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Aurelius trat zu ihm. »Ich wußte, daß du uns niemals den Barbaren ausliefern würdest. Danke, General, mögen die Götter dich beschützen.«

»Möge Gott dich beschützen, Soldat, und diesen Jungen hier.«

Nun trat auch Romulus auf ihn zu, der in würdevollem Ton sagte: »Danke für alles, was du für uns tust. Nie werde ich dir das vergessen.«

»Ich habe nur meine Pflicht getan ... Cäsar«, antwortete Volusianus und grüßte ihn mit militärischem Gruß. Dann senkte er respektvoll das Haupt und sprach: »Geh nun, bring dich in Sicherheit.«

Sie stiegen auf die Pferde und machten sich auf den Weg, der ihnen gewiesen worden war und der sie durch die dunklen, menschenleeren Gassen der Stadt führte, bis sie die dort einmündende Brücke erreicht hatten. Die Wachen gaben ihnen Zeichen, rasch weiterzureiten, und Aurelius führte sie sicher zum anderen Ufer. Dort wandten sie sich nach Norden und folgten dem Weg am Fluß entlang. Sie gaben ihren Reittieren die Sporen, und bald waren sie in der Dunkelheit verschwunden.

Volusianus bestieg sein Pferd und kehrte in sein Winterquartier nicht weit vom Hafen zurück, gefolgt von seinem Adjutanten und einem halben Dutzend Männer seiner Garde. Einer der Diener lief herbei, um ihm die Zügel seines Pferdes abzunehmen, ein anderer eilte mit einer Laterne herbei, um ihm den Weg zu leuchten. Volusianus wandte sich an seinen Adjutanten. »Laß noch etwas Zeit vergehen«, befahl er ihm, »dann lauf zum Palast und schlage Alarm. Sag, daß sie die Wachen ermordet haben und dann geflohen sind, was die reine Wahrheit ist. Und natürlich gibst du zu verstehen, daß du keine Ahnung hast, welche Richtung sie eingeschlagen haben.«

»Natürlich, General«, antwortete der Adjutant.

»Wenn deine Generäle sie nicht beschützt hätten«, schrie Wulfila außer sich vor Wut, »hätten wir sie schon längst wieder gefangen und zurückgebracht!«

Syagrius saß auf seinem Thron, einem Sessel, der entfernt an die sella curulis, den Amtsstuhl eines Statthalters aus alter Zeit, erinnerte. Eingehüllt in einen Umhang aus Fuchspelz, der ihn vor der beißenden Kälte schützen sollte, war er sichtlich gereizt - einerseits, weil sich die Unterredung bis mitten in die Nacht hinzog, zum anderen wegen der schlechten Manieren, die dieser Wilde mit dem entstellten Gesicht zur Schau trug.

»Mein magister militum hat getan, was seine Pflicht war«, entgeg-nete er verstimmt. »Dies hier ist Staatsgebiet der Römer, und die Gerichtsbarkeit gebührt mir, meinen Offizieren und Richtern. Niemand anderem! Doch jetzt, da sich diese Verbrecher mit Mord befleckt haben und aus meinem Gefängnis ausgebrochen sind, haben sie sich als Gesetzesbrecher entlarvt, die einzufangen nicht schwer sein dürfte. Auch ihnen ist bekannt, daß sie sich, so lange sie sich in meinem Gebiet befinden, der Verfolgung nicht entziehen können. Also werden sie alles versuchen, um von dem nächstgelegenen Hafen übers Meer zu fliehen. Dort werden wir sie fassen.«

»Aber wenn es ihnen gelingt, sich noch rechtzeitig einzuschiffen?« schrie der Barbar.

