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»He, ihr da, zur Außentreppe der Lagerräume! Los, wir fangen sie ab!« befahl er. Die Männer gehorchten, rannten in die entgegengesetzte Richtung und verschwanden am Ende des Korridors.

Auf der oberen Terrasse liefen Aurelius und seine Kameraden zur Brüstung, wo Orosius sie schon sehnsüchtig erwartete und ihnen den einzigen Fluchtweg sicherte.

»Zuerst der Junge!« befahl Aurelius. Orosius beugte sich über die Brüstung und schrie aus voller Kehle, um das Getöse des Sturms und der Flutwellen zu übertönen. Batiatus hörte ihn unten und machte sich bereit, die Flüchtenden in Empfang zu nehmen. Unterdessen bildeten Demetrios, Vatrenus und die anderen einen Halbkreis um Romulus, der sich auf den Abstieg vorbereitete. Der Junge blickte in die Tiefe und spürte, wie sich ihm das Herz zusammen-krampfte: Aus dieser Entfernung glänzte die Felswand wie Stahl, und unten, zwischen den scharfkantigen Klippen, wirbelte und schäumte es wild, und das von den Wogen geschüttelte Boot sah aus wie eine zerbrechliche Nußschale. Romulus atmete tief ein, während Orosius versuchte, ihn mit einem behelfsmäßigen Halteseil am Abstiegsseil festzubinden, doch in diesem Augenblick sah Livia, die auf eine Auskragung der Brüstung geklettert war, in der Ferne von rechts und von links Wulfilas Männer näher kommen, und schlug Alarm.

»Die Krüge!« rief sie, sobald sie wieder auf den Boden gesprungen war. »Werfen wir uns gegen die Krüge! Der erste und der dritte sind voller Öl!« Die Kameraden eilten herbei, und auch Orosius ließ das Seil fallen, um mitzuhelfen. Sie kippten die beiden großen Gefäße nacheinander um und ließen sie in entgegengesetzte Richtungen rollen. Auf diese Weise sich selbst überlassen, kullerten die beiden Behälter nach rechts und nach links, prallten zuerst gegen die Brüstung und dann gegen die Innenmauer, bis sie nach einem heftigeren Stoß zerbrachen, und sofort ergoß sich ein Schwall glänzenden Öls, der sich in Richtung der beiden in vollem Lauf begriffenen Gruppen ausbreitete. Die ersten rutschten aus und fielen zu Boden, dabei setzten die Fackeln, die sie in der Hand hielten, die Flüssigkeit in Brand und ließen an beiden Enden der Terrasse ganze Flammenwirbel auflodern. Einige der in menschliche Fackeln verwandelten Soldaten sprangen ins Meer und versanken in den Fluten, andere stürzten sich auf die Klippen, und ihre Körper hüpften von einem Felszacken zum anderen und zerschellten schließlich zwischen den Felsen wie aus dem Leim gegangene Marionetten. Doch schon liefen andere zur Verstärkung herbei, und Aurelius begriff, daß nichts anderes übrigblieb, als bis zuletzt zu kämpfen. Er biß die Zähne zusammen und umklammerte das Schwert, das ihm sein Kaiser anvertraut hatte. Er würde es, bevor er starb, mit dem letzten Funken Kraft ins Meer schleudern, damit es nicht in die Hand der Feinde fallen konnte. Doch während sich die fünf in einer Reihe aufstellten, rüttelte sich Romulus, einer plötzlichen Eingebung folgend, auf. »Kommt mir nach!« rief er. »Ich kenne einen Fluchtweg!« Und er lief zu der kleinen eisenbeschlagenen Tür und schob den Riegel auf.

Aurelius war klar, was er vorhatte, beugte sich über die Brüstung, schrie Batiatus etwas zu und erklärte ihm mit weit ausholenden Gesten, daß er die Leinen losmachen und das Weite suchen sollte, dann warf er das Seil hinunter, weil er keinen Zweifel hatte, daß sie von hier aus nicht mehr nach unten klettern würden. Anschließend rannte er zur Tür und stürzte seinen Gefährten hinterher, dieselbe Treppe hinunter, über die sie kurz zuvor hinaufgegangen waren. Der Sturm ließ unterdessen nach, aber in der Ferne hörte man immer stärker das Grollen des Vulkans, der seinen Zorn noch in seinem Inneren verbarg.

