang man sie, diese den Bewachern auszuhändigen. Die einzige Lichtquelle war eine kleine Laterne. Sie wurde zur Kontrolle der Ausweise benötigt, die von derselben Art waren wie der, den Aurelius in Pozzuoli von dem Bankier Eustasms erhalten hatte.

Aurelius und Livia stellten sich in die Schlange und warteten darauf, daß sie an die Reihe kamen. Livia hatte sich einen Schleier über die gekämmten Haare gelegt, der ihr eine sehr feminine Grazie verlieh. Plötzlich hörte man ein Raunen durch die Menge gehen, dann das Geräusch von schweren Schritten und das Rasseln von Ketten, und alle traten zur Seite, um die Gruppe von Kämpfern durchzulassen, die in dieser Nacht aufeinandertreffen würden. Unter ihnen ragte ein Hüne hervor: Batiatus! Aurelius ging näher an ihn heran, obwohl Livia versuchte, ihn zurückzuhalten, und als er nahe bei der Laterne war, nahm er seine Kopfbedeckung ab und sagte: »He, du Kohlensack, ich habe eine ganz schöne Stange Geld auf dich gesetzt. Schau zu, daß du mich nicht enttäuschst!«

Beim Klang dieser Stimme drehte Batiatus sich um und sah sich seinem alten Waffenkameraden gegenüber. Im Halbdäm-mer glänzten seine Augen vor Verwunderung, und beinahe hätte ihre Gefühlsaufwallung sie verraten. Doch Aurelius machte Batiatus rasch ein Zeichen und bedeckte sofort wieder seinen Kopf. Der Gladiatorenmeister zerrte schon heftig an der Kette, und Batiatus ging die Stufen hinunter, die ins Innere der riesigen Zisterne führten. Bald darauf erblickte Aurelius auch Vatrenus und konnte seine Tränen nicht mehr zurückhalten: Plötzlich tauchte an diesem finsteren, schaurigen Ort ein Stück seines früheren Lebens wieder auf; Gefährten, die er verloren geglaubt hatte, erschienen lebendig und in greifbarer Nähe vor ihm und lösten in ihm zugleich ungeheuere Freude und entsetzliche Angst aus. Angst davor, daß alles wieder ins Nichts zurücksinken könnte, daß er dieser Aufgabe nicht gewachsen sein könnte, daß sein Versuch ebenso scheitern könnte wie schon der, Romulus in Ravenna zu befreien. Livia ahnte, was ihm durch den Kopf ging, drückte fest seinen Arm und flüsterte ihm ins Ohr: »Wir werden es schaffen, ich bin sicher, daß wir es schaffen. Nur Mut jetzt! Und hinein mit uns!«

Der Kontrolleur war schon im Begriff, Livia abzutasten, als Aurelius dazwischentrat: »He, laß sie in Ruhe! Sie ist meine Verlobte und nicht so eine Hure wie deine Mutter!«

Verärgert brummte der Mann etwas und sagte dann: »Du aber läßt dich durchsuchen und zeigst mir deinen Ausweis, wenn dir nicht die Lust vergehen soll, hier den Geistreichen zu spielen!« Und er legte die Hand an einen Knüppel, den er am Gürtel hängen hatte.

Aurelius zeigte seinen Ausweis her und hob schnaubend die Arme hoch, während der andere ihn abtastete.

»Du kannst gehen«, sagte er, nachdem er festgestellt hatte, daß alles in Ordnung war. Dann wandte er sich um und kontrollierte ein paar Stammkunden, die in diesem Moment zum Eingang hochstiegen.

Unterdessen gingen Aurelius und Livia die lange Treppe hinunter, die in die Zisterne hinabführte, und sahen sich mit einem unglaublichen Anblick konfrontiert: In das Licht von Dutzenden von Fackeln getaucht, erschien die grandiose Pi-scina Mirabihs, ein Reservoir, das Wasser für eine ganze Stadt fassen konnte. Es war in fünf Schiffe geteilt, die von sehr hohen Bögen getragen wurden. Die Wände und der Boden waren blankpoliert, und der Fußboden hatte eine doppelte Neigung zur Mitte hin, zur Schlammgrube, einer kleinen Rinne, die mit einem Schott abgeschlossen war, welches in früherer Zeit hin und wieder geöffnet wurde, um die Schlammschicht, die sich im Laufe der Zeit immer wieder am Boden abgelagert hatte, hinauszuschwemmen. An der Ostseite sah man oben, nahe bei der Decke, die Zufuhrleitung des Aquädukts, die früher einmal dazu gedient hatte, die Zisterne wieder aufzufüllen, jetzt aber durch ein Schott verschlossen war. Eine lange rostige Spur und ein schwaches Tröpfeln deuteten darauf hin, daß in der Leitung noch Wasser war, das aber wahrscheinlich in irgendeinen seitlichen Sammelkanal umgelenkt wurde. An der gegenüberliegenden Wand, auf der Westseite, sah man die Öffnung der alten Abflußleitung, die die Reservoirs für die Flotte mit dem Wasser von der Oberfläche, dem saubersten und reinsten, speiste. Jetzt war diese ganze gewaltige Anlage, die einst den Durst der Seeleute und Soldaten der mächtigsten Flotte der Welt gestillt hatte, nur eine leere Grube, der Tummelplatz einer blinden und blutigen Gewalt, in dem sich die niedrigsten Instinkte austobten.