Der rex Romanorum zuckte die Achseln. »Sie kämen nicht weit«, sagte er. »Kein Schiff kann es mit meinen Galeeren aufnehmen, und wir wissen, daß sie den Weg nach Frisia oder Armorica einschlagen werden. Niemand wäre so verrückt, sich in diesen Zeiten für Britannien zu entscheiden. Doch sind es meine Männer, die sie abfangen werden, nicht du.«

»Hör mich an«, sagte Wulfila und trat dabei auf den Stuhl des Syagrius zu, »du kennst diese Leute nicht. Das sind außergewöhnlich gute Kämpfer. Beweis dafür ist die Art, wie sie aus deinem Gefängnis entflohen sind, und das nur wenige Stunden, nachdem sie dort eingesperrt worden sind. Ich jage sie seit Monaten und kenne die Art ihres Vorgehens und all ihre Finten. Laß mich dich mit meinen Männern begleiten. Ich schwöre dir, daß es nicht zu deinem Nachteil sein wird, denn ich habe den Befehl, dir eine satte Belohnung im Austausch für das Ergreifen des Jungen anzubieten Vor allem aber ist Odoaker bereit, dir seine ganze Dankbarkeit auch durch ein Bündnis zu beweisen. Er ist jetzt der Wächter und Beschützer Italiens und der natürliche Mittelsmann in der Beziehung zum Ostreich.«

»Also, so geht ebenfalls mit«, antwortete Syagrius, »aber ergreift keinerlei Initiative ohne die Billigung meines Statthalters.« Darauf gab er dem, der ein romanisierter Westgote namens Gennadius war, ein Zeichen. »Mache dich auf den Weg«, befahl er ihm. »Und nimm so viele Männer mit, wie du brauchst. Ihr reitet bei Tagesanbruch.«

»Nein!« wand Wulfila ein. »Wenn wir erst bei Tagesanbruch losreiten, werden sie uns entkommen. Sie haben schon jetzt einen riesigen Vorsprung. Wir müssen sofort los.«

Syagrius dachte ein paar Augenblicke nach, dann nickte er. »Einverstanden«, sagte er. »Aber wenn ihr sie gefangengenommen habt, bringt ihr sie zu mir. Mir obliegt die Gerichtsbarkeit; wer auch immer sie bricht, ist mein Feind. Nun geh!«

Gennadius grüßte und ging davon, Wulfila und seine Männer folgten ihm. Kurze Zeit später war das Schiff zum Ablegen bereit, eine große Galeere, nach keltischer Tradition aus Eichenholz gebaut, auf der Männer und Pferde selbst übers offene Meer transportiert werden konnten.

»Welches ist der nächstgelegene Hafen?« fragte Wulfila, kaum daß er an Bord war.

»Brixate«, antwortete Gennadius, »direkt an der Seinemündung. Er wird sich leicht herausfinden lassen, ob ein Schiff in See gestochen ist. Zu dieser Jahreszeit fährt fast niemand hinaus.«

Sie kamen rasch voran, da sie von der Strömung des Flusses getragen wurden, und als der Wind von Nordost nach Ost drehte, hißten sie das Segel, so daß sie das Tempo noch steigerten. Wenige Stunden vor dem Morgengrauen klarte der Himmel auf, und die Temperatur sank noch weiter ab, doch da lag ihr Ziel bereits so nah, daß sie die Hafenlichter erkannten.

Plötzlich richtete der Steuermann einen besorgten Blick nach vorn. »Seht nur«, sagte er, »dort kommt Nebel auf.«

Wulfila hörte ihm nicht einmal zu. Er suchte die große Trichtermündung der Seine ab und darüber hinaus das offene Meer, um seine Beute nicht noch einmal zu verlieren, die er schon in greifbarer Nähe wähnte.

»Schiff von Bugseite!« ertönte in diesem Augenblick die Stimme des Matrosen aus dem Mastkorb.

»Das sind sie!« rief Wulfila aus. »Da bin ich mir sicher. Es gibt keine weiteren Fahrzeuge auf dem Meer.«

Auch der Steuermann hatte das Schiff gesehen. »Seltsam«, sagte er. »Sie fahren auf den Nebel zu, als wollten sie den Kanal überqueren und in Britannien landen.«