Sie gelangten in den Hof und hielten sich dabei stets dicht an der nördlichen Mauer, die im Dunkeln lag, und dann fand Romulus die Allee, die den Flüchtenden Schutz bot bis zu der Stelle, an der das Abflußgitter den Zugang zu dem unterirdischen Geheimgang ermöglichte. Romulus öffnete es und winkte den anderen, ihm zu folgen, während er sich schon nach unten ließ.

»Wie gut, daß Batiatus nicht dabei ist«, sagte Vatrenus. »Hier wäre er niemals durchgekommen.«

Sie begannen, der Reihe nach hinabzusteigen, doch einer der Diener, den dieses ganze Tohuwabohu aufgeweckt hatte, fing zu brüllen an. Ihm antwortete das wütende Gebell der Hunde, und schon lief eine Gruppe Wachen mit Fackeln und Laternen herbei, um die ganze Umgebung abzusuchen.

»Wo sind diese Eindringlinge?« fragte der Mann, der sie anführte.

Der Diener wußte nicht, was er sagen sollte. »Aber ich schwöre euch, daß sie gerade erst hier waren! Ich habe sie gesehen, ganz bestimmt!«

Unter dem Abflußgitter verharrten alle regungslos, weil die Verfolger genau über ihnen standen und man deutlich ihre von den Laternen erleuchteten Gesichter erkennen konnte.

»Und jetzt?« beharrte der Anführer der Wachen. Der Mann zuckte die Achseln, während die Hunde immer noch jaulend hin und her liefen. Da versetzte ihm der Barbar laut fluchend einen so heftigen Stoß, daß er nach hinten fiel, und führte seine Männer anderswohin, wo weitere Gruppen die Suche fortsetzten. Romulus hob das Gitter ein wenig an und lugte nach draußen, um sich zu vergewissern, daß sie wirklich abgezogen waren, und begann dann, sich auf den Boden des Geheimgangs herunterzulassen, alle anderen folgten ihm. Der unterirdische Gang war in vollkommenes Dunkel getaucht, doch Ambrosinus zog seinen Zündstein hervor, und nach einigen Versuchen gelang es ihm, einen Docht anzuzünden, den er aufgerollt in einem Gefäß hielt, das mit einer schwärzlichen, talgähnlichen Substanz gefüllt war. Das flackernde Flämmchen entwickelte sich schon bald zu einer kleinen grellweißen Lichtkugel, die sie durch die imposante Reihe kaiserlicher Standbilder bis zu der großen Platte aus grünem Marmor führte. Aurelius und die anderen waren überwältigt vor Staunen sowohl über Ambrosinus wundersame Flamme als auch über diesen unglaublichen Aufmarsch von Cäsaren, die im Prunk ihrer paludamenta, der prächtigen Überwurfmäntel, und ihrer Rüstungen dargestellt waren.

»Ihr Götter ...!« murmelte Vatrenus, »in meinem ganzen Leben habe ich so etwas noch nicht gesehen.«

»Herrgott ...«, pflichtete ihm Orosius bei, der diese Wunderwerke mit weit aufgerissenen Augen anstarrte.

»Er ist es gewesen, der das entdeckt hat!« sagte Ambrosinus stolz und deutete auf seinen Schüler, der sich gerade der großen grünen Marmorplatte näherte. Romulus drehte sich zu Aurelius um und sagte: »Und dabei habt ihr noch gar nichts gesehen. Von hier nun kommt das Schwert, das du in Händen hältst. Schau her!«

Er legte die Finger auf die drei V und drückte mit ganzer Kraft dagegen. Man hörte das Geräusch der Gegengewichte und des Mechanismus, der sich in Bewegung setzte, und unter den immer ver-wunderteren Blicken seiner Begleiter begann sich die große Platte um sich selbst zu drehen, bis, aufrecht auf ihrem Sockel stehend, die Statue Julius Cäsars erschien, prachtvoll in der silbernen Rüstung und den verschiedenfarbigen Marmorarten, die den Purpur der Tunika und des Mantels nachahmten, und dem bleichen und griesgrämigen Gesicht, das ein großer Künstler aus dem kostbarsten Marmor der Apuanischen Alpen gemeißelt hatte. Doch das wortlose Staunen der kleinen Gruppe wurde von Demetrios unterbrochen, der plötzlich Alarm schlug. »Sie haben uns entdeckt!« schrie er. »Sie haben das Licht gesehen